Hilfe für Busuanga:Freunde fürs Leben

Verena Ziemen aus Hebertshausen und ihre Facebook-Gruppe haben in kürzester Zeit 10 000 Euro für Opfer des Taifuns auf den Philippinen gesammelt - und damit eine ganz innige Verbindung geschaffen.

Von Benjamin Emonts

Philippinen/Busuanga

Reis, Konservendosen, Trinkwasser und Medikamente kamen auch per Schiff auf die vom Taifun verwüstete Insel Busuanga auf den Philippinen. Die dort lebenden Menschen helfen in der schweren Zeit alle zusammen.

(Foto: privat)

2000 Euro, von mehr hatte Verena Ziemen nicht zu träumen gewagt, als sie die Spendenaktion zugunsten der zerstörten Gemeinde Busuanga auf den Philippinen startete. Jetzt, genau 20 Tage später, sind es 9824 Euro. Der erste Teil des Geldes ist bei den Einheimischen in Busuanga bereits angekommen: Sie bekamen säckeweise Lebensmittel, medizinische Grundversorgung, Hygieneartikel und ausgewählte Güter wie Kerzen, Streichhölzer und Seifen geliefert. Die Überlebenden des Taifuns haben diese Dinge bitter nötig.

Durch die Ankunft von Hilfsgütern ist zumindest die überlebensnotwendige Erstversorgung der 25 000 Gemeindemitglieder sichergestellt - die Spendenaktion, zu der Verena und Tatjana Ziemen aufgerufen haben, hat ihren Teil dazu beigetragen. Verena Ziemen hatte im Sommer 2011 ein dreimonatiges Praktikum in Busuanga gemacht. Seither fühlt sich die 30-jährige Hebertshausenerin den Einheimischen eng verbunden, zu manchen pflegt sie noch heute regelmäßig Kontakt. So auch zu ihrem damaligen Chef, Leo Cayaban. Als der in der Nacht vom 13. November bei ihr anruft, bittet er verzweifelt um Hilfe. Die Situation in Busuanga ist zu diesem Zeitpunkt katastrophal. Die Gemeinde auf der gleichnamigen Insel lag im Zentrum von Haiyan - sie wurde von dem Tropensturm schwer getroffen.

Nach dem 7. November, als der Taifun die Insel verwüstet hat, ist Busuanga von der Außenwelt abgeschnitten: der Flughafen zerstört, die Straßen durch herumliegende Trümmer versperrt, die Kommunikation zusammengebrochen. Die Lebensmittel- und Wasservorräte, die sich die Menschen vorsorglich angelegt hatten, gehen zur Neige. Die medizinische Versorgung ist schlecht: Es gibt kaum noch Schmerzmittel, die wenigen Ärzte sind vollkommen überfordert. Die Not ist so groß, dass Leo Cayaban schließlich den Hilferuf nach Hebertshausen absetzt.

Am nächsten Abend gründet Verena mit ihrer Schwester Tatjana Ziemen die Facebook-Gruppe "Ersthilfe für Busuanga" und eröffnet ein Spendenkonto. Nach nur zwei Tagen hat die Gruppe bereits 500 Mitglieder und zum Erstaunen der Schwestern ist das Konto nach drei Tagen bereits prall gefüllt: Am Freitag, 15. November, können die Schwestern 5034 Euro auf die Philippinen überweisen. Als Leo Cayaban von der Summe erfährt, reagiert er ungläubig: Auch er hatte nicht mit so viel Geld gerechnet. Um seiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, veröffentlicht der Philippiner schließlich einen Text via Facebook. Darin heißt es: "Viele bedürftige Familien werden dank eurer Spenden nächste Woche Lebensmittel haben und endlich essen können. Dafür kann ich nicht dankbar genug sein. Ich bin noch nie in Deutschland gewesen, doch jetzt spüre ich eine außergewöhnliche Verbundenheit mit euch allen."

Von den aktuell 1452 Mitgliedern der Facebook-Gruppe haben 127 gespendet, das macht im Schnitt 77 Euro pro Person. "Unglaublich", sagt Verena Ziemen. Auch weil In der Zwischenzeit weitere 4790 Euro auf dem Spendenkonto angekommen sind. Tatjana Ziemen wird das Geld in den kommenden Tagen überweisen. Ihre Schwester Verena sagt: "Wir sind richtig gerührt, dass so viele Menschen geholfen haben. Ich habe in meinem Leben noch niemals eine ähnliche Gastfreundschaft wie in Busuanga erlebt. Die Leute dort haben es verdient."

Und nötig. Denn obwohl die Erstversorgung der Einheimischen zunächst gewährleistet ist, bleibt die Situation angespannt. Rey Ramilo, der die Hilfe in Busuanga leitet, hat Verena Ziemen einen mehrseitigen Lagebericht geschrieben. Man weiß inzwischen nicht nur, dass der Sturm drei Todesopfer in der Gemeinde gefordert hat. Wie Rey Ramilo weiter berichtet, sind von insgesamt 4981 Häusern 1208 völlig zerstört worden, 1826 teilweise, darunter Schulen und Krankenhäuser. Hinzu kommt, dass es momentan keine Stromversorgung gibt. "Die meisten Strommasten wurden durch den Sturm umgeknickt wie Streichhölzer", schreibt Ramilo. "Es wird lange dauern, die Schäden zu beheben." Bis dahin, so Ramilo, stehen für Tausende von Menschen "ausschließlich Stromaggregate von Privatpersonen zur Verfügung".

Noch schwerer aber wiegt, dass vielen Menschen ihre Lebensgrundlage genommen wurde. Ramilo berichtet, dass große Teile der landwirtschaftlichen Geräte und Böden regelrecht davongeschwemmt worden seien. Wie auch die Boote, die für die Einheimischen so lebenswichtig sind: Busuanga lebt vor allem vom Tourismus und der Fischerei.

Cayaban und die anderen Helfer werden deshalb einen Teil der knapp 10 000 Euro in neue Boote und in den Wiederaufbau der Infrastruktur, insbesondere der Schulen und Krankenhäuser investieren. Das Leben auf den Philippinen geht weiter, es muss weitergehen. Auch in Busuanga. Rey Ramilo sagt, dass die Leute dort in erster Linie dankbar sind, den mutmaßlich stärksten Taifun aller Zeiten überlebt zu haben. "Alle helfen sich gegenseitig." Bayanihan, der philippinische Geist, lebt.

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