Holzschnitte im Wasserturm:Einfach, eindrucksvoll

„Holz- und Linolschnitte von Dachauer Künstlern aus den letzten 100 Jahren“ im Dachauer Wasserturm

Auf Walther Klemms Druck ist der Baum kaum mehr als ein Schatten. Dafür hebt sich der Luchs mit seiner feinen Zeichnung umso klarer hervor.

(Foto: oh)

Günther Urban zeigt im Dachauer Wasserturm Holz- und Linolschnitte von Dachauer Künstlern aus den vergangenen 100 Jahren

Von Gregor Schiegl, Dachau

Das Wort "holzschnittartig" hat keinen besonders guten Ruf. Meist wird der Holzschnitt assoziiert mit einer groben Vereinfachung, der jegliche Zwischentöne fremd sind, eine schlichte Weltsicht in schwarz-weiß. Das ist ein höchst ungerechtes Urteil, das schleunigst revidiert gehört, und die Ausstellung "Holzschnitte im Wandel der Zeit: Holz- und Linolschnitte von Dachauer Künstlern aus den letzten 100 Jahren" im Dachauer Wasserturm kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Gemeinsam mit Beppo Lochner hat der Günther Urban etwa 140 Drucke von mehr als 20 Künstlern aus verschiedenen Epochen zusammengestellt, von Paula Wimmer über Carl Theodor Thiemann und August Kallert bis hin zu Klaus Eberlein, Wolfgang Huss und Christian Maria Huber. Teilweise können neben den Druckwerken auch die entsprechenden Druckplatten besichtigt werden. "Diese Zusammenstellung ist einzigartig", sagt Urban.

Als Technik ist der Holzschnitt uralt - Holz, Farbe, Papier, mehr braucht es dafür nicht - aber aus diesen wenigen Zutaten lässt sich einiges machen. "Ich bin von den Ergebnissen selbst immer wieder begeistert", sagt Günther Urban, der, wen wundert's, als Künstler auch mit diversen Drucktechniken arbeitet. Seine Kenntnisse gibt er bei Projekten an Schulkinder der Grundschulen Dachau Ost und Bergkirchen weiter. "Sie haben oft handwerkliche Anlagen, die im Unterricht leider oft nicht so zur Geltung kommen." Und das ist es auch, was den Reiz ausmacht: Die Technik ist im Prinzip kinderleicht, die Ausdrucksformen aber unglaublich vielfältig.

Diese Vielfalt will Günther Urban in seiner Ausstellung darstellen, insbesondere den Wandel, den der Holzschnitt binnen eines Jahrhunderts bei den Dachauer Künstlern durchgemacht hat. Es ist eine Geschichte der Ausdifferenzierung und Verfeinerung der Formen, eine Geschichte der Abstraktion, aber auch des bewussten Rückgriffs auf die expressive Kraft, die in der Reduktion liegt. Ein zurückhaltend kolorierter Schnitt von Carl Olof Peterson zeigt einen Hahnenkampf voller Dynamik, Ästhetik, aber auch roher Brutalität: Zwei Tiere wie zwei Wellen aus Tinte prallen aufeinander, schwarze Federn fliegen, selbst der Boden erscheint wie ein aufgepeitschtes Meer mit schwappenden Gräsern. Die Darstellung der Hähne wirkt noch bäuerlich-archaisch, aber der Kampf greift auf Mittel zurück, die man auch in Comics findet, inklusive zackiger Umrandungen, die die Bewegung zeigen. Fehlt nur noch ein lautmalerisches "Kraaack-Wusch-Zisch!"

Ganz anders präsentiert sich der Holzschnitt bei Carl Thiemann, einem Mitbegründer der Künstlervereinigung Dachau (KVD). Wie viele westliche Künstler war auch er tief beeindruckt von der lithografischen Kunst Japans. Sie inspirierte ihn bei der Übersetzung besonderer Lichtstimmungen in grafische Flächen, meist unter Zuhilfenahme von Pastellfarben. Aber auch in Schwarz-Weiß entfalten die Drucke eine starke Wirkung. Von Walther Klemm gibt es eine Darstellung eines Luchs auf einem Ast zu sehen. Der Baum ist kaum mehr als ein Schatten, dafür hebt sich das Tier mit seiner feinen Zeichnung umso edler hervor. Diesem Realismus setzt Herbert F. Plahl eine Kuh in expressionistisch-naivem Stil entgegen, bei der Berglandschaft und Kuhleib auf wundersame Weise eins werden.

Günther Urban sammelt bereits seit den Siebzigerjahren Drucke. Er kauft sie bei Auktionen, in Antiquitätengeschäften und auf Ebay und er hofft nun, dass seine Begeisterung auf die Besucher überspringt, um das mal ganz holschnittartig zu formulieren.

Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag, 8. September, um 19.30 Uhr im Dachauer Wasserturm. Geöffnet ist sie bis einschließlich Sonntag, 17. September, jeweils am Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr und in der Langen Nacht am Freitag, 15. September, von 18 bis 24 Uhr geöffnet.

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