Integration von Flüchtlingen:Ein Platz für jeden Zehnten

Der Freistaat bietet im Landkreis Dachau zwei Deutschkurse für Asylbewerber an. Das Ministerium ist stolz auf dieses Engagement. Lehrer, Behörden und Helfer beklagen den Mangel an Plätzen

Von Benjamin Emonts, Dachau

Die Bürgermeister aus dem Landkreis Dachau bekommen demnächst Post von Martin Neumeyer. Der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung (CSU) will die Kommunen schriftlich darüber aufklären, dass der Freistaat Bayern etwas für die sprachliche Integration der hier lebenden Asylbewerber tut. Der Indersdorfer Bürgermeister Franz Obesser (CSU) hatte auf dem Neujahrsempfang der Gemeinde Mitte Januar eine grundlegende Kritik an der Flüchtlingspolitik von Bund und Freistaat geübt: Die Gemeinde, in der 35 Asylbewerber leben, fühlte sich bei der sprachlichen Integration der Flüchtlinge vom Freistaat im Stich gelassen. Nun will der Indersdorfer Gemeinderat sogar beschließen den örtlichen Asylhelferkreis mit einer fünfstelligen Summe zu unterstützen, um das Angebot der Sprachkurse auf ein solides Fundament zu stellen.

Die staatliche Unterstützung, auf die Neumeyer hinweisen will, betrifft unter anderem das Modellprojekt "Deutschkurse zur sprachlichen Erstorientierung für Asylbewerber". Kurz gesagt soll das Projekt Flüchtlingen den Einstieg in den hiesigen Sozial- und Lebensraum erleichtern und eine möglichst reibungslose Integration ermöglichen. Durchgeführt werden die Sprachkurse von den beruflichen Fortbildungszentren der bayerischen Wirtschaft (bfz); finanziert vom bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration. Aktuell können von mehr als 500 im Landkreis lebenden Asylbewerbern 50 an den Kursen teilnehmen. Berechtigt dazu sind ausschließlich Flüchtlinge, die ein laufendes Asylverfahren haben und lesen und schreiben können.

Integration von Flüchtlingen: Das Erlernen der deutschen Sprache ist für die Flüchtlinge der Schlüssel zu einer reibungslosen Integration.

Das Erlernen der deutschen Sprache ist für die Flüchtlinge der Schlüssel zu einer reibungslosen Integration.

(Foto: Niels P.Jørgensen)

Das Aufklärungsschreiben von Neumeyer scheint nötig zu sein, denn viele Kommunen wussten zunächst nichts von dem Angebot, das seit 2013 besteht. Das bestätigt Jürgen Moser, der Leiter der bfz-Außenstelle in Dachau. "Am Anfang war eine gewisse Unkenntnis da." Inzwischen aber sind die zwei in Dachau angebotenen Kurse, an denen auch Asylbewerber aus dezentralen Unterkünften teilnehmen können, voll. Moser bedauert: "Wir müssen mittlerweile Interessenten auch abweisen."

Wolfgang Reichelt, Pressesprecher des Dachauer Landratsamts, erklärt: "Wir sind nach wie vor auf die Vielzahl der Sprachkurse, die die Ehrenamtlichen anbieten, angewiesen." Zudem sei es ein Problem, dass die Asylbewerber aus den dezentralen Unterkünften relativ weit fahren müssten, um zu den Kursen zu kommen.

Als der Indersdorfer Gemeinderat Georg Weigl, der den örtlichen Asylhelferkreis leitet, vor einem Jahr von dem Angebot erfuhr, hat er zweimal Asylbewerber zu den Kursen angemeldet, einen Platz aber bekam keiner. "Ich habe mich ziemlich geärgert", erinnert sich Weigl. "Aber grundsätzlich finde ich das Angebot sinnvoll. 50 Plätze sind schon mal was."

Integration von Flüchtlingen: Lili Schlumberger-Dogu gibt Flüchtlingen Deutschunterricht.

Lili Schlumberger-Dogu gibt Flüchtlingen Deutschunterricht.

(Foto: Toni Heigl)

Lili Schlumberger-Dogu, die einen der zwei Kurse in Dachau leitet, sagt: "Es ist gut, dass es die Kurse gibt. Aber es gibt auch Probleme." Positiv sei, dass die Flüchtlinge hoch motiviert und lernbereit seien. Ebenso zufriedenstellend sei der Umfang der Kurse, die insgesamt 300 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten umfassen. Die Asylbewerber werden an vier Tagen pro Woche unterrichtet.

Das Hauptproblem sieht Schlumberger-Dogu darin, dass es zu wenige Plätze gibt. Außerdem stellt sie die Praxistauglichkeit des theoretischen Konzepts infrage: "Man merkt ein bisschen, dass das Konzept am grünen Tisch entworfen wurde." Die Deutschkurse zur sprachlichen Erstorientierung für Asylbewerber sind thematisch in verschiedene Module aufgeteilt: gesundheitliche Versorgung, Einkaufen, Orientierung am Ort, Wohnen, Kindergarten und Schule, Beruf, Alltag in Deutschland, Sitten und Gebräuche und lokale Besonderheiten. Der Dozent wählt schließlich sechs der Module aus. Über das Modul "Alltag in Deutschland", in dem es mitunter um Behördengänge und das Ausfüllen von Formularen geht, sagt sie: "Bürokratie - das macht man nicht mit Anfängern in Deutsch." Bei Behördengängen seien die Flüchtlinge ohnehin auf die Unterstützung der Ehrenamtlichen aus den Asylhelferkreisen angewiesen. Das kann Asylhelfer Georg Weigl bestätigen.

Der Integrationsbeauftragte Neumeyer verweist auf den "Paradigmenwechsel", der innerhalb der CSU stattgefunden habe. Die Partei sei in ihrer Flüchtlingspolitik längst von der Haltung, Flüchtlinge schnell wieder loswerden zu wollen, abgerückt. In einem Schreiben des Sozial- und Integrationsministeriums ist das ambitionierte Ziel formuliert: "Die Staatsregierung beabsichtigt, bayernweit Sprachkurse für Asylbewerber anzubieten und den bestehenden Bedarf vollständig abzudecken." Im Jahr 2014 habe der Freistaat die finanziellen Mittel hierfür auf drei Millionen Euro verdoppelt im Vergleich zum Vorjahr. Trotzdem erklärt Neumeyer: "Ohne das Ehrenamt kann die Integration nicht funktionieren." Der Freistaat schießt deshalb zu ehrenamtlich geführten Deutschkursen auf Antrag bis zu 500 Euro für Sachaufwandskosten zu. Georg Weigl sagt: "Das funktioniert einigermaßen unkompliziert."

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