Im Kino:Wie man einen Drachen zaubert

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Im neuen Kinofilm "Die Hexe Lilli rettet Weihnachten" ist auch ihr tollpatschiger Gehilfe Hektor wieder mit von der Partie. Die Figur basiert auf einem Konzept des Dachauer Illustrators Thomas von Kummant. Ein Blick hinter die Kulissen der Trickfilmbranche

Von Gregor Schiegl

Die Zunge hängt ihm aus dem Maul, das dralle Bäuchlein hebt und senkt sich, friedlich schnarcht der kleine Drache auf dem Zauberbuch, das er für die Hexe Lilli bewachen soll. Doch dann wird er von dem Mädchen unsanft unter dem Bett hervorgezerrt. Seit dieser Woche läuft "Hexe Lilli rettet Weihnachten" im Kino, und natürlich darf auch im dritten Teil Lillis kleiner Gehilfe nicht fehlen. Gäbe es den Dachauer Illustrator und Comiczeichner Thomas von Kummant nicht, würde Hektor vermutlich ganz anders aussehen. Seine Konzeptstudien waren stilbildend für den tollpatschigen Drachen, den die "Hexe-Lilli"-Fans schon seit dem Start der Filmreihe 2009 kennen und innig lieben.

"Das macht Hölle Spaß"

An der Wand seines Arbeitszimmers in Dachau Süd hängt ein Panel, auf dem Hektor sich durch die gesamte Gefühlswelt grimassieren darf: charmant blinzelnd, gierig mampfend, mit panisch aufgerissenen Augen oder schrecklich wild. "Expression Sheets" nennen sich diese Ausdrucksstudien. "So eine Figur zu erschaffen, "das macht Hölle Spaß", sagt Thomas von Kummant und lacht. "Ich konnte total rumspinnen. Am Anfang ist ja alles offen."

Die Produzenten Michael Coldewey (Trixter Film) und Corinna Mehner (blue eyes) fanden die Entwürfe des Dachauer Künstlers unheimlich lustig. Andere im Film-Team reagierten eher befremdet. Ein Drache mit so langem Schweif - wie soll der denn überhaupt laufen? Und wie sieht das denn aus? "Ich habe versucht, Hektor mehr Charakter zu geben", erklärt Thomas von Kummant. "Der Charakter entsteht ja erst durch Fehler." Durch eine Zahnlücke zum Beispiel. Oder durch verschieden große Ohren. Der Ur-Hektor ist außerdem "ein bisserl zu dick", der Schwanz zu lang, und mit seinen Stummelflügeln kann er nicht mal richtig fliegen. "Aber das ergibt ja auch wieder Potenzial für die Geschichte", sagt der Zeichner.

Der kleine Drache aus dem Film "Hexe Lilli rettet Weihnachten". (Foto: Universum Film / blue eyes)

Von der Konzeptstudie bis zur fertigen Figur ist es ein weiter Weg. Erst mal muss die 3D-Version des Drachen im Trickfilmstudio auf ihre Tauglichkeit getestet werden: Wie bewegt sie sich? Wie sieht das aus, von vorne, von hinten, von oben, aus allen Perspektiven? Hektor läuft sozusagen erst mal auf einem virtuellen Laufband, bevor man ihn losschickt ins turbulente Abenteuer. An einen neuen Drachen müssen sich die Zuschauer im dritten Teil nicht gewöhnen, nur an eine neue Hexe. Lilli wird im dritten Teil erstmals von Hedda Erlebach gespielt.

"Jede Geschichte ist etwas ganz Neues"

Beim Dreh sehen die Darsteller Hektor nicht, nur eine Puppe, damit sie ein Gegenüber zum Spielen haben, der Drache wird erst nachträglich ins Bild geschnitten. Das ist gar nicht so einfach. "Es muss alles passen", sagt Thomas von Kummant. "Die Perspektive, das Licht, die Farben." Nur so funktioniert die Illusion; sonst wird die Figur zum Fremdkörper. "Jede Geschichte ist etwas ganz Neues", sagt der 45-Jährige. "Auch die Hexe Lilli hat ihren eigenen Ton, und den muss man treffen."

Als kreativer Kopf ist der Dachauer inzwischen international gefragt. Derzeit arbeitet er für Pixar. Das US-Studio Laika, das mit "Coraline" neue Maßstäbe im Animationsfilm setzte, wollte ihn mit Kind und Kegel aus Dachau nach Portland, Oregon, holen. Nur wollte Thomas von Kummant das nicht. Als Comic-Zeichner hat er genug zu tun. Er gehört zu den ganz wenigen Menschen in Deutschland, die davon leben können. Seine Reihe "Gung Ho", die er zusammen mit Benjamin von Eckartsberg macht - übrigens in dezidiert filmischer Machart - verkaufen sich sehr gut; in Frankreich wurde es zur besten Comic-Serie gekürt, und das will was heißen: In Frankreich sind Publikum und Kritik äußerst anspruchsvoll.

Am Ende hat sich die Schinderei gelohnt

In den Schoß gefallen ist von Kummant der Erfolg nicht. "Ich bin durch tiefe Täler gegangen", sagt er heute. Die Phase, als er bis zum Umfallen zeichnete, nennt er selbst eine "Zeit der Selbstausbeutung". Doch am Ende hat sich die Schinderei gelohnt. "Dieser Comic ist wie eine weltweite Bewerbungsmappe. Alle beim Film künstlerisch Tätigen sehen sofort: Das ist was Eigenes." Sein Comic arbeitet ohne Linien, die Bilder setzten sich aus Farbflächen zusammen, das ist ungewohnt und ein krasser Bruch der Konventionen des Genres, erzeugt aber einen Sog, dem man sich als Leser nicht mehr entziehen kann.

Ein bisschen verrückt darf's schon sein: Der erste Konzeptentwurf von Thomas von Kummant - und Hektor, wie er im Film zu sehen ist. (Foto: universum film/blue eyes)

Der Dachauer zeichnet alles am Computer, das geht schneller von der Hand. Außerdem reden beim Film so viele Leute mit, dass am Ende sowieso immer etwas anderes herauskommt. Das ist beim Drachen Hektor auch nicht anders. Im Film ist Hektor grüner, runder, glatter, irgendwie stromlinienförmiger. "Wenn man mich fragen würde, würde ich Hektor viel frecher und extremer machen", sagt der Zeichner: "schlaffer und viel träger." Aber ein schuppiger Schluffi kann der Film-Hektor schon deshalb nicht sein, weil ihn der flippige Comedian Michael Mittermeier spricht, und als Profi weiß Thomas von Kummant auch, dass ein deutsches Filmstudio es mit der Kühnheit der Charaktere auch nicht übertreiben darf. Die Rechte an dem kleinen Drachen hat das Filmstudio. "Ich bin nur ein kleines Rädchen im Getriebe", sagt Thomas von Kummant bescheiden. "Im neuen Film habe ich ja auch gar nicht so viel gemacht."

Im zweiten Teil "Reise nach Mandolan" war Thomas von Kummant als Art Director für den Vorspann zuständig, er gestaltete die Hintergründe, und wer das Intro gesehen hat, versteht, warum die Branche so wild darauf ist, Thomy von Kummant zu engagieren. Der animierte Vorspann ist zauberhaft gezeichnet und zeigt nicht nur den prallen Ideenreichtum dieses Ausnahmetalents, sondern auch seine Kunstfertigkeit, mit Licht und Farbe magische Stimmungen zu erzeugen.

Thomas von Kummant bei der Arbeit. (Foto: Niels P. Joergensen)

Eine Empfehlung für große und kleine Kinder.

"Hexe Lilli rettet Weihnachten", 99 Minuten, ohne Altersbeschränkung, ist derzeit auch im Cinema Dachau, Fraunhoferstraße 5, zu sehen.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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