Karlsfeld:Idyllisch und nützlich

Wolfgang Späth hat in Karlsfeld einen Garten angelegt, den Experten für geradezu beispielhaft halten. 250 000 Bienen bevölkern das Areal. Und der Honig schmeckt ausgezeichnet.

Von Benjamin Emonts

Der Kontrast könnte größer kaum sein: Auf der einen Seite der lebendige, nach Kräutern duftende Garten, in dem es vor Bienen und farbenfrohen Blüten nur so wimmelt. In dem gerade zwei Libellen ihren Paarungsflug aufführen und sich eine Eidechse an seine Wasserstelle, den kleinen trüben Fischteich, heranschleicht. Auf der anderen Seite die - nun ja, ihren Zweck erfüllenden - monumentalen Wohnhäuser aus den sechziger Jahren, die unzähligen aneinandergereihten Garagen, die meterhohe Lärmschutzwandwand vor den Bahngleisen am Hang. Keine Frage: Der Garten, den sich Wolfgang Späth in jahrelanger Arbeit mitten in Karlsfeld geschaffen hat, ist kein gewöhnlicher. Nicht nur wegen seiner Lage inmitten der urbanen Betonlandschaft, auch wegen seiner Vielfalt an Pflanzen und Lebewesen. Kurzum: Er ist ein kleines Idyll, ein in sich funktionierendes Ökosystem mitten in der Stadt.

Karlsfeld: In Wolfgang Späths Garten gibt es auch ein Insektenhotel.

In Wolfgang Späths Garten gibt es auch ein Insektenhotel.

(Foto: joergensen.com)

Ob Libellen, Hornissen, Eidechsen oder die sich im kleinen Gartenteich versteckenden Molche: Sie sind alle aus freien Stücken in den Garten von Wolfgang Späth gekommen. Nicht von ungefähr, denn der Naturbursch, wie er sich selbst bezeichnet, hat sich in den vergangenen 13 Jahren alle Mühe gegeben, damit es sich in seinem Garten für Insekten, Fische und Pflanzen gut aushalten lässt. Mit mehr als zehn Tonnen Natursteinen, Nagelfluh und Flussbausteinen hat der Rentner an dem kleinen aber steilen Hang terrassenartig Trockenmauern errichtet, auf denen Hochbeete angelegt sind. Betritt man den mit Maschendraht umzäunten Garten, steht auf der linken Seite eine massive Holzhütte. Auf der gefliesten Terrasse, in die der kleine Fischteich eingelassen ist, verbringt Späth gesellige Grillabende mit Freunden.

Hinter der Holzhütte befindet sich auf einem eigenen Areal der Bienengarten samt gläsernem Schaubienenstand. Fünf Bienenvölker leben dort, etwa 250 000 Tiere, die emsig den Nektar der vielen verschieden Blüten einsammeln und in den Bienenstock tragen. Im Zentrum des Gartens sind etliche Gemüsebeete angelegt, vieles musste Späth nach der lang anhaltenden Kälte komplett erneuern. Hier wachsen Kohlrabis, Zucchini, Paprika, saftige Salate, Rucola, Mangold und vieles mehr. In zwei Gewächshäusern gedeihen zusätzlich Tomaten- und Gurkenstauden, ein paar unausgewachsene grüne Tomaten kann man bereits erspähen.

Angst vor Schädlingen wie Blattläusen muss Späth keine haben. In dem Insektenhotel, das er eigenhändig geschreinert hat, leben viele hungrige Kleintiere, die sich dem Ungeziefer annehmen. Eine Hand wäscht die andere sozusagen: Er baut den Insekten ein Hotel, und diese revanchieren sich, indem sie die Schädlinge bekämpfen. Das macht Sinn, wie so vieles in Späths Gartenreich.

Die Kräuter, für die Späth eine besondere Leidenschaft entwickelt hat ("Die Blumen interessieren mich eigentlich nicht so, die will meine Frau"), wachsen größtenteils auf den Hochbeeten und sind allesamt mit Namensschildern versehen. Estragon, Thymian, Salbei, Oregano, Heiligenkraut, Johanniskraut, Majoran: Die Vielfalt ist immens. Wollte man alle Sorten - pro Kraut bis zu 15 Stück - aufzählen, es bedürfte einiger Stunden.

Späth selbst verteilt immer wieder Kostproben, fordert dazu auf, an den Stielen und Blättern zu reiben, das Aroma zu schmecken und zu riechen. Sein Garten ist sein Stolz - und den teilt er auch gerne mit seinen Mitmenschen. Abends, wenn es dunkel wird, beleuchten Solarlaternen den Garten. Ob das den Tieren gefällt? Man weiß es nicht. Rein optisch sorgen die Lampen jedenfalls für einen schönen Anblick. Und schließlich soll der Garten auch was hermachen. Das ist Späth wichtig, wie man schnell merkt.

Dafür hat er auch einen hohen fünfstelligen Betrag und jede Menge Arbeit in den vergangenen 13 Jahren investiert. Zwischen Frühjahr und Winter arbeitet er täglich mehrere Stunden in seinem Garten: Er pflegt die Beete, züchtet seine Bienen, erntet, macht Honig und kostet hier und da mal von seinen Erträgen. Zu einem Ritual ist mittlerweile das tägliche Kräutersammeln geworden. Daraus bereitet er ein Dressing, das er seiner Frau nahezu jeden Abend zum garteneigenen Salat serviert. Sein 1000 Quadratmeter großer Garten ist - und darauf ist Späth stolz - ein Selbstversorgergarten. Was zu viel ist, wird nicht etwa verkauft, sondern an Bekannte verschenkt. Auch der Honig, den er in Gläser abfüllt und selbst etikettiert. "Dadurch, dass die Bienen den Nektar der Kräuterblüten aufsammeln, nimmt der Honig deren Geschmack auf", schwärmt Späth.

Überhaupt ist er erst so richtig zufrieden mit seinem Garten auf ehemaligem MTU-Gelände, seit er seit drei Jahren eine eigene Bienenzucht hat. "Damit hat sich mein Traum vom Selbstversorgergarten erfüllt", sagt Späth, um kurz darauf zu mahnen: "Wenn es irgendwann keine Bienen mehr gibt, haben wir nichts mehr zu essen. Die Leute haben heute kaum mehr Verständnis für die Natur und ihre Umwelt." Späth schon. Allerdings, für seine Arbeiterbienen, die sich in den Teich verirrt haben, bringt er weniger Verständnis auf. "Ihr sollt arbeiten und nicht Schwimmen gehen", sagt er, als er zwei Bienen aus dem Wasser fischt.

Armin Wiesner, Mitarbeiter der Kreisfachberatung für Gartenbau und Landespflege vom Landratsamt Dachau, tourt derzeit mit drei Kollegen durch den Landkreis und begibt sich auf die Suche nach den schönsten Gärten. Das diesjährige Thema: "Selbstversorgung aus dem Garten". Der Garten von Wolfgang Späth, so Wiesner, "ist in dieser Hinsicht ein Vorzeigemodell". Zumal Späths Ernte so reich ausfällt, dass er damit nicht nur sich selbst, sondern auch andere versorgen könne.

Wer sich das bunte Treiben in dem Garten mal genauer ansehen möchte, hat dazu am 30. Juni 2013 Gelegenheit. Beim 15. Tag der offenen Gartentür wird auch Späth sein blühendes Prachtexemplar vorführen und Erfolgsrezepte verraten. Übrigens: Angst vor den herumschwirrenden Bienen muss dabei keiner haben. "Die Sammelbienen stechen sowieso nicht."

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