Karlsfeld:Heiliger Bimbam

Karlsfeld: Bernd Wanka verzichtete in seiner Weihnachtsansprache auf süßes Glockengeläut: Er redete Tacheles.

Bernd Wanka verzichtete in seiner Weihnachtsansprache auf süßes Glockengeläut: Er redete Tacheles.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Wie Karlsfelds CSU-Fraktionsvorsitzender Bernd Wanka in seiner Weihnachtsansprache mit dem Bündnis abrechnet

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Thilo von Trotha, langjähriger Präsident des "Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache" schrieb auch sechs Jahre lang die Reden für den mittlerweile verstorbenen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Er weiß, worauf es bei Weihnachtsansprachen ankommt: "Alles, was nach Zwietracht aussehen könnte, fliegt raus." Stattdessen wird Harmonie beschworen. Man betont, was man bisher geschafft hat und noch gemeinsam schaffen kann. Wenn man nur will. Ein bisschen so ist es auch in der Kommunalpolitik. Die letzte Gemeinderatssitzung im Jahr dient dazu, sich gegenseitig zu versichern, dass man - bei allen Differenzen im Detail - auf ein gemeinsames Ziel zuarbeitet.

Bernd Wanka, CSU-Fraktionssprecher im Karlsfelder Gemeinderat, nutzte die Feierstunde allerdings, um den Kollegen der kleinen Bündnis-Fraktion mal ordentlich die Meinung zu geigen, ganz ohne süße Glocken: Die Gemeinde will ein Gewerbegebiet im Grünzug ausweisen, gleichzeitig aber auch ein großes Landschaftsschutzgebiet beantragen, damit das Moos nach dem Eingriff vor weiterer Zersiedelung und Verbauung ein für allemal geschützt wird. Es sah danach aus, als könnte nach dem erbitterten Streit von Naturschützern und Fürsprechern eines Gewerbegebiets eine Lösung stehen, bei der es keine Verlierer gibt, sondern zwei Sieger. Ein Kompromiss wie ein Weihnachtswunder. Tatsächlich herrschte große Euphorie. Dann kippte die Stimmung. Auf einmal witterten die Aktivisten vom Bündnis für Karlsfeld eine taktische Falle. Nicht ausgeschlossen, dass es 2016 nun doch ein Bürgerbegehren zu den Gewerbegebietsplänen geben wird.

Was Wanka fassungslos macht, ist, dass es nach Lesart des Bündnisses nie so etwas wie einen Kompromiss gegeben hat. Wanka bescheinigte dem Bündnis "retrograde Amnesie". "Es wäre - wie man in Bayern sagt - ein Akt der Ehrlichkeit gewesen, sich mit einem Arsch in der Hose hinzustellen und diese kurzzeitige Begeisterung als 'Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern' zu entschuldigen und mitzuteilen, dass man sich halt umentschieden habe."

Scharfe Kritik übte er auch an der "kolossallen Entgleisung" von Gemeinderatsneuling Andreas Turner. Der hatte in seiner nassforschen Art frühere Entscheidungen des Gemeinderats zu großen Bauprojekten als Veruntreuung von Steuergeldern bewertet. Beweise für seine gewagten Anschuldigungen blieb er schuldig, eine Entschuldigung auch. Die eigenen Kollegen waren peinlich berührt und schwiegen. "Wo war nur die Fraktionsführung des Bündnisses für Karlsfeld, wenn aus den eigenen Reihen solche diffamierenden Aussagen getätigt werden?"

Bündnis-Fraktionssprecherin Mechthild Hofner verfolgte den Vortrag mit steinerner Miene. Eine Replik vermied sie klugerweise. Die Sache hätte eskalieren können. Stattdessen spulte sie dann lieber ihre Rede ab. Darin schlug sie einen Bogen vom Weltklimagipfel und dem Jahr des internationalen Bodenschutzes zum Grünzug in Karlsfeld. "Gesundheit ist unser höchstes Gut, und um dies möglichst für uns alle hier zu erhalten, müssen wir unserer wichtigsten Lebensgrundlagen Luft, Wasser, Boden schützen", sagte sie.

Eine Attacke ritt aber auch sie, nämlich auf die Bauentwicklung in Karlsfeld, die sie als "Mauern und Klotzen" zusammenfasste.

SPD-Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll, die auch Sozialreferentin der Gemeinde ist, nutzte die Weihnachtsrede gleich als Neujahrsansprache. "Mein Wunsch für das neue Jahr ist eine Grundsatzdiskussion im Gemeinderat über bezahlbaren Wohnraum für untere und mittlere Einkommen", sagte sie. "Denn wenn sich hier nicht schnellstens etwas ändert, dann wird das Thema Wohnen in Karlsfeld zu einem sozialen Sprengstoff werden." Auch die Unterbringung der etwa 280 Flüchtlinge in der Traglufthalle in der Ohmstraße thematisierte sie. Ohne Tageslicht, "zusammengepfercht auf engstem Raum", könne dies, "wenn überhaupt, nur eine ganz kurzfristige Übergangslösung sein".

Am nächsten an der Weihnachtsrede im Sinne Thilo von Trothas war noch Anton Flügel von den Freien Wählern: "Wir sollten alle versuchen, vermeintlich unangenehme Auseinandersetzungen sportlich zu nehmen und Fouls wieder vergessen und verzeihen zu können."

Danach sang der Karlsfelder Singkreis "O du fröhliche".

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