Karlsfeld:Glück und Hingabe

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Die Serenade des Karlsfelder Sinfonieorchesters und ein publikumswirksames Programm

Von Karl Adolf Gottwald, Karlsfeld

Das besonders Schöne an den Sommerserenaden des Karlsfelder Sinfonieorchesters war, dass sie unter freiem Himmel, also open-air (um es allgemein verständlich auszudrücken), in einem stimmungsvollen Innenhof stattfanden. Nachdem dieser Innenhof - ein Schulhof - nun nicht mehr stimmungsvoll ist und kein anderer für das Konzert eines Sinfonieorchesters geeigneter Platz in Karlsfeld zu finden war, wurde die Serenade ins Bürgerhaus verlegt. Schade, denn gerade heuer war der Sommer (bis jetzt) ganz besonders zuverlässig sommerlich, und die Atmosphäre eines sommerlichen Ambiente ist nicht zu ersetzen. Aber das Karlsfelder Publikum blieb seinem Sinfonieorchester treu und füllte das Bürgerhaus ansehnlich. Das gesamte Programm war aber auch so angelegt, dass es ein breites Publikum anlocken musste.

Der erste Teil bestand aus Orchestersuiten von und nach Georges Bizet. Bizet, das ist für fast alle Musikliebhaber nur "Carmen". Auch in der Karlsfelder Sommerserenade stand "Carmen" im Mittelpunkt. Das stark verjüngt erscheinende Orchester spielte die beiden aus den populärsten Stücken dieser Oper zusammengestellten Orchestersuiten mit Glück und Hingabe. Das "Chanson du Toreador" mit dem ungemein berühmten Refrain "Auf in den Kampf, Torero" hätte eigentlich der Bariton Andreas Agler singen sollen, was aber eine Halsentzündung verhinderte. Für ihn sprang die Trompete ein, durch die das "Stolz in der Brust, siegesbewusst" sehr überzeugend zum Ausdruck kam.

Als Ouvertüre der ganzen Serenade spielte das Karlsfelder Sinfonieorchester die Ouvertüre aus der ersten "Arlesienne"-Suite, ebenfalls von Georges Bizet. Da war aber das verjüngte Orchester noch nicht ganz auf der Höhe. Nehmen wir die schöne "Arlesienne" als farbiges Ölgemälde, so konnte man bemerken, dass an einigen Stellen die pure Leinwand durchschien. Die Ouvertüre aus der Orchestersuite "Masques et Bergamasques" von Gabriel Fauré dagegen gelang vorzüglich, und man erinnerte sich gern an die Gesamtaufführung dieser Orchestersuite unter Bernhard Koch vor einigen Jahren. Auch bei der Aufführung der Orchesterfassung der Pavane op. 50 von Gabriel Fauré war das Orchester wieder ganz "Bernhard Kochs Karlsfelder Sinfonieorchester".

Siegfried Ochs war einst als der Berliner Chordirektor bekannt, der als erster Bachs Matthäus-Passion ungekürzt aufführte. Heute kennt man ihn nur noch als den humoristischen Komponisten, der das Kinderlied "'S kommt ein Vogel geflogen" im Stile älterer und neuerer Meister variierte. Es ist natürlich recht lustig, das kleine Liedchen als Bach-Fuge, als Haydn-Streichquartett, als Strauß-Walzer, als pompöse Verdi-Arie und vor allem im Stile Richard Wagners zu hören. Diese Variation hat es als die zündendste geschafft, in das Werk "Musik und Musiker in Karikatur und Satire" aufgenommen zu werden. Bernhard Koch gestaltete alle Variationen, soweit sie gelungene Musiker-Karikaturen sind, charakteristisch und anschaulich. Er redete aber vor jeder Variation, um das Publikum auf die Besonderheiten des karikierten Komponisten hinzuweisen und um ihm so das Erkennen zu erleichtern. Damit zerredete er die Variationen aber fast.

Den Walzer "Rosen aus dem Süden" von Johann Strauß dirigierte Koch darauf recht schnell, vielleicht um diese wunderschönen Rosen auch in der Hitze des Sommers frisch in das Bürgerhaus Karlsfeld zu bringen. Frisch kamen sie aus der Kühlkette Süden - Karlsfeld, kein Ansatz von Welken, aber ihren Duft und auch ihre Schönheit konnten sie nicht so recht entfalten. Als Zugabe ließ Bernhard Koch den Torero-Marsch aus "Carmen" wiederholen. Die zündende Wirkung blieb nicht aus.

Beim Hinausgehen aus dem Karlsfelder Bürgerhaus wurde der Marsch von einigen Männern (!) als "Schwiegermutter-Marsch" nachgesummt: "Auf in den Kampf, die Schwiegermutter naht." Das Programm dieser Karlsfelder Sommerserenade war halt ganz außergewöhnlich populär.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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