Hauptschule Karlsfeld:Der Kick der Finsternis

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Basketball ohne zu laufen, Fußball ohne zu sehen: An der Hauptschule Karlsfeld sammelten die Kinder ganz neue Sporterfahrungen.

Isabella Bayer

Cansu dribbelt. Manchmal entgleitet der 15-jährigen Schülerin der Ball, dann erwischt sie ihn wieder mit dem Fuß und schließlich schießt sie das Leder unter dem Jubel ihrer Mannschaft ins Tor. Ein ganz normales Fußballspiel der achten Klassen der Hauptschule Karlsfeld? Nicht ganz. Denn Cansu sieht den Ball nicht, während sie kickt. Eine schwarze Maske auf den Augen hüllt sie in vollkommenes Dunkel. Einzig eine in den Fußball integrierte Rassel signalisiert ihr dessen aktuelle Position. Ein Klassenkamerad macht den "Caller", er steht im Tor und ruft ununterbrochen "hier, hier, hier" - nur so kann Cansu die Richtung des Tores erahnen. Sie kann sich dabei nur auf ihr Gehör verlassen.

Die Schülerin spielte am Mittwoch zum ersten Mal in ihrem Leben Blindenfußball. "Es ist unglaublich, wie schnell man dabei die Orientierung verliert", sagt Sportlehrer Christian Steinberger. Aber, betont er, die Schüler hätten echt Spaß dabei. Blindenfußball und Rollstuhlbasketball sind die Sportarten, die im Rahmen der bundesweiten Initiative "Neue Sporterfahrung", einer Kooperation von Telekom, dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) und dem Deutschen Rollstuhl-Sportverband, an Schulen vorgestellt werden. Das Projekt solle im Gedanken der Inklusion Hemmschwellen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung abbauen und soziale Verantwortung fördern, erläutert Telekom-Projektleiter Thomas Stefany.

Rektor Peter Wummel, der sich selbst gerade im Rollstuhlbasketball versucht, bezeichnet den Ausflug in die Welt der paralympischen Sportarten als "ein Wahnsinnserlebnis". Er sei sehr glücklich, dass seine Schule für das integrative Projekt ausgewählt wurde. Dessen Ziel sei es, die Schüler für neue Sporterfahrungen zu sensibilisieren, Verständnis zu wecken, was Sport für Behinderte bedeute. "Gerade beim Blindenfußball, wenn sie sich nur auf ihr Gehör verlassen können, machen die Schüler die Erfahrung, wie wichtig der Sehsinn eigentlich für die Orientierung ist", so der Schulleiter.

Auch Marc Kiefer, Leistungssportreferent und Nachwuchskoordinator beim DBS, betont die sozial-integrative Bedeutung des Projektes: "Es geht darum, Sensibilität dafür zu schaffen, dass es Behindertensport gibt und um die Integration Behinderter in Regelschulen." Dazu trage auch bei, dass Leistungssportler aus dem Behindertensport an den Aktionstagen als Übungsleiter für die Schüler fungierten und so die jeweilige Disziplin praktisch erlebbar machten. So auch in Karlsfeld: Stefan Markus vom USC München ist Rollstuhlbasketball-Profi in der ersten Bundesliga - und zeigt den Hauptschülern heute, wie man erfolgreich Körbe vom Sportrollstuhl aus versenkt.

Im Vergleich zum Rollstuhlbasketball sei Blindenfußball, obwohl seit 2004 paralympische Disziplin, in Deutschland noch eine "Entwicklungssportart", sagt Marc Kiefer vom DBS. Die Auswahl gerade dieser Sportart für die Schulinitiative habe aber gute Gründe gehabt: "Fußball kennt jeder, da fällt der Transfer leichter." Cansu und die anderen Karlsfelder Achtklässler sind auf jeden Fall begeistert vom etwas anderen Fußball: "Das ist toll, mal was Neues, man versteht viel besser, wie es Blinden geht." Mission geglückt.

© SZ vom 21.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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