Integrationstag:Karola im Glück

Die 29-jährige Frau hat das Down-Syndrom. Auf dem Integrationstag in Dachau vor einem Jahr wird ihr pädagogisches Talent entdeckt. Jetzt arbeitet sie mit einer festen Stelle im Kindergarten

Von Andreas Förster, Dachau

Karola Hanslmaiers wache blauen Augen ruhen auf dem Tisch mit den Memory-Karten. Konzentriert deckt sie Kärtchen für Kärtchen auf. Mal liegt sie richtig, ein paar Mal daneben. Als die vierjährige Alina am Ende ein Pärchen mehr auf dem Stapel hat, lacht Karola fröhlich. Der 29-Jährigen ist es egal, wer gewinnt. Sie ist glücklich. Seit September macht sie das, was ihr gefällt: im Kindergarten arbeiten. Selbstverständlich ist das nicht. Denn Karola wurde mit dem Down-Syndrom geboren, einer Chromosomen-Anomalie, die auch Trisomie 21 genannt wird. Noch vor einem Jahr war Karola in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) des Franziskuswerks Schönbrunn beschäftigt. Dann kam der Integrationstag 2015. Bei ihrem Schnupperpraktikum im Kindergarten spürte Karola, dass neben der Hauswirtschaft noch ganz andere Talente in ihr schlummern. Auch die Mitarbeiter des Dachauer Integrationskindergartens erkannten Karolas Potenzial.

"Offene, zugewandte Art"

"Sie ging sofort auf die Kinder zu", erinnert sich Sozialpädagogin Katrin Bettray, "las und malte mit ihnen, ging mit aufs Klettergerüst und war überhaupt nicht schüchtern." So sei man auf die Idee gekommen, Karola ein achtwöchiges Praktikum zu ermöglichen. Dank der Regionalförderung der VR-Bank Dachau konnte Karola über einen sogenannten Ausgelagerten Arbeitsplatz länger beschäftigt werden. Die Bank übernahm die Gehaltskosten des Außenarbeitsplatzes bis Ende Mai. "Sonst wär's nicht gegangen", sagt Kindergartenleiter Jochen Bormann, einer von vier Männern, die in der Elterninitiative als Erzieher und Kinderpfleger beschäftigt sind. Und weil man Karola nun auch bis zum Ende des Kindergartenjahres halten will, wird derzeit bei den Eltern gesammelt. "Es sieht gut aus", sagt Sozialpädagogin Bettray. Die Summe werde man zusammenbekommen.

Integrationskindergarten

Karola Hanslmaier macht, was ihr gefällt: im Kindergarten arbeiten. Die Mädchen Maria (links) und Polly (rechts) finden das prima.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

"Dass Karola auch kinderpflegerische Aufgaben übernehmen darf, liegt an ihrer offenen, zugewandten Art", erläutert Katrin Bettray. Eigentlich sei sie als Haushaltskraft beschäftigt. "Karola braucht in erster Linie einfache Tätigkeiten, die sich täglich wiederholen: die Wäsche machen, den Geschirrspüler ausräumen, solche Dinge", sagt Julia Marose, Integrationsassistentin im Bereich Arbeit und Förderung im Franziskuswerk Schönbrunn. "Damit unterstützt sie die Fachkräfte, die sich dadurch auf ihre pädagogischen Aufgaben konzentrieren können." Die 32-jährige Marose begleitet und unterstützt Karola Hanslmaier während ihrer Zeit im Kindergarten.

78 Schnupperplätze in 40 Unternehmen

Darüber hinaus sucht Marose mit zwei Kollegen weitere Unternehmen und Betriebe, die bereit sind, Menschen aus der Behindertenwerkstatt Schönbrunn eine Chance bei sich zu geben. Aktuell gebe es 20 dieser "Ausgelagerten Arbeitsplätze", so Marose. Neben Kinderkrippen seien das etwa Pflegeeinrichtungen, Großküchen, Supermärkte, Handwerksbetriebe. "Meistens geht es zunächst nur um einen mehrwöchigen Praktikumsplatz", sagt sie. Dieser sei für das Unternehmen noch nicht mit Kosten verbunden. Erst, wenn im Anschluss an das Praktikum von beiden Seiten Interesse an einer Weiterbeschäftigung über die Möglichkeit eines "Ausgelagerten Arbeitsplatzes" bestehe, müsse das Unternehmen den Lohn bezahlen. Für die Sozialabgaben komme dabei zunächst das Franziskuswerk auf, betont Marose. Sollte sich eine sozialversicherungspflichtige Festanstellung ergeben, übernehme der Integrationsfachdienst München-Freising die weitere Begleitung und berufliche Sicherung. Der Beschäftigte verliere dann den Werkstattstatus über die Werkstatt für Menschen mit Behinderung.

Integrationstag im Landkreis

"Und was trauen Sie uns zu?" - diese Frage stellen 79 Beschäftigte der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) am Mittwoch, 4. Mai, insgesamt 40 Unternehmen im Landkreis Dachau. An diesem Tag veranstaltet das Franziskuswerk Schönbrunn zum zweiten Mal in Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Landkreis Dachau einen Integrationstag, dieses Mal am Tag vor dem europäischen Protesttag für die Rechte von Menschen mit Behinderung. Neben der Dachauer Stadtverwaltung und dem Landratsamt haben sich zahlreiche Firmen, Gemeindeverwaltungen und Kindertagesstätten angemeldet. Ein besonderes Highlight wird Barbara Schattenkirchner erleben, wenn sie den Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath zur Auftaktveranstaltung "Auf in den Schulwald" begleitet. Die Veranstaltung beginnt um 11.30 Uhr am Karlsfelder Wasserwerk. sz

Der Integrationstag an diesem Mittwoch, 4. Mai, habe dabei eine ganz wichtige Funktion, sagt Marose: "Hier lernen sich Unternehmen und Behinderte zum ersten Mal kennen. Und wie man am Beispiel des Integrationskindergartens sieht, kann daraus ganz viel entstehen." Beim ersten Integrationstag im vergangenen Jahr gab es 60 Schnupperplätze. Dieses Jahr sind es 78 Plätze, die von rund 40 Unternehmen und Arbeitgebern aus dem Landkreis Dachau zur Verfügung gestellt werden. Unter www.integrationstag.de kann man sich schon fürs nächste Jahr anmelden.

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