Kunstkreis Karlsfeld:Gesichter einer Landschaft

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Fotografie und Digitalkunst vereinen sich in den Arbeiten des Künstlers Herbert Schlittenbauer. (Foto: Jørgensen)

Monika Dillenkofer und Herbert Schlittenbauer stellen in der Werkstatt-Galeria aus.

Landschaft kann in sich gekehrte Meditation bedeuten oder kraftvoller Aufruhr. Sie kann kühl, klar und geordnet sein oder mystische Welt sagenumwobener Gestalten. Landschaft ist immer das, was man in ihr sieht und fühlt. Das ist in der Fotografie nicht anders als in der Malerei. Monika Dillenkofer und Herbert Schlittenbauer präsentieren Landschaftsporträts, die durch den Blick mit der Kamera ihre Gesichter zeigen.

Monika Dillenkofer und Herbert Schlittenbauer sind leidenschaftliche Fotografen. Sie arbeiten und leben seit vier Jahren in Reuth bei Erbendorf in der Oberpfalz zusammen. 2012 gründeten sie das Künstlerteam Josephshof. Beim Karlsfelder Kunstkreis zeigen sie jetzt ihre erste gemeinsame Einzelausstellung. Herbert Schlittenbauer ist eigentlich Maler und seit fast vier Jahrzehnten Mitglied beim Kunstkreis. 1978, ein Jahr nach der Gründung, trat er unter dem Künstlernamen Dan Frey dem Karlsfelder Kunstverein bei und stürzte ihn schon bald in einen Skandal. 1982 zeigte er in einer Gruppenausstellung surrealistische Bilder mit Akten, Brüsten und männlichen Geschlechtsteilen, über die sich Karlsfelds Bürgermeister Bruno Danzer so aufregte, dass er sie wegen "Unanständigkeit" abhängen ließ. Dem Dachauer Maler Otto Fuchs war im selben Jahr ein ähnlicher Fall von Zensur widerfahren. Oberbürgermeister Lorenz Reitmeier hatte eine Aphrodite mit einem Phallussymbol aus der Schlossausstellung entfernen lassen. Der Karlsfelder Kunstkreis war über Nacht auch in München bekannt. Die Abendzeitung titelte "Kunst oder Porno? Jetzt hat auch Karlsfeld einen Mal-Skandal."

Davon ist Herbert Schlittenbauer heute weit entfernt. Seine Landschaftsfotografien sind stimmungsvoll, kraftvoll, atmosphärisch und von der Malerei inspiriert. Seine Lebensgefährtin, Monika Dillenkofer, brachte ihn als leidenschaftliche Fotografin vor vier Jahren zur Kunst mit der Kamera. Den Künstlernamen Dan Frey hatte er angenommen, um nicht mit seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Grafikdesigner für die Elektronik- und Automobilindustrie in Konflikt zu geraten. Aus dieser Arbeit entwickelte er eine analytische Sichtweise, die er sich auch als Fotograf bewahrt hat. Die Aufnahme von der grauen, vom Sturm in Aufruhr versetzten Landschaft, in der die Wolken bis an die Horizontlinie stoßen, ist in Ebenen gestaffelt. Extreme Nahsicht und Fernsicht, flächige und grafische Bildelemente und ein hochemotionaler Ausdruck machen Herbert Schlittenbauers Bilder spannungsreich. Der sturmgepeitschte Baum am Bildrand führt den Blick des Betrachters in das Geschehen und bildet zu den grau durchsetzten, kompakten Wolkenschichten eine fragiles zeichnerisches Gegengewicht. Voller Pathos ist auch das Foto "Himmelsfeuer" von rot glühenden Wolken in einem atemberaubenden Schauspiel am Himmel. Von einer extremen Tiefenentwicklung sind kleine Tableaus mit Bildausschnitten von einem Kieselsteinufer, Spiegelungen im Wasser und Disteln, in extremer Untersicht fotografiert. Brillante Farben, kraftvoller Ausdruck und gestochene Randschärfen machen diese quadratischen Bilder zu stimmungshaften Impressionen.

Einen völlig anderen Blick auf die Landschaft wirft Monika Dillenkofer. Wo Herbert Schlittenbauer das Wesen der Landschaft in der dramatischen Gebärde sucht, forscht sie nach den ausgleichenden Kräften der Natur. Von einem erhöhten Betrachterstandpunkt aus fotografierte sie einen Steinbruch und einen dunstigen Wald: zwei melancholische Panoramen, in denen das Wesen der Natur als etwas Sanftes und Gottgegebenes erfahren wird. Dort das Pathos, hier die Ruhe. Monika Dillenkofer zeigt auch Szenen aus Paris mit einem nostalgischen Karussell, Menschen im Straßencafé, im Louvre oder als Obdachlose gebettet zwischen die Werbeflächen der Konsumgesellschaft. Monika Dillenkofer sucht andere Kontraste als Schlittenbauer. Sie stellt die Spiegelungen in Glasfronten den verwitterten Spuren einer alten Steintreppe gegenüber und den Tanz der Wassertropfen eines Dachauer Brunnens dem fast sakralen Gewölbe eines weltstädtischen Museums. Öffnungszeiten in der Kunstwerkstatt am Drosselanger 7: Samstag und Sonntag, 13./14. Juni und 20./21. Juni jeweils von 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 15.06.2015 / baes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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