International bekannt:Das Wunder von Montreux

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Volle Konzentration beim großen Auftritt in Montreux. (Foto: Renate Schiegl)

Die Bigband Dachau begeistert das internationale Publikum

Von Gregor Schiegl, Dachau

Probieren kann man's ja mal, das sagen sich auch die Leute, die einen Lottoschein ausfüllen, aber wer rechnet denn ernsthaft mit dem großen Los? Auch die 30 Musiker der Bigband Dachau, dem funkelnden Jazz-Ableger der Knabenkapelle Dachau, sind völlig perplex, als sie Post aus Montreux bekommen. Ihre spontane Bewerbung für einen Auftritt beim bedeutendsten Jazz-Festival Europas, dort, wo Größen wie Herbie Hancock auftreten, ist angenommen. Montreux, das ist die Chance ihres Lebens, eine "once in a life chance", wie Band-Leader Tom Jahn sagt. Noch im Tourbus auf dem Weg in die Schweiz formuliert er als Ziel: "Die Leute sollen sich an uns als die geilste Bigband der Welt erinnern." An ein funkelndes Wunder in extraterrestrisch anmutenden Glitzerklamotten, das Jazz wie einst als Tanzmusik spielt, aber eben nicht mit einem gemütlich swingenden Zweitaktermotor, sondern mit einem Raketenantrieb, der von einem hochenergetischen Mix aus stampfenden Techno-Beats, Hip-Hop-Synkopen, und auch mal mit einem irrwitzigen Beethoven-Additiv angetrieben wird. Das Publikum ist, das kann man ohne Übertreibung sagen, begeistert von dem Dachauer Ensemble.

Ein Paar aus den USA wird später dem Bandbus durch die halbe Schweiz bis zur nächsten Raststätte hinterherfahren, um den Musikern zu sagen, wie fantastisch sie waren. Das ist nicht nur musikalisch ein Riesenerfolg. Als "Bigband Dachau" sind die zumeist sehr jungen Musiker auch Botschafter ihrer Stadt, Gesicht des modernen Deutschlands mit besonderer historischer Verantwortung. Das ist der Band bewusst, und diesen Auftrag erfüllt sie auch. "Die Jugend trägt die Liebe in die Welt", sagt Jahn ohne Angst vor Pathos.

Natürlich steckt hinter dem Wunder von Montreux neben einem Funken Genialität auch viel Arbeit. "Die Mitglieder sind ja alle keine Profimusiker", sagt Tom Jahn. Sie proben, wenn sie Zeit haben. Aber für Montreux haben sie alles andere hintangestellt. "Das hat uns noch einmal richtig Schub gegeben." Der Sound ist noch satter, der Groove noch mitreißender. "Die Band hat sich gefunden", sagt Jahn. Und beim frenetisch umjubelten Konzert im Münchner Club "Milla" am Donnerstag merkte man, dass nun auch das Fein-Tuning stimmt.

Die seit Montreux geplante Tournee mit der australischen Girls-Band Sweethearts wird wohl noch eine Weile warten müssen, aber andere Auslandsauftritte sind nicht unwahrscheinlich. Der Dachauer Sound hat auch Jazz-Fans in der Ferne hellhörig gemacht.

© SZ vom 30.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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