Karikaturist Martin Off:Meister der Überspitzung

Karikaturist Martin Off: Das vom Großvater ererbte Ohr sticht im Portrait des Musikers Joe Kieser ganz besonders hervor.

Das vom Großvater ererbte Ohr sticht im Portrait des Musikers Joe Kieser ganz besonders hervor.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Seit seiner Jugend beschäftigt sich der Grafiker Martin Off mit Porträts und Karikaturen. Seine Ausstellung in der Kleinen Altstadtgalerie nimmt neben Weltstars auch gekonnt bekannte Persönlichkeiten aus Dachau aufs Korn

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Als Joe Kieser vor seinem Rückenporträt stand, klickten die Kameras. Der Porträtierte und sein lebensgroßes Abbild, Rücken an Rücken, real und mit dem Auge des Künstlers gesehen, das hat Seltenheitswert. Zumal der Musiker Joe Kieser in Dachau tatsächlich so etwas wie eine lebende Legende ist. In der Kleinen Altstadtgalerie drängten sich Musiker, Künstler, Freunde und Geschäftspartner um die vielen kleinen Porträts von Martin Off, den Grafiker der Dachauer "Leporello Company".

Seit seiner Jugend beschäftigt er sich mit dem Porträt und der Karikatur. Als fortlaufende Reihe von Charakterköpfen ziehen sich die Porträts um die Wände. Drei Mal verewigte Martin Off den Dachauer Blues-Gitarristen, davon einmal in der markanten, großformatigen Rückenansicht. "Mir ist es peinlich", sagte Joe Kieser, womit er die Häufigkeit meinte, mit der er in der Galerie hängt. Dann sprach er über seine Ohren, die von seinem Großvater stammten. In Martin Offs Bild sind sie neben dem rechtsdrehenden Haarwirbel über dem stoppelkurz rasierten Hinterkopf das hervorstechende Merkmal. Wobei Joe Kiesers Ohren in Wirklichkeit gar nicht so groß und abstehend sind. So wie auch seine Nase nicht so spitz ist, wie sie ein anderes Profilporträt darstellt. Aber das ist das Stilmittel der Porträtkarikatur. Mit ironischer Übertreibung und Witz befördert sie die äußerlichen Charaktermerkmale einer Person zutage.

Wobei Martin Off nicht nur die Physiognomie satirisch karikiert. Bei aller künstlerischer Freiheit vergisst er das Porträtierten nicht, das heißt, er bringt in seinen Bildern neben den körperlichen Merkmalen auch das Wesen der dargestellten Person zum Ausdruck. Durch die Überspitzung verschränken sich Karikatur und Porträt. Aus diesem Grund nennt er seine Ausstellung in der Kleinen Altstadtgalerie auch "Karikaträts und Porträtüren".

Alle Porträts in einem Raum haben dasselbe Format, eine zurückhaltende, grautonige Farbigkeit und sind auf fast quadratische Blöckchen montiert, so dass sie ein wenig von der Wand wegtreten. Neben Weltstars wie Eric Clapton, Pattie Smith und Jeff Beck sind auch lokale Musikgrößen vertreten, darunter Schlagzeuger Manfred Dietze sowie Simon Männlein und Werner Rothe. Mit Männlein und Rothe nahm Martin Off an einem Eric Clapton-Projekt teil und war als Gitarrist in der Band "Mama makes Coffee" beteiligt.

Als Gestalter hat Off sich in der Musikszene einen Namen gemacht. Für das künstlerische Design von E-Gitarren wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Deshalb steht mitten im Ausstellungsraum eine schimmernde E-Gitarre mit dem Konterfei der italienischen Filmlegende Sophia Loren. Dachauer Künstler stehen ihm ebenfalls nahe und finden sich in der Reihe der Porträtierten. Heiko Klohn hängt neben John Lennon, Florian Marschall neben Nick Woodland. Auch seine Leporello-Kollegin Angela Ullrich hat Martin Off festgehalten. Er zeichnet nicht vom Foto ab, sondern extrahiert aus einer Summe von Eindrücken. Off akzentuiert die typischen Gesichtszüge . Neben den körperlichen Merkmalen bringt er die Persönlichkeit der porträtierten Person zum Ausdruck, indem er die Mittel der Malerei mit weichen Konturen und Lichtern anwendet. Fast alle porträtierten Freunde waren auf der Vernissage anwesend, so dass der Vergleich zwischen Original und Bild möglich war. Werner Rothe fand sich gut getroffen. "Es gibt Menschen, die man nicht nicht zeichnen kann", charakterisierte Sabine Donath-Dubitzky die Riege der Charakterköpfe. So wie der Philosoph Paul Watzlawick sagt: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Und so treten die kleinen, nur wenige Zentimeter großen Gesichter in Mischtechnik in einen lebhaften Dialog mit dem Betrachter, verraten bei genauem Hinsehen mehr, als sich auf den ersten Blick offenbart. Bei Amy Winehouse ist es der weggetretene Schlafzimmerblick, bei Eric Clapton die Konzentration auf das Gitarrenspiel. Nur Joe Kieser und der schreiende Aikido-Meister Marcus Roos fallen wegen ihrer Größe und der Technik in Acryl aus der Reihe. Dass Martin Off ein guter Beobachter, zeigt sich in den Zeichnungen, die in einem separaten Raum hängen. Lockere Fingerfertigkeit paart sich mit künstlerischem Blick und psychologischer Analyse. Am Sonntag, 28. Juni, findet in der Galerie (15 Uhr) ein Künstlergespräch statt, die Ausstellung geht bis 9. Juli.

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