Initiative des Landwirtschaftsministeriums:Mit dem Herzen lernen

Seit fünf Jahren gibt es in Bayern das Angebot vor allem an Grundschulen, einmal einen Bauernhof zu besuchen. Beim naturnahen Unterricht auf dem Sedlmairhof in Puchschlagen ist Landwirtschaftsminister Brunner dabei

Von Christiane Bracht, Schwabhausen

Wie kommen eigentlich die Löcher in den Käse? "Das machen die Mäuse", ruft ein Bub schnell. "Nein, das sind doch die Bakterien", weiß Clara. "Die haben reingepupst", lacht ein anderes Mädchen. "Sagt meine Mama immer." Die Puchschlagener Bäuerin, Anni Sedlmair, lacht. Na ja, ganz so ist's nicht, erklärt sie den Viertklässlern. "Die Milchsäurebakterien atmen Kohlenstoffdioxid aus, so wie wir auch. Und der drückt den Käse zur Seite." Heute lernen die Ganztagsschüler aus Schwabhausen mal nicht im Klassenzimmer. Zusammen mit ihrer Lehrerin haben sie einen Ausflug auf den Sedlmairhof gemacht. Und da gibt's jede Menge zu erleben: Kühe streicheln, Kälber füttern, das Arztzimmer anschauen, und im großen Melkraum zeigt die Bäuerin ihnen wie die Maschinen an die Euter angelegt wird und wie man Milch gewinnt. Später lernen die Kinder, wie man aus der Milch Käse macht. Ja, sie dürfen sogar eine kleine Kostprobe mit nach Hause nehmen.

Und was die Erwachsenen sicher mehr beeindruckt: Der Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Helmut Brunner kommt später auch noch zu Besuch. Er will die landesweiten Projektwochen eröffnen für "Erlebnis Bauernhof". Die Aktion liegt ihm am Herzen, deshalb will er sie fördern. Grundschüler in ganz Bayern sollen mindestens einen Tag auf einem Bauernhof verbringen, damit sie das Leben dort "realistisch kennen lernen und die Verarbeitungswege nachvollziehen können". Sie sollen Wissen vermittelt bekommen und ganz praktisch "aus Korn Brot machen, aus Milch Butter und das Futter für die Kühe zusammenstellen, damit das Gelernte nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen hängen bleibt", sagt er an diesem Nachmittag.

Erlebnisbauernhof

Einblicke in das Stallleben: Familie Sedlmair in Puchschlagen hat 300 Milchkühe. Die Klasse 4a von der Grundschule Schwabhausen durfte die Tiere jetzt besuchen, sehen wie sie in ihrem "Wohnzimmer" leben oder auch im "Schlafzimmer".

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Projekt Erlebnis Bauernhof ist nicht neu. Seit 2012 wird es angeboten. Bayernweit haben bereit mehr als 7000 Schulklassen daran teilgenommen. Insgesamt sind das etwa 140 000 Schüler. Die Statistik des Staatsministeriums zeigt, dass es immer mehr werden, die sich dafür interessieren. Im Schuljahr 2013/14 haben etwa 2200 Kinder einen Bauernhof besucht, vergangenes Jahr waren es bereits knapp 3900.

Staatsminister Brunner erhofft sich, dass die Kinder die Eltern vielleicht "positiv beeinflussen". Denn bei ihrem Besuch in einem landwirtschaftlichen Betrieb, wie dem Sedlmairhof in Puchschlagen, sollen sie lernen regionale Produkte wert zu schätzen. Außerdem geht es natürlich darum, "mehr Achtung und Respekt vor dem zu haben, was unsere Bauern mit viel Aufwand produzieren und die Lebensmittel nicht leichtfertig in den Müll zu werfen".

In den nächsten acht Wochen können Lehrer ihre dritten oder vierten Klassen einen Tag lang auf den Bauernhof führen. In ganz Bayern sind etwa 550 Betriebe auf diese Besuche vorbereitet, im Landkreis Dachau machen 13 bei dem Projekt Erlebnis Bauernhof mit. Die einen sind mehr auf Brot backen spezialisiert, wie der Stroblhof in Markt Indersdorf, andere wie der Schwarzhof in Bergkirchen haben eine Ochsenzucht und erklären den Kindern, was man aus Getreide und Zucker macht. Der Biohof Hefele in Ainhofen zeigt den Kindern sogar, wie man Nudeln selbst herstellt, außerdem gibt es dort eine Bullenzucht und Hennen. Bei Sedlmairs indes stehen vor allem Kühe im Stall. 300 Rindviecher hat der neu gebaute Aussiedlerhof zu bieten, zudem kümmert sich die Familie um 200 Jungtiere. "Es ist ein überdurchschnittlich großer Betrieb. Davon gibt es nur sehr wenige in Bayern. Man kann sie an zwei Händen abzählen", sagt Brunner.

Erlebnisbauernhof

Bäuerin Anni Sedlmair (rechts) zeigt den Buben und ihrer Lehrerin, wie Lab aussieht. Man braucht es zum Käsemachen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Anni Sedlmair hat sichtlich Spaß daran, die Kinder über den Hof zu führen. Seit zehn Jahren macht sie das schon. In Dachau und Karlsfeld betreut sie neun Klassen der vierten Jahrgangsstufe, denen sie zeigt, wie Butter, Käse und Joghurt gemacht wird. Dafür geht sie sogar jeweils acht Stunden in die Schulen. "Es ist mir wichtig, dass die Zukunftsverbraucher erfahren, wie es auf dem Bauernhof zugeht und dass ein großer Hof mit vielen Tieren trotzdem ein Wohlfühlbetrieb sein kann", sagt sie. Außerdem sollen die Kinder sehen wo die Lebensmittel produziert werden und wie sie in den Supermarkt kommen. Denn gerade beim Fleisch, ist es längst nicht jedem Zehnjährigen klar, was das mit einem Rind zu tun hat. "Wieso schlachten? Fleisch gibt's doch im Supermarkt", hört sie öfter mal von Kindern.

Manchmal bekommt sie auch Besuch von Kindern, die ihre Oma oder Eltern auf den Hof schleppen, um ihnen die Kühe oder die Melkmaschine zu zeigen. "Das ist schön", freut sie sich. Eine tolle Bestätigung ihrer Arbeit. "Viertklässler sind in einem schönen Alter, die wollen viel wissen, stellen Fragen und das Gelernte bleibt ihnen in Erinnerung", sagt Sedlmair.

Und was hat die Kinder am meisten beeindruckt? "Wir haben die Kälber gefüttert mit einem Eimer Wasser, der einen Zitzen dran hatte", erzählt Clara mit strahlenden Augen. "Sie haben ganz gierig darauf Herumgebissen. Und wir haben den Kälbern Namen gegeben: Sie heißen jetzt Brownie und Fleck." Leni hat vor allem die große Melkmaschine fasziniert. "20 bis 30 Liter Milch können da rein", sagt sie. "Die Maschine hat sogar eine Art Spülmaschine", staunt ein anderes Mädchen.

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