Handyverbot an Schulen:Miteinander reden statt tippen

Direktoren im Landkreis sehen eine Lockerung kritisch. Sie befürchten Gefahren durch soziale Medien und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Auch Schüler seien froh über die Regelung

Von Marie Groppenbächer

Kein Klingeln, kein Piepsen, kein Blinken, kein Vibrieren - Handys sind an bayerischen Schulen verboten. Doch das könnte sich in Zukunft ändern. Nach langen Diskussionen hat sich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vor wenigen Wochen für ein Pilotprojekt ausgesprochen. An 300 bayerischen Schulen sollen im Schulforum beschlossene eigene, schulinterne und durch die Hausordnung begründete Regelungen getroffen und angewendet werden.

Mit Handys sind natürlich auch ihre modernen Nachfolger wie Smartphones und digitale Speichermedien aller Art gemeint. Ihr Verbot an bayerischen Schulen ist seit März 2006 gesetzlich geregelt. Laut Artikel 56 Absatz 5 im bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen müssen Mobiltelefone sowohl im Unterricht als auch in der Pause ausgeschaltet bleiben. Nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel zu Unterrichtszwecken, darf die Aufsicht führende Lehrkraft Ausnahmen gestatten.

Schule und Smartphone

Smartphone auf dem Schulhof? Auch in der Pause sind am Ignaz-Taschner-Gymnasium wie auch an anderen Schulen im Landkreis Handys verboten. Wer sich nicht daran hält, muss das Gerät abgeben.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Doch die Lebenswelt der Schüler ist nicht mehr dieselbe wie vor zwölf Jahren. Smartphones und soziale Medien bestimmen ihr Leben. Die wenigsten können und wollen sich dem Reiz von Whatsapp, Instagram und Youtube entziehen. Zu Recht stellt sich da die Frage, ob das Gesetz noch zeitgemäß ist. Oder ob das Mobiltelefon als Teil der Kommunikationswelt der Schüler in der unterrichtsfreien Zeit gestattet werden sollte. Außer Frage steht, dass die geräuschvollen Ablenker im Unterricht verboten bleiben, es sei denn, sie dienen als Unterrichtsmedium.

Neben Lehrer- und Elternverbänden kritisiert auch die Opposition seit längerem den betreffenden Gesetzesartikel. Anfang des Jahres legte die SPD einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Sie ist der Meinung, dass der Artikel eine einvernehmliche Regelung der Handynutzung durch die betroffenen Schüler, Eltern, Lehrkräfte und der Schulleitung erschwere. Martin Güll, Vorsitzender des Bildungsausschusses im bayerischen Landtag und bildungspolitischer Sprecher der Bayern-SPD- Landtagsfraktion, ist überzeugt, dass Artikel 56 Absatz 5 geändert werden müsse. Er sei an das digitale Zeitalter anzupassen. Alle Beteiligten müssen in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Der Entwurf sieht vor, dass Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien auch in Zukunft ausgeschaltete sein müssen, die Schule jedoch Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot gestatten kann, wenn es das Schulforum beschließt. Das Schulforum gibt es an jeder Schule, ausgenommen an Grund- und Berufsschulen. Es setzt sich aus dem Schulleiter, drei Lehrkräften, drei Elternvertreter und dem Schülerausschuss zusammen.

Handyverbot an Schulen: Schulleiter Peter Mareis sieht die Vorteile eines strikten Verbots.

Schulleiter Peter Mareis sieht die Vorteile eines strikten Verbots.

(Foto: Toni Heigl)

Mit diesem Vorschlag, so Martin Güll, halte die SPD im Prinzip an dem Verbot fest, sie "möchte nur den Artikel 56 anders schreiben". Ein ausschließliches Verbot reiche nicht, man müsse sich über die Nutzung Gedanken machen, es gehe hierbei schließlich auch um eine schulische Erziehungsfrage, gibt er zu bedenken.

Den Schülern die richtigen Umgangsformen beizubringen, liegt auch den Schulleitern aus dem Landreis Dachau am Herzen. Peter Mareis, Direktor des Josef-Effner-Gymnasiums, ist es wichtig, das Verbot nicht nur strikt einzuhalten, sondern auch den Schülern verständlich zu machen, wieso es das Gesetz gibt und weshalb es für sie wichtig ist. Werden die Schüler in der Pause mit einem Handy erwischt, müssen sie ins Direktorat. Dort erklären ihnen Zuständige die Problematik rund um die Handynutzung. Es werden Themen wie das Recht auf das eigene Bild und Wort besprochen. Immer wieder gab es vor dem Verbot Fälle, in denen Tonmitschnitte, Videos und Bilder von Lehrer und Schülern im Internet kursierten. Die Schüler sollen verstehen, dass es darum gehe, sie selbst davor zu schützen. Peter Mareis hätte nichts dagegen, wenn es so bliebe wie gehabt. Er hat die Erfahrung gemacht, dass auch viele Eltern und Schüler das Konzept befürworten. Letztere seien froh, in der Schulzeit nicht mehr unter einem permanenten sozialen Druck zu stehen. Ständig müsse man erreichbar sein. "Man muss dafür sorgen, dass Kinder miteinander direkt sprechen", betont er.

Erwin Lenz, Schulleiter des Ignaz Taschner Gymnasiums, ist der gleichen Meinung. Er erschrak, als er drei Regelbrecher in der Pause fragte, für was sie ihr Handy denn gerade benutzten. Die drei Teenager antworteten: "Wir unterhalten uns doch nur." Das taten sie auch, allerdings nonverbal, über Whatsapp. Immer wieder gebe es Probleme unter den Schülern aufgrund sozialer Medien, erzählt Erwin Lenz. Eine Umfrage im Kollegium zeigte, dass eine Mehrheit an der bisherigen Regelung festhalten will.

Landtagskandidaten

Landtagsabgeordneter Martin Güll will die Schüler mitreden lassen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

An der Dr.-Josef-Schwalber-Realschule sind Handys sogar auf Klassenfahrten verboten. Sie werden eingesammelt und nur für kurze Heimatanrufe herausgerückt, erzählt Direktorin Angelika Rogg. Die Schüler akzeptieren die Regelung, manche zähneknirschend, andere erleichtert. Die Eltern seien froh. Insgesamt werde das Thema Medien viel besprochen, auch unterstützt von der Polizei und dem Gesundheitsamt. Die Schulleiterin hält eine Freigabe auch in Zukunft für schwierig: "Die Schüler gehen einfach zu unreflektiert mit den kleinen Geräten um." Wer hier auf frischer Tat ertappt wird, muss sein Mobiltelefon für einige Zeit im Sekretariat in die sogenannte Zauberbox legen.

Ein bisschen anders sieht es an der Fachoberschule Karlsfeld aus. Franz Elender, stellvertretender Schulleiter, erklärt, "wir können das Verbot so in der Schule nicht halten". Deshalb habe man eine Zwischenlösung gefunden. Jeder Schüler hat ein eigenes nummeriertes Handyfach, in das die kleinen Geräte während des Unterrichts verschwinden. In der Pause ist die Schulleitung jedoch kulant. Die Schüler dürfen ihre Lieblinge benutzen, wie sie wollen. Artikel 56 Absatz 5 habe man damit lediglich großzügig ausgelegt. Dennoch seien sie der Handynutzung gegenüber kritisch eingestellt, betont der Konrektor. Ihm gebe zu denken, dass immer häufiger psychische Erkrankungen mit einem übermäßigen Konsum sozialer Medien in Zusammenhang gebracht werden. Auch wenn die befragten Schulleiter den Eindruck schildern, die Schüler könnten sich mit den Ver- und Geboten gut arrangieren - der bayerische Landesschüllerrat gibt sich nicht zu frieden. Die Mitglieder freuen sich über die Entwicklung innerhalb der Debatte und sind gespannt, was bei dem Pilotprojekt herauskommt.

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