Jubiläumskonzert:Steife Krägen, schmelzende Herzen

Jubiläumskonzert: Die Röhrmonists unter Leitung von Thomas Boger.

Die Röhrmonists unter Leitung von Thomas Boger.

(Foto: Toni Heigl)

Die "Röhrmonists" feiern im Barocksaal des Klosters Indersdorf 15-jähriges Bestehen

Von Dorothea Friedrich, Markt Indersdorf

Mit mindestens ebenso viel Begeisterung wie einst Louis Armstrong spielen zwei Trompeter das unverwüstliche "When the Saints go marching in". "Carmen" lässt die Röcke fliegen, "Donna Clara" tanzt auf den Bänken. Ihr schöner Freund, der "Bel ami", schwingt die Hüften so enthusiastisch, dass der selige Elvis vor Neid erblassen würde. "Lollipop" singen sowieso alle mit - und das "ehrenwerte Haus" kocht - "aber bitte mit Sahne". Wobei Letzteres nicht wörtlich zu nehmen ist. Denn wir befinden uns nicht im Festzelt des Indersdorfer Volksfestes, sondern im gediegenen Barocksaal des ehemaligen Klosters der Marktgemeinde. Dort feiern die "Röhrmonists" am Samstagabend vor und mit ihrem begeisterten Publikum das 15-jährige Bestehen ihres Chors.

Wobei "Chor" mindestens eine Etage zu tief gegriffen ist. Denn unter den Sängerinnen und Sängern, sind etliche Multitalente, wie beispielsweise die Trompeter Ulrich Schaupp und Gerhard Pabst oder die Moderatoren Angelika Brunner und Udo Hallmann. Nicht zu vergessen das ensembleeigene Männersextett, das mit Witz und komödiantischem Charme seinen großen Vorbildern, den "Comedian Harmonists", mit deren Evergreens die Ehre erweist. Die Songs der bis zum Auftrittsverbot durch die Nazis erfolgreichsten deutschen A-cappella-Formation waren denn auch vor 15 Jahren der Auslöser für die Gründung der Röhrmonists, wie Angelika Brunner erzählt. Der Röhrmooser Kirchenchor habe seinerzeit Verstärkung für genau diese Schlager gesucht. "Wir waren reinrassige Laien, die kaum geradeaus singen konnten", erinnert sich Angelika Brunner, die von Anfang an mit dabei war. Doch Dirigent Thomas Boger habe sie "mit Leichtigkeit, Witz und Charme" zu dem gemacht, was sie heute seien: ein Chor "mit üppigem Repertoire".

Und so singen und swingen sich auf der Bühne des ehemaligen Winter-Refektoriums der Augustiner-Chorherren etwa dreißig Sängerinnen und Sänger heute mit genau den Eigenschaften, die sie ihrem Dirigenten zuschreiben, durch ein im besten Sinne bunt gemischtes Programm. "Die drei von der Tankstelle" - ein Erfolgsfilm von 1930, der nach der Machtergreifung der Nazis verboten wurde - erlebt mit "Liebling, mein Herz lässt dich grüßen" und "Ein Freund, ein guter Freund" ein lustiges Revival. Mit "Lass mich dein Badewasser schlürfen" und "Ich brech' die Herzen der stolzesten Frauen" rockt das Männersextett schon bei seinem ersten Auftritt das ehrwürdige barocke Gemäuer ganz ordentlich.

Spätestens von diesem Zeitpunkt an ist der ständige Begleiter des modernen Menschen im Dauereinsatz: Jeder Ton, jede Bewegung der Röhrmonists wird zigfach per Smartphone dokumentiert. Schließlich gibt es nicht irgendwo auf der Welt ein kleines Stückchen Glück, wie es die Comedian Harmonists noch 1932 hofften, sondern spätestens nach dem Konzert im heimischen Wohnzimmer bei der Analyse des turbulenten Bühnengeschehens. Das hat Chorleiter Thomas Boger jederzeit fest im Blick und - bildlich gesprochen - im Griff, auch wenn er selbst als sechster Mann im Sextett singt. Kein Wunder also, dass die Röhrmonists schon jetzt ihren Chef schmerzlich vermissen. "Er geht aus beruflichen Gründen aus Röhrmoos weg. Könnten Sie nicht schreiben, dass wir dringend einen Nachfolger suchen? Sonst bricht doch der Chor auseinander", sagt eine Sängerin in der Pause. Was hiermit geschrieben ist.

Doch noch ist der Chor in Hochform. Was er - nun nicht mehr offiziell mit weißem Hemd und Fliege respektive weißer Bluse - sondern locker-flockig im T-Shirt mit einem fast abendfüllenden Udo-Jürgens-Medley und weiteren Ohrwürmern stimmkräftig unter Beweis stellt. Ebenso gut bei Stimme zeigen sich die Sängerinnen und Gitarristinnen Angelika Gorny und Solveig Busse.

Mit Johnny Cash's "Ring of Fire" und "Over the Rainbow" erobern sie ihr Publikum im Sturm und bringen selbst jene Herzen zum Schmelzen die von "Lili Marleen" noch nicht gerührt sind. Das im Dritten Reich ebenfalls verbotene "Symbol für Heimweh, Trennung und Sehnsucht vor allem für Hoffnung auf Wiedersehen", wie dessen Komponist Norbert Schultze in seiner Autobiografie geschrieben hat, ist an diesem ansonsten von Esprit und guter Laune geprägten Abend ein Moment des Innehaltens.

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