Kabarett:Der Urknall allen Ungemachs

Die Kabarettisten Alfred Dorfer und Luise Kinseher unterscheiden sich in ihrer Auseinandersetzung mit der Welt stark voneinander - doch letztlich geht es beiden um den Sinn des Lebens

Von renate Zauscher, Dachau/Schwabhausen

Wer gutes Kabarett schätzt, hatte am Donnerstag Abend die Qual der Wahl: In Dachau stand Alfred Dorfer auf der Bühne des Thoma-Hauses und in Schwabhausen Luise Kinseher in dem seit Langem ausverkauften Saal der "Post".

Dorfer und Kinseher: Zwei großen Namen aus der Kabarettwelt, und zwei ihrer Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier der schmale, bewegliche Mann mit dem schnellen, sarkastischen Witz und dem ironischen Charme des Wieners, dort die Frau mit dem üppigen Busen und dem schönen Niederbayrisch, die man auch dann noch als "Mamma Bavaria" wahrnimmt, wenn sie in ganz andere Rollen schlüpft.

Kinseher und Dorfer: Sie liegen Welten auseinander, Körperwelten ebenso wie Denk- und Sprachwelten, zumindest auf den ersten Blick. Kinsehers Thema ist die hektische Gegenwart, auf die sie, getrieben und bedrängt von Hoffnungen wie Hoffnungslosigkeiten, aus der Perspektive dreier sehr unterschiedlicher Frauen schaut. Da ist einmal ihr eigenes Alter Ego, die Frau, die auf den richtigen Mann wartet - den aus dem Lift von vorhin oder vielleicht doch auf einen aus dem Publikum? Die schnell noch Klopapier kaufen und telefonieren muss, nebenher den Klimawandel aufhalten und sich auf den baldigen Weltuntergang vorbereiten will. "Ruhe bewahren", wie Kinseher ihr neues Programm nennt, geht angesichts einer solchen To-do-Liste eigentlich gar nicht, vor allem nicht in einer Welt, die von offensichtlich bekifften oder aber am Ritalin-Tropf hängenden, unfähigen Politikern beherrscht wird. Da redet sie sich in Rage, die Mamma Bavaria, und sagt sehr direkt, was ihrer Meinung nach Sache ist. Ebenso direkt ist sie als gealterte "Helga", deren Mann nach 60 Ehejahren jetzt endlich nicht mehr widerspricht: Er ist abgetaucht in die gnädige, weil demente Erinnerungslosigkeit. Bleibt noch die alkoholumnebelte "Mary of Bavary", die ihrem Publikum das Universum und seine Mysterien leicht schwankend zu erklären sucht.

Kabarett: Luise Kinseher im Saal der Schwabhausener "Post".

Luise Kinseher im Saal der Schwabhausener "Post".

(Foto: Toni Heigl)

Alfred Dorfer geht die Fragen des Lebens deutlich anders an als Kinseher: geschliffener, schneller, agiler und bei aller Selbstironie auch eitler und mit sehr bewusstem Blick auf das, was ankommt im Publikum. Das fängt an beim stilbewussten Outfit, graue Hose mit magenta-farbigem Shirt (ohne Rollkragen, wegen dem Geburtstrauma), und wird deutlich auch in Dorfers ausladender, leicht aufgesetzt wirkender Gestik und Mimik. Ein breites Feld für satirischen Witz bieten natürlich auch die sprachlichen wie soziokulturellen Unterschiede zwischen Wien und München oder Düsseldorf an: Dorfer lotet sie mit sichtlichem Vergnügen und viel Gespür für sprachliche Feinheiten aus.

Und doch gibt es erstaunliche Parallelen zwischen den beiden so unterschiedlichen Bühnenmenschen. Wie Kinseher so schöpft auch Dorfer für sein Programm ausgiebig aus der eigenen Erfahrung und der persönlichen Biografie. Der Bub aus dem Wiener Sozialbau nämlich hat eine erstaunliche Karriere hingelegt: Hat Schulzeit und Pubertät unbeschadet überstanden, hat studiert, eine ambitionierte Doktorarbeit geschrieben und frühe Kabaretterfahrungen gesammelt, ist mit Josef Hader auf der Bühne und vor der Kamera gestanden - und lässt dies und vieles mehr einfließen in sein Programm "bis jetzt - solo", mit dem er seit rund fünf Jahren unterwegs ist. Und wie Kinseher will er nichts Geringeres als den Sinn des Lebens ergründen: Er als Philosoph, der tief gehende Gedanken in scharfen, subversiven Witz und den ein oder anderen Kalauer verpackt - Kinseher mit ihrer Figur der "Mary", die sich noch im Suff Gedanken über den Urknall macht, oder in eigenem Namen, wenn sie über Gott und die Welt, die Männer oder die Prophezeiungen diverser Untergangs-Propheten philosophiert.

Kabarett: Alfred Dorfer auf der Bühne des Thoma-Hauses in Dachau.

Alfred Dorfer auf der Bühne des Thoma-Hauses in Dachau.

(Foto: Toni Heigl)

Das Publikum, ob in Dachau oder Schwabhausen, war begeistert von beiden: Im Thoma-Haus sorgte Dorfers Pointen-Feuerwerk immer wieder für Gelächter, und in der Schwabhausener Post wurde Kinsehers wunderbares Interagieren mit ihrem Publikum mit lang anhaltendem Applaus gefeiert.

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