Karlsfeld:Beschädigte Glaubwürdigkeit

Karlsfeld: Der Karlsfelder Bündnis-Gemeinderat Andreas Turner sieht sich massiven Vorwürfen ausgesetzt. Das Bündnis hat sich schließlich von ihm getrennt.

Der Karlsfelder Bündnis-Gemeinderat Andreas Turner sieht sich massiven Vorwürfen ausgesetzt. Das Bündnis hat sich schließlich von ihm getrennt.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Das Bündnis für Karlsfeld und die Affäre Andreas Turner

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Der Politkrimi des Jahres 2016 beginnt als Farce: Bündnis-Gemeinderat Andreas Turner sitzt auf einem gemieteten Mini-Bagger am Bahngelände an der Wehrstaudenstraße und planiert eine Kiesfläche, auf der zuvor noch dichtes Gehölz gestanden hatte. Die Anwohner sind in heller Aufruhr. Darf der das? Und was soll das für ein Projekt sein, das er angeblich in Absprache mit dem Bürgermeister vorantreibt? Turner spricht von einer Schrebergartensiedlung für Flüchtlinge, es arbeiten auch einige Leute aus der Karlsfelder Traglufthalle mit an dem angeblichen Graswurzel-Projekt. Das Landratsamt stoppt die Rodungen, im Rathaus herrscht Irritation über den selbstherrlich auftretenden Gemeinderat Turner und auch über die Bündnis-Fraktion, die in den ungenehmigten Bauarbeiten nicht das sehen will, was es nun mal ist: ein gravierender Verstoß gegen das Naturschutzgesetz.

Dem Vorwurf folgen weitere: Viele Flüchtlinge, die sich an Turners Projekt beteiligt haben, fühlen sich betrogen, weil sie angeblich viel zu wenig oder gar kein Geld für ihre Arbeit erhalten haben. Einige Flüchtlinge besitzen allerdings nicht mal eine Arbeitsgenehmigung. Für Turner eine Rechtfertigung, ihnen nichts zu bezahlen; das wäre schließlich Schwarzarbeit und illegal. Und aller Kritik zum Trotz bleibt er bei seiner Darstellung, er habe nur das Beste gewollt: für die Flüchtlinge, für die Natur, für Karlsfeld.

Allerdings kommen immer mehr Vorwürfe ans Tageslicht und immer massivere. Das Bahngrundstück, auf dem die Arbeiten stattfanden, gehört einem Immobilienverwalter aus Passau, der nicht nur ein alter Jugendfreund Turners ist, sondern von dem der im Baugewerbe tätige Gemeinderat auch den Großteil seiner Aufträge erhält und in dessen Sinne er auch im Gemeinderat Politik machen soll. Recherchen der SZ ergeben, dass der Unternehmer kurz vor der Kommunalwahl dem Bündnis eine vierstellige Wahlkampfspende zukommen ließ, was eigentlich gegen die Regeln der Wahlgruppierung verstößt.

Das Bündnis, zu dessen politischem Markenkern eigentlich Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen, Transparenz, Humanität und Umweltschutz stehen, ist durch die Affäre bis ins Mark getroffen. Doch die scharfen Angriffe auf Turner bis hin zu Forderungen, Turner aus der Fraktion zu werfen, lösen einen Solidarisierungseffekt im Bündnis aus. Viele, so scheint es, können und wollen nicht glauben, was man ihrem Fraktionsmitglied vorwirft, und erst nach langem Hin und Her ist Turner bereit, sich zu den Vorwürfen öffentlich im Gemeinderat zu erklären. Doch er bleibt bei seiner Linie: Er habe nichts Falsches getan. Turner stellt sich weiter als selbstloser Helfer dar.

Doch in der Sitzung erheben Vertreter des Helferkreises neue Vorwürfe: Es gebe Hinweise, dass Karlsfelder Flüchtlinge auch auf andere Baustellen gelockt wurden, wo sie - wie ihre Handyaufnahmen nahe legen - ohne entsprechenden Arbeitsschutz Fliesen von den Wänden schlugen. Auch hier zu einem Hungerlohn. Und dann kommt das Ungeheuerliche: Turner soll gegen einen Flüchtling, der über seine Tätigkeit mit den Behörden reden wollte, gedroht haben, ihm die Kehle durchzuschneiden. Die Polizei nimmt umgehend Ermittlungen auf, Turner denkt trotzdem nicht daran, sein Mandat niederzulegen. Das Bündnis trennt sich jedoch von Turner - offiziell geschieht es im Einvernehmen. Trotzdem: Die Glaubwürdigkeit der Gruppierung hat schweren Schaden genommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: