Hommage an Billie Holiday:Das Soul-Girl

Hommage an Billie Holiday: Sona MacDonald zeichnet das Leben der Billie Holiday nach und lässt die Zuschauer erleben, wie faszinierend es gewesen sein muss, die Blues-Legende auf den Bühnen kleiner Jazz-Clubs und großer Konzertsäle zu erleben.

Sona MacDonald zeichnet das Leben der Billie Holiday nach und lässt die Zuschauer erleben, wie faszinierend es gewesen sein muss, die Blues-Legende auf den Bühnen kleiner Jazz-Clubs und großer Konzertsäle zu erleben.

(Foto: Toni Heigl)

Sona MacDonalds schlüpft in die Rolle der US-Sängerin Billie Holiday und zeigt mit "Blue Moon" Ruhm und Tragödie einer Jazz-Legende. Das Publikum im Karlsfelder Bürgerhaus bekommt eine gelungenes und berührendes Musical zu sehen

Von Walter Gierlich, Karlsfeld

Ein Keulenschlag gleich zu Beginn des Abends mit dem Musical "Blue Moon" über das Leben der Jazz-Sängerin Billie Holiday (1915 - 1959). Für viele Besucher im Karlsfelder Bürgerhaus wohl auch ein Schock, der sofort deutlich macht, dass an dem Abend keine leichte Muse, sondern schwere Kost zu erwarten ist. "Sind Nigger im Saal?", ruft Nikolaus Okonkwo von der Bühne. Er steht vor dem noch geschlossenen Vorhang, und gibt weitere rassistische Sprüche von sich, solche wie sie Billie Holiday schon als Kind in Baltimore erdulden musste. Doch dann öffnet sich der Vorhang, ein Jazzquartett und eine Frau im strahlenden Glitzerkleid stehen auf der Bühne und Okonkwo, der nicht nur den Erzähler, sondern alle möglichen Männer im Leben der Blues-Legende darstellt, erzählt, wie faszinierend es gewesen sei, Billie Holiday auf den Bühnen kleiner Jazz-Clubs und großer Konzertsäle zu erleben.

Und dann singt Sona MacDonald den Klassiker "Body and Soul" von John W. Green. Wer unter den Besuchern vorab befürchtet haben mag, von Coverversionen auf Schlagerniveau enttäuscht zu werden, der wird sofort eines Besseren belehrt. Denn schließt man die Augen, meint man die etwas raue Stimme der "Lady Day", wie die Sängerin auch genannt wurde, mit ihrem rauchigen Timbre zu hören. MacDonald, gebürtige Wienerin, wurde für diese Rolle im vergangenen Jahr mit einem der wichtigsten österreichischen Theaterpreise, dem "Nestroy", ausgezeichnet. Großartig auch die Begleiter - Christian Frank (Klavier), Herbert Berger (Saxofon und Klarinette), Andy Mayerl (Bass) und Schlagzeuger Klaus Pérez-Salado. Nie drängen sie sich musikalisch in den Vordergrund, unterstreichen nur die Melancholie der meisten Songs und lassen der Stimme Sona MacDonalds ausreichend Raum, diese Emotionen wie einst Holiday aufs Publikum zu übertragen.

Die Autoren Torsten Fischer und Herbert Schäfer haben die "Hommage an Billie Holiday", so der Untertitel, glücklicherweise nicht als rührseliges Musical voller Kitsch und Tränen angelegt, was bei der traurigen Lebensgeschichte der schwarzen Sängerin ja durchaus möglich gewesen wäre. Viel eher ähnelt ihr Bühnenstück, das im November 2015 am Theater in der Josefstadt in Wien uraufgeführt worden ist, einem Konzert mit 20 Songs und jeweils eher kurzen Zwischentexten zu einzelnen Episoden in der tragischen Biografie der Sängerin.

1915 wird Billie Holiday als Tochter einer unverheirateten 19-Jährigen und eines gar erst 16-jährigen Vaters geboren. Sie wächst bei verschiedenen Familienangehörigen in Baltimore auf, macht schon als Sechsjährige demütigende Erfahrungen mit Rassismus und wird mit neun von einem Jugendgericht wegen Schulschwänzens verurteilt. Mit elf Jahren wird sie von einem Nachbarn vergewaltigt. 1929, also mit erst 14 Jahren, zieht sie zu ihrer Mutter nach New York, wo beide als Prostituierte arbeiten. Sie wird erwischt und ins Gefängnis gesteckt. Nach der Entlassung beginnt sie unter dem Künstlernamen Billie Holiday in Harlemer Clubs zu singen. 1933 nimmt sie mit Benny Goodman die erste Platte auf. Doch auch ihre wachsende Berühmtheit verhindert nicht, dass sie weiter unter schlimmstem Rassismus zu leiden hat, sie muss in Hotels einen getrennten Eingang und den Lastenaufzug benutzen, darf nicht auf Toiletten für Weiße gehen. Dazu kommen wechselnde sexuelle Beziehungen mit Männern, ohne Liebe, aber oft mit Gewalt. Sie verfällt angesichts solch erniedrigender Erlebnisse trotz des zunehmenden - auch kommerziellen - Erfolgs dem Alkohol und harten Drogen.

Sona MacDonald spielt diese Suchtkrankheit mit einer unglaublichen Intensität, stellt die zunehmende Gebrechlichkeit der Jazz-Ikone äußerst realistisch dar. Und singt dann immer wieder die großen Songs von Billie Holiday. Deren Eigenkomposition "God bless the child" rührt die Zuhörer ungemein an, bei Gershwins "Summertime" meint man die darin besungenen Baumwollfelder direkt vor sich zu sehen. Und dann unmittelbar vor der Pause das Lied, das sie weltberühmt gemacht hat und das später zu einer Hymne der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurde: "Strange Fruit" über die Lynchmorde der Rassisten im Süden der USA. Nach der Pause dann Songs wie "Don't explain", "Lover Man", "As time goes by" und musikalisch herausragend "You don't know what love is", in dem Stimme und Saxofon einen Dialog führen und man nicht entscheiden will, ob MacDonald oder Herbert Berger tiefer bewegen. Erst am Schluss, nachdem der Vorhang bereits einmal gefallen ist, der Titelsong "Blue Moon".

Es gab Beifall nach jedem Lied, und sogar recht viel am Ende, aber der Funke dieser gelungenen Aufführung mit der großartigen Musik schien auf einen Großteil des Publikums nicht überzuspringen. Das mag daran gelegen haben, dass in der Abo-Reihe der Gemeinde sonst eher Operetten wie "Die "Csárdásfürstin", komische Opern wie "Die lustigen Weiber von Windsor" oder Musicals wie "Merci, Udo" über den Schlagersänger Jürgens zu sehen sind, Rassismus und Blues aber dort keinen Platz haben.

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