Integrationsgesetz:Mehr fördern statt fordern

Wenn Flüchtlinge in Deutschland bleiben wollen, müssen sie Sprachkurse besuchen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. So steht es im Entwurf des Integrationsgesetzes. Helfer kritisieren die Sanktionen

Von Anna-Sophia Lang

Es heißt "Integrationsgesetz", doch was drin steht, hat in den Augen von Flüchtlingshelfern aus dem Landkreis nur wenig mit dem Titel zu tun. Bei einer Tagung in Meseberg hat sich das Bundeskabinett Ende Mai auf einen Entwurf für ein Gesetz geeinigt, das die Integration von Flüchtlingen in Deutschland regeln soll. Gruppen mit positiver Bleibeperspektive sollen leichter an Arbeitsmöglichkeiten und Ausbildungsförderung gelangen. Andererseits verknüpft das geplante Gesetz das dauerhafte Bleiberecht mit der Integrationsbereitschaft. Die zeige sich "insbesondere am Beherrschen der deutschen Sprache bei gleichzeitiger weit überwiegender Lebensunterhaltssicherung", heißt es in dem Entwurf. Wer nicht an Integrationskursen teilnimmt, muss mit Sanktionen rechnen.

"Zu Integration gehört viel mehr", sagt Waltraud Wolfsmüller vom Arbeitskreis Asyl Dachau, "sie ist keine Einbahnstraße." Peter Barth vom Helferkreis Hebertshausen wertet den Entwurf als "Botschaft, die man an den rechten Rand schicken will". Die Helfer stören sich vor allem an den geplanten Sanktionen. Das Paradoxe: Es wird mit Strafen gedroht, obwohl es nicht genug Integrationskurse gibt. Bisher dürfen nur anerkannte Flüchtlinge sowie Asylsuchende aus Syrien, Irak, Iran und Eritrea teilnehmen. "Das ist absurd", sagt Barth, der immer wieder versucht, seine Schützlinge in Kursen in München unterzubringen. Wolfsmüller und Detlef Wiese vom Helferkreis Haimhausen berichten von ähnlichen Verhältnissen. Dass jemand die Teilnahme an einem Sprach- und Integrationskurs grundsätzlich verweigert, hat noch keiner von ihnen erlebt. "Jeder bittet und bettelt, dass er in die Schule gehen darf", berichtet Barth, "in drei Jahren habe ich keinen gehabt, der sagt, er wolle nicht."

Wie er hält auch Wolfsmüller Sanktionen für falsch. Die Integrationsbereitschaft sei bei allen da, bei Schwierigkeiten müsse man Gespräche führen. Pünktlichkeit, stundenlange Konzentration in der Schule oder anschließende Hausaufgaben, sagen die Helfer, seien manche Flüchtlinge schlicht nicht gewohnt. Wiese findet es in Ordnung, wenn nach vergeblichen Überzeugungsversuchen Konsequenzen gezogen werden. Mit Verweigerung habe es aber in den meisten Fällen nichts zu tun, wenn Flüchtlinge nicht zu Kursen erscheinen. Viele hätten mit Traumata, Depressionen oder anderen Krankheiten zu kämpfen und seien deshalb nicht in der Lage, die Anforderungen konsequent zu erfüllen.

Auch Matthias Buschhaus, der die Integrationskurse an der Volkshochschule (VHS) Dachau koordiniert, spricht sich dafür aus, Sanktionen nur "im absoluten Ausnahmefall" anzuwenden. 20 Kurse mit durchschnittlich 18 Teilnehmern laufen zur Zeit an der VHS, im Sommer sollen drei weitere dazu kommen. Parallel dazu gibt es Alphabetisierungs- und Erstorientierungskurse. Mutwillige Verweigerungen habe es nicht gegeben, sagt Buschhaus. Wer ausgestiegen sei, sei weggezogen oder habe eine zusätzliche Betreuung gebraucht. Steige jemand aus, sagt Buschhaus, müsse man Gespräche führen, um den Grund zu ermitteln. "Jemanden zu sanktionieren, der ein Trauma hat, geht gar nicht."

Der Gesetzesentwurf sieht außerdem vor, dass die Bundesländer nicht mehr nur Asylsuchenden, sondern auch anerkannten Flüchtlingen einen Wohnsitz zuweisen können, wenn dort die Chancen auf einen Arbeitsplatz und eine Wohnung besser sind. Die Regel geht auf die Initiative von Kommunen zurück, die Gettobildung in Ballungsräumen befürchten. Ob sich die Wohnsitzzuweisung auf die Flüchtlinge im Landkreis auswirken wird, können weder die Helfer noch Landrat Stefan Löwl (CSU) einschätzen. Sie sei "grundsätzlich sehr, sehr wichtig", sagt Löwl, denn je weniger Flüchtlinge auf einmal an einem Ort lebten, desto einfacher sei die Integration. Er plädiert dafür, dass Flüchtlingen ein neuer Wohnsitz auch innerhalb eines Landkreises zugeteilt werden kann. Einen Mangel an Arbeitsplätzen, der zu einer staatlich verordneten Wohnsitzverlagerung führen könnte, erkennen weder Landrat noch Helfer. Die aber kritisieren die geplante Regelung scharf. Meist seien Umzüge von Flüchtlingen aus dem Landkreis nicht von der Jobsuche motiviert, sondern von dem Wunsch, zu Verwandten zu ziehen.

Positiv bewerten die Helfer, dass die Ausbildungsförderung ausgeweitet werden soll und Asylsuchende mit Ausbildungsplatz für die Dauer der Ausbildung und anschließend zwei Jahre bleiben dürfen. Außerdem soll die Vorrangprüfung wegfallen. Detlef Wiese glaubt allerdings nicht, dass diese Änderung große Auswirkungen haben wird. "Meistens klappt es auch so mit den Jobs." Nach wie vor als mangelhaft bewerten die Helfer das Angebot bei der Sprachförderung und anderen Angeboten. Sie fordern, dass nicht nur Asylsuchende mit positiver Bleibeperspektive Unterstützung bekommen, sondern alle Gruppen. "Man kann nicht fordern, wenn man nicht genug fördert", sagt Waltraud Wolfsmüller. Unter eben jener Überschrift steht der Gesetzesentwurf. Darin stimmt Landrat Löwl mit ihr überein. Sanktionen für Flüchtlinge, die nicht zum Integrationskurs erscheinen, befürwortet er dennoch. "Ich erwarte nicht, dass jeder sofort besteht. Aber irgendwann muss es jeder schaffen."

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