Im Ruhestand:Die Gelassenheit des Altlandrats

Altlandrat Hansjörg Christmann

Altlandrat Hansjörg Christmann, CSU-Kreisvorsitzender Bernhard Seidenath und die Geburtstagstorte.

(Foto: oh)

Hansjörg Christmann hat seinen 70. Geburtstag gefeiert. Den Ruhestand seit drei Jahren empfindet er als Zustand eines "objektivierbaren" Sehens der Politik

Von Wolfgang Eitler, Dachau

In der stoischen Bedeutungsvariante ist der Zustand der Gelassenheit dann gegeben, wenn man die "Unbewegtheit der Seele gegenüber der Welt" erreicht hat. Wenn man also die Dinge hinnimmt und sich nicht mehr aufregt. Diese Form der inneren Ruhe hat der Jubilar Hansjörg Christmann garantiert niemals angestrebt. Auch nicht im Ruhestand der vergangenen drei Jahre. Dann hätte er seine eigene, mehr als 37 Jahre andauernde politische Karriere als Kommunalpolitiker und Landrat ad absurdum geführt. Trotzdem prägt das Wort "Gelassenheit" seinen Rückblick und seine Sichtwiese als Pensionär. Am Wochenende hat Hansjörg Christmann den 70. Geburtstag auch im Kreise seiner Partei, der CSU, gefeiert.

2014 zog er sich aus dem Amt des Landrats zurück. Aber er ist noch im Verwaltungsrat der Sparkasse aktiv und in den Aufsichtsräten der Grundverkehrsgesellschaft des Geldinstituts sowie der landkreiseigenen Wohnbaugesellschaft. Damit befasst er sich mit zwei aktuellen Grundproblemen des Landkreises: der Entwicklung der Immobilienwirtschaft und der Zukunft des sozialen, man kann treffender sagen, des für Normalverdiener erschwinglichen Wohnungsbaus.

In diesen Problembereichen ist Gelassenheit sicher gefragt, aber man braucht schon eine gewisse Emotionalität, eine Art innerer Beteiligung, die den Zustand der partiellen Verärgerung einschließt. Aus dem Abstand von drei Jahren hat sich Christmann eine dezente Ironie angewöhnt. Wo er früher, sozusagen in Amt und Würden, seine Ungeduld deutlich spüren ließ, formuliert er jetzt dezent, aber nicht minder deutlich. So bedauert er, dass ihm die Umfahrung Dachaus im Osten der Stadt nicht mehr gelungen ist. Früher, sagt er, habe er deren Dringlichkeit nicht ausreichend erkannt, "weil mich der Chauffeur (Anm. d. Red.: im Dienstwagen) durch Bayern gefahren hat". Er lacht. "Jetzt aber als Ruheständler bekomme ich mit, was für ein Verkehr tagsüber in Dachau herrscht."

Nun könnte sich gerade Christmann über den Helios-Konzern ärgern, weil das Unternehmen seine Idee einer Zusammenarbeit von Kommunen und privater Wirtschaft bei den Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf komplett torpediert. Und man würde schon gerne wissen, wie er sich im Aufsichtsrat verhalten würde, wenn ihm von Helios mitgeteilt würde, dass ihn die Frage der Qualität der Pflege nichts angehe. Jetzt sagt der ehemalige Landrat zurückhaltend, aber nicht minder deutlich und mit einer gewissen Freude an der eigenen Formulierung: "Ich sehe am Klinikum Dachau eine gewisse Fehlentwicklung durch die neuen Eigner." Die haben vor vier Jahren die Mehrheit der Anteile an der Aktiengesellschaft erworben. Sein Vorschlag lautet: "Wir brauchen eine soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards und nicht die Betrachtungsweise der Gewinnmaximierung."

Die Spitze gegen Helios sitzt, der Verweis auf den Ideengeber der Wirtschaftspolitik gerade von CSU und CDU verdeutlicht die Kritik. Aber Christmann fordert nichts - in aller Gelassenheit. Sein Synonym dafür ist: "objektiviert". Also entspannt, mit der Distanz, im Alltagsgeschäft nicht ständig dem Zwang ausgesetzt zu sein, sich durchsetzen zu müssen. Dadurch entsteht anscheinend ein aus seiner Sicht klarer Blick.

Mit dem betrachtet er die Tätigkeit seines Nachfolgers Stefan Löwl, wobei sicherlich die Parteifreundschaft im Lob mitspielt. Er attestiert ihm "eine hervorragende Arbeit". Ganz besonders in der Asylpolitik. Dass er es Anfang der Neunzigerjahre ungleich schwerer gehabt haben könnte, nimmt Christmann eher beiläufig zur Kenntnis. Tatsächlich war beispielsweise in Markt Indersdorf der Protest gegen ein Asylbewerberheim so massiv, dass sich gleich die internationale Presse dafür interessierte. Heutzutage unvorstellbar. Was soll die Vergangenheit? Wichtiger ist ihm, dass in Karlsfeld Asylunterkünfte in Holzbauweise entstanden sind, die richtige Wohnungen sind.

Jetzt wirkt Christmann tatsächlich ziemlich gelassen. Den Eindruck untermalt er mit dem Hinweis eines großen Abstands zum kommunalen Alltagsgeschäft: "Ich mische mich nicht mehr ein." Das Bekenntnis erstaunt, weil es zu dem Politiker, der alle vier Jahre eine neue Schule baute, irgendwie nicht passt. Aber vielleicht braucht man im Ruhestand eine Art Mantra, um wirklich gelassener zu werden. Dabei dürfte ihm sicherlich seine Reiselust helfen, wie kürzlich in den Iran. Aber mehr noch, die große Freude darüber dass er Großvater geworden ist. Maximilian heißt der erste Enkel der Christmanns. Und der Luitpold von der zweiten Tochter ist bereits unterwegs.

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