Kabarett:Einfach mal freischwimmen

Chris Boettcher

Chris Boettcher lässt nichts aus: Auch die unterschiedlichen Denkweisen von Mann und Frau nimmt er aufs Korn.

(Foto: Niels Jørgensen)

Chris Boettcher präsentiert sein neues Programm auf der Kleinkunstbühne in Schwabhausen. Punkten kann er beim Publikum nicht nur mit seinen Parodien auf weltbekannte Politiker, sondern auch mit seiner bayerisch-frechen Art

Von Sonja Siegmund, Schwabhausen

Von Donald Trump, Angela Merkel und Wladimir Putin über Udo Lindenberg und Peter Maffay bis hin zu Franz Beckenbauer und Jogi Löw - alle sind sie dabei. So viel Prominenz hat man selten in der Kleinkunstbühne Schwabhausen. Aber ohne die herrlichen Parodien all dieser Zeitgenossen wäre ein Auftritt von Chris Boettcher weit weniger wert. Dabei müsste der vielseitige Comedian, Sänger und Kabarettist die bekannten Namen und Stimmen eigentlich gar nicht in Anspruch nehmen. Denn mit seiner bayerisch-frechen Art und der ansteckenden Lebensfreude hat er das Publikum schon zu Beginn der Show auf seiner Seite.

Das war am Samstagabend bei seinem dritten Auftritt im ausverkauften Saal der Postwirtschaft von vornherein klar. Aus dem Off kündigt der singende Kabarettist zunächst einen vierstündigen Liederzyklus über die grenzenlose Weite der kaukasischen Steppe an, entschließt sich aber dann "spontan" dazu, sein neues Programm "Freischwimmer" zu präsentieren. Und als Chris Böttcher dann wirklich die Bühne betritt, hat er bereits ein gut gelauntes Publikum vor sich. Das wird sich auch im Laufe des mehr als zweistündigen Programms nicht ändern. Der gebürtige Ingolstädter versteht es immer wieder, sein Unterhaltungsniveau zu halten und die Prominenz in (fast) allen Lebenslagen zu durchleuchten.

Da muss der Kultkomiker schon bald in politische Abgründe blicken. Auf der Schwabhauser Bühne vermisst er auch gleich das Kruzifix, das für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder fast so wichtig ist, wie für Trump sein Gewehr. Überhaupt ist der US-Präsident ziemlich oft in Boettchers Programm vertreten. In die USA müssten gar keine islamistischen Terroristen einreisen, singt Boettcher in "The American Way" mit Trump-Stimme "Uns muss keiner erschießen, das machen wir schon allein." Ob bei Trumps Worst-Case-Szenario "Toupet verlegt und Gehirn verloren", bei dessen Lieblingssong "Sex-Bomb" oder bei Boettchers bekanntem Lied "Bockfotzngsicht" mit eigener Strophe - es könnte kaum schlimmer werden. Dabei kommen Boettcher auch einige Politikgestalten aus der AfD (= Asozial, fremdenfeindlich, Dämlich) in den Sinn.

In diesem Zusammenhang fallen dem Kabarettisten aber auch Victor Orban aus Ungarn ein ("Ein Zaun, der meinen Namen trägt") oder der türkische Präsident Erdogan und dessen Wiesnhit "Gebt`s der Presse auf die Fresse." Diese Zeilen singt Boettcher, der für seinen Auftritt nicht mehr als sein Keyboard und einen Hocker hat, dann mit typischem Merkelgesicht und Merkelstimme.

Apropos Merkel: Darf man eigentlich MeToo-Witze über die Bundeskanzlerin machen, weil sie unter diesem Hashtag keinen Eintrag schreiben kann. Ja, Boettcher, der trotz seiner 54 Jahre noch immer als großer Lausbub durchgeht, darf es und kann es auch. Deshalb kann er sich auch so gut in Rockmusiker hineinversetzen und kennt deren geheimste Wünsche: Udo Lindenberg möchte unbedingt seine Unterlippe straffen lassen, Herbert Grönemeyer will endlich von seinem Publikum richtig verstanden werden und Peter Maffay möchte nicht immer den harten Rocker geben müssen. Und da wäre dann noch die behaarte Sängerin Conchita Wurst aus Österreich und deren Grünenpolitikervariante aus Bayern Anton Hofreiter.

Womit man schon bei einem weiteren Schwerpunkt des Abends gelandet ist: dem Fußball. Wenn sich der Jogi, der Olli und der Franz in der Herrentoilette des VIP-Bereichs im Stadion treffen, darf man in fremde Welten abtauchen. Dazu singt "unser Kaiser" seinen Evergreen "Gute Freunde, die kann man kaufen" und Olli Kahn seinen Dauerhit "Immer dieser gewaltige Druck".

Wie nicht anders zu erwarten, nimmt Boettcher auch die unterschiedlichen Denkweisen von Mann und Frau aufs Korn, die Shopping-Queens, Fernsehkochshows und beste Einschaltquoten für Hartz-IV-Sendungen. Die Lösung für alle Probleme: Einfach mal freischwimmen, tiefentspannt sein und die Merkelraute machen. Als Trost - nicht nur für gestresste Eltern - gibt es dann noch zum Abschied den Böttcherhit "In der Pubertät."

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