Integration:Das Erdinger Modell

Adia ist ein Integrationsprogramm für das Smartphone, offen für alle

Von Thomas Daller, Erding

Mit Smartphones, Laptops und Wlan sollen Flüchtlinge selbständig die lateinische Schrift und die deutsche Sprache lernen können. In 14 Gemeinden des Landkreises soll noch im Januar ein solches Projekt starten, das Flüchtlingen übers Internet sowohl Zugang zu Sprachkursen als auch Infos zum Leben und Arbeiten in Deutschland ermöglichen soll. Bis Ende März sollen dann alle Gemeinden und Helferkreise im Landkreis dabei sein. Das Projekt wird "Adia" genannt, die Buchstaben stehen für Asyl, demografischer Wandel, Integration und Arbeit. Nach Angaben der Initiatorin Anna Maria Blau startet das Integrationsmodell zwar von Erding aus, es sei jedoch überregional konzipiert, so dass man es bundesweit nutzen könne.

Bislang gab es aus Haftungsgründen Vorbehalte gegen Wlan in Asylunterkünften, weil der Inhaber des Anschlusses nach deutschem Recht für Missbrauch wie Urheberrechtsverstöße durch illegale Downloads von Filmen oder Musik haftet. Dieses Problem hat die Initiative "Freifunk" nun gelöst, indem die speziellen Freifunkrouter den Internetverkehr in die Niederlande oder nach Schweden umleiten, wo es ein anderes, sehr liberales Internetrecht gibt. Somit können nun auch die Flüchtlinge im Landkreis Erding mit ihren Familien zu Hause kommunizieren. Künftig sollen sie auch online lernen, während sie noch auf einen Platz in einem Sprachkurs bei der Volkshochschule warten müssen. Dies wäre ein Gewinn für sie und ihre Integration.

Anna Maria Blau, die beruflich und ehrenamtlich als Beraterin für Unternehmens- und Organisationsentwicklung tätig ist, hat sich bei Adia an das Tölzer Modell der Online-Sprachkurse angelehnt. Die Tölzer Mathematikerin Waltraud Haase hat kostenlose lizenzfreie Trainingsprogramme unter anderem beim Verlag des Goethe-Instituts und der Deutschen Welle gesammelt. Blau hat diese Programme, die es auch als Apps für Smartphones gibt, um Links zu den Themen Leben und Arbeiten in Deutschland ergänzt. Hinzu kommen Leitfäden zu Überbrückungshilfen, Fördermittel oder bürokratischer Hürden. Alles zusammen wurde auf der Homepage www.adia-erding.de miteinander verknüpft und systematisch aufgebaut.

Neben den Smartphones, über die die meisten Flüchtlinge verfügen, werden auch Laptops benötigt, die Blau und ihr sechsköpfiges Team bei Firmen gesammelt haben. Um sie lizenzfrei nutzen zu können, werden vom Adia-Team Betriebssysteme wie Linux oder Ubuntu darauf installiert. An diesen Laptops wurden bereits "Sprach-Multiplikatoren" geschult, die aus den Helferkreisen kommen. Das Konzept sieht vor, dass Flüchtlinge künftig diese Rolle übernehmen. Diese Laptops sollen jedoch nicht an einzelne Flüchtlinge ausgegeben, sondern an öffentlich zugänglichen Orten aufgestellt werden. Blau denkt dabei an Büchereien, Schulen, Integrationszentren oder das Camp Shelterschleife am Fliegerhorst. Blau geht davon aus, dass Adia für viele Flüchtlinge hilfreich sein wird: "Wenn Flüchtlinge die Möglichkeit haben, über das Internet Deutsch zu lernen oder Bildungsplattformen zu nutzen, funktioniert die Integration besser und schneller."

Gerade in den ersten Wochen, teils auch Monaten, seien die Neuankömmlinge zum Nichtstun verdonnert, denn anfangs dürften sie noch nicht arbeiten. "Diese Zeit sollte man nicht sinnlos verstreichen lassen." Hinzu komme, dass aktuell etwa 70 Prozent aller Flüchtlinge keinen Zugang mehr zu institutionellen Sprachkursen hätten, da ihre Bleiberechts-Chancen als gering eingestuft würden. So gelte Afghanistan mittlerweile als "sicheres Herkunftsland". Blau findet das Sprachenlernen trotzdem wichtig: "Selbst wenn Flüchtlinge einmal in ihre Heimat zurückgehen sollten, schaffen wir damit in deren Land ein positives wohlwollendes Umfeld, demokratisieren indirekt und haben es im besten Fall in Zukunft mit deutsch sprechenden Wirtschaftspartnern zu tun", sagt die Entwicklerin.

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