Hobby-Imker:Das Geheimnis der Kugel

Weltweit ist die Population der Bienen dramatisch gesunken. Der Dachauer Hobby-Imker Andreas Heidinger hat mit runden Körben eine neue Form der Behausung entwickelt, welche die Insekten weniger anfällig für Krankheiten macht

Von Moritz Köhler, Dachau

Schöne Sommertage sind derzeit eine seltene Wohltat. Sonne, blauer Himmel und umherschwirrende Bienen gehören eher Erinnerungen aus vergangenen Jahren an. Doch an diesem Freitagmorgen zeigt sich der Sommer in seiner ganzen Pracht und weckt zwischen verregneten Junitagen die Hoffnung auf baldige Besserung. Über dem Kleingartenverein zwischen Dachau und Karlsfeld scheint die Sonne am wolkenlosen Himmel, die Menschen arbeiten in ihren Gärten, die Vögel zwitschern in den Bäumen. Und über allem liegt ein tiefes Summen.

Bereits auf dem Weg zu Robert Muttenhammers Häuschen in der Kleingartenanlage sind die kleinen, gelb-schwarzen Insekten allgegenwärtig. Nicht die fiesen Wespen, von denen es jedes Jahr mehr gibt und die niemand wirklich leiden kann, sondern die fleißigen Bienen, von denen es jedes Jahr weniger gibt und die der Mensch dringend braucht. Hier schwirren die kleinen Insekten noch in großer Zahl umher. Andernorts stehen sie kurz vor dem Aussterben. Eine Mangelernährung aufgrund der zahlreichen Monokulturen, die Spritzmittel der Landwirte und die Varroa-Milbe als natürlicher Feind setzen den Bienen zu. Weltweit ist ihre Population in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken. Ein Dachauer Erfinder und Hobbyimker will dieser Entwicklung entgegenwirken. Andreas Heidinger hat eine Bienenbehausung in Kugelform entwickelt. Diese Behausung bietet zahlreiche Vorteile für die Bienen und könnte ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Rettung ihrer Art sein. Ein befreundeter Imker, Robert Muttenhammer, hat 16 seiner Völker in Heidingers Bienenkugel untergebracht.

Je weiter man sich Muttenhammers Garten nähert, desto deutlicher wird das Summen. Im Garten selbst herrscht Hochbetrieb: Tausende Bienen schwirren summend umher, fliegen los, um Blütenstaub zu sammeln, oder kehren zu ihrem Stock zurück. Ein beklemmendes Gefühl ist nicht zu vermeiden, die kleinen Tiere fliegen ohne Rücksicht auf Verluste auf ihren Bahnen. Als Imker sollte man sich bei so vielen Bienen entsprechend gegen Stiche schützen, oder? Weit gefehlt. Robert Muttenhammer baut gerade einen Stock auseinander. Ein Bienenvolk fliegt aufgeregt um seinen Kopf herum. Seine Arbeitskleidung: Unterhemd und Schiebermütze. "Die stechen nicht so schnell", sagt er und lacht, während zwei der Tiere über seine Hand krabbeln.

Muttenhammer besitzt 30 Bienenvölker, dazu zwölf Jungvölker. "Eigentlich wollte ich nur fünf, aber irgendwie ist es dann eskaliert", erzählt er. Der Imker hält seine Bienen in liebevoll gestalteten Stöcken. Jedes Volk hat seinen eigenen Namen, der auf einer Tontafel an der Eingangspforte der Behausung hängt. Im Garten tummeln sich die Dragons of Air, gleich nebenan wohnen die Adrenalin Bienchen. Muttenhammer liebt seine Tiere und sorgt sich um sie, das merkt man ihm an. Diese Fürsorge dürfte der wichtigste Grund sein, warum er seinen Völkern 16 Bienenkugeln als Behausung zur Verfügung stellt. Die Bienenkugel ist ein besonderer Stock, entworfen vom Dachauer Andreas Heidinger. Die Konstruktion verspricht eine artgerechte Haltung für die bedrohten Tiere. Sie könnte helfen, das globale Bienensterben zu reduzieren. Die Bienenkugel ist ein runder Bienenkorb. Diese Form der Behausung hilft den Tieren, die Temperatur in ihrem Stock auf einem konstanten Niveau zu halten. Der klassische rechteckige Bienenstock ist gerade in den Ecken nicht gut isoliert. Dort geht nachts viel Wärme verloren. Um das auszugleichen, benötigen die Bienen viel Energie. Sie brauchen viel Futter, sind gestresst und stechen in der Folge häufig.

Andreas Heidinger hat dieses Problem erkannt und eine Lösung gefunden. Der Hobby-Imker ist Modellschreiner und arbeitet beruflich viel mit Computersimulationen. Die Bienenkugel hat er aus zwei Ansätzen heraus entwickelt: "Ich habe zunächst geschaut, wie die Bienen in der Natur wohnen", erläutert er. 30 Millionen Jahre lang haben die Tiere im Wald gelebt. Dort haben sie sich in Baumhöhlen eingerichtet. "Die Behausungen waren dann natürlicherweise rund." Anschließend hat Heidinger mithilfe einer Computersimulation die optimale Form seines Bienenkorbs erarbeitet. Er suchte eine Form, aus der möglichst wenig Wärme entweichen kann. So entstand die Bienenkugel. Das war im Jahr 2012.

Inzwischen erobert die Bienenkugel die Welt. Imker in ganz Europa, in Amerika und in Afrika setzen die neuartige Behausung ein. 200 bis 300 Fabrikate sind weltweit im Einsatz, Tendenz steigend. "Die Bienen sind weniger gestresst und deshalb nicht so aggressiv. Zudem sind sie stärker, da sie nicht so viel Energie für den Temperaturhaushalt aufbringen müssen", sagt Heidinger. Das hilft den Tieren bei der Abwehr natürlicher Feinde. Die Varroa-Milbe kam in den 1970er-Jahren aus Südostasien nach Europa. Die Milbe nistet in der Brut der Bienen. Die Larven, die davon befallen sind, entwickeln sich wesentlich schlechter als ihre gesunden Geschwister. Sie sind kleiner, schwächer und haben eine deutlich kürzere Lebensspanne. Wenn die Bienen durch ihre kugelförmige Behausung stärker sind, können sie sich auch besser gegen die Milben wehren.

Doch nicht nur für die Imker ist die Bienenkugel eine willkommene Hilfe. Wissenschaftlern eröffnen sich durch die besondere Konstruktion neue Wege der Forschung. Die kugelrunde Bauart ermöglicht einen Blick auf das Innere eines Bienenstocks. Viele Schulen machen sich diese Möglichkeit zu Nutze und eröffnen eigene Schulimkereien, in denen die Kinder sich um die Tiere kümmern und sie beobachten. Eine Vorreiterrolle nimmt dabei Luxemburg ein. Hier haben bereits 16 Schulen Bienenkugeln angeschafft. Zudem hat Heidinger ein Konzept erarbeitet, wie Menschen mit einer Behinderung imkern können. "In allen Bevölkerungsschichten herrscht derzeit eine Aufbruchsstimmung", sagt Heidinger. Das zeigt sich auch an den vielen Neu-Imkern, die ihre Leidenschaft in der Bienenzucht entdecken. "Es wächst eine neue Generation Imker heran", so Heidinger.

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