Hoftheater Bergkirchen:Jedermann muss sterben

Eine szenische Lesung des Hoftheaters über das Unausweichliche lässt den Zuhörern den Atem stocken

Von Renate Zauscher, Bergkirchen

Der Tod ist so allgegenwärtig wie unausweichlich: Er kommt, wann er will und holt sich, wen er will: den Jungen wie den Alten, den Armen wie den Reichen. Das Wissen um die Unausweichlichkeit des Todes gehört und gehörte zu allen Zeiten zu den existenziellen Erfahrungen der Menschen. So zieht sich auch das Thema des "Jedermann", des Reichen, der trotz seines Reichtums sterben muss, von der Spätantike bis in unsere Zeit durch die Literatur und die darstellende Kunst.

Passend zum Zeitpunkt der Salzburger Festspiele, deren Aufführung des "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal fester Bestandteil des Programms ist, hat sich jetzt auch Herbert Müller vom Hoftheater Bergkirchen mit dem Jedermann-Thema befasst und in das Begleitprogramm für den Theatersommer eingebunden. Er hat Texte aus fünf Jahrhunderten zu einer szenischen Lesung verbunden, die im Rahmen des Musikalischen Theatersommers in der Bergkirchener Pfarrkirche stattfand. Den musikalischen Part des Abends übernahm Robert Scheingraber: Auf der Orgel spielte er Ausschnitte aus seiner Komposition "Totentanz - Danse macabre" und Improvisationen über Orgelwerke aus dem 20. Jahrhundert.

Hoftheater Bergkirchen: Tobias Zeitz ist Teil der szenischen Lesung des "Jedermann" in der Pfarrkirche Sankt Baptist in Bergkirchen.

Tobias Zeitz ist Teil der szenischen Lesung des "Jedermann" in der Pfarrkirche Sankt Baptist in Bergkirchen.

(Foto: Toni Heigl)

Das Jedermann-Motiv hat eine lange Tradition. Es erscheint erstmals in einem spätgriechischen Roman aus dem Jahr 630, der um 1230 unter dem Titel "Barlaam und Josaphat" ins Mittelhochdeutsche übertragen wurde. Nach der großen Pestepidemie in Europa im 14. Jahrhundert griffen Literatur wie darstellende Kunst in den "Totentänzen" das Motiv vom Tod auf, der ohne Rücksicht auf Alter oder Stand die Menschen hinwegrafft. Im Zeitalter der Reformation spielen die Frage der "richtigen" Religion und die Auseinandersetzung darum, wie der sündige Mensch vor der ewigen Verdammnis gerettet werden könne, in das Thema hinein.

Hans Sachs hat 1549 "Die Komödie vom Sterben des reichen Mannes" verfasst, Thomas Naogeorgus 1591 sein Stück "Mercator - Der Kaufmann oder das Gericht". Der "Brandner Kaspar" im Roman von Franz von Kobell und der späteren Theaterfassung von Kurt Wilhelm versucht, dem Tod auf bajuwarisch-listige Weise ein Schnippchen zu schlagen, während Erich Fried 1984 die Mutter des Jedermann auftreten lässt und Felix Mitterer wenig später den Jedermann zum Manager macht, der sich einen Therapeuten suchen soll.

Hoftheater Bergkirchen: Ansgar Wilk bei der Lesung in der Pfarrkirche Sankt Baptist.

Ansgar Wilk bei der Lesung in der Pfarrkirche Sankt Baptist.

(Foto: Toni Heigl)

Auszüge aus diesen und anderen Auseinandersetzungen mit der Unausweichlichkeit des Todes hat Müller zu einer überzeugenden Collage zusammengeführt. In der Kirche Sankt Baptist hat er den perfekten Auftrittsort gefunden: Die Mitwirkenden konnten an verschiedenen Stellen im Kirchenraum und auf zwei Emporen platziert werden. Die Dialoge des Jedermann und seiner Mit- und Gegenspieler wurden so zum intensiven, nach allen Seiten hin geführten Gespräch, in dem die Angst des Menschen vor dem Tod auf immer beklemmendere Weise spürbar wird.

Ansgar Wilk hatte in diesem Dialog die Rolle des Jedermann übernommen, Herbert Müller selbst die des Tods und des personifizierten "Mammons". Beide überzeugten mit großer Eindringlichkeit und starker Stimme. Lisa Wittemer war als "Jedermanns Mutter" zu hören und als einer der "Vettern" aus Jedermanns Verwandtschaft. Einen zweiten Vetter sprach Tobias Zeitz. Die in Hugo von Hofmannsthals Jedermann-Version prominente "Buhlschaft" gab Helena Schneider. Sprachlich zerfällt Müllers Jedermann-Fassung in zwei Teile: Die älteren Texte wurden in dem für die Zeit des 15. bis 17. Jahrhunderts charakteristischen deutschen Versmaß des "Knittelverses" gehalten, die jüngeren Texte in Erzählform. Dort, wo der Brandner Kaspar ins Spiel kommt, bedient sich der Tod zuletzt als "Boandlkramer" eines gemütlich-süddeutschen Zungenschlags.

Hoftheater Bergkirchen: Auch Helena Schneider nimmt an der Lesung teil, die durch die Platzierung der Sprecher an verschiedenen Stellen zum raumfüllenden Gespräch wird.

Auch Helena Schneider nimmt an der Lesung teil, die durch die Platzierung der Sprecher an verschiedenen Stellen zum raumfüllenden Gespräch wird.

(Foto: Toni Heigl)

Den Gedanken des Dialogs zwischen dem Menschen, seinen Mitmenschen und dem Tod als letztem Gefährten nahm Scheingrabers Musik auf: Jedermanns Sträuben gegen den Tod und dessen Machtwort, mit dem er den Menschen zum Mitkommen heißt, wurde musikalisch zum bewegenden Zwiegespräch. Sichtlich bewegt war auch das Publikum. Es reagierte teils betroffen, teils mit großem Ernst. Lacher waren sogar dann nicht zu hören, wenn wie etwa bei Felix Mitterer satirische Töne anklangen. Zuletzt wurden die Mitwirkenden der Lesung und Robert Scheingraber auf der Orgelempore mit lang anhaltendem Applaus gefeiert. Der Theatersommer endet mit einer weiteren Lesung am Mittwoch, 2. August.

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