Handwerk in Dachau:Ein Milliardengeschäft

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Kreishandwerkmeister Ulrich Dachs ist auf den Erfolg der Betriebe des Landkreises sehr stolz. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs präsentiert die aktuellen Zahlen für 2014 und ist für das laufende Jahr sehr optimistisch

Von Petra Neumaier, Dachau

Auf ein sehr gutes Jahr blickte Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs zurück. So waren 2014 die Umsatzzahlen stabil. "Das bayerische Handwerk steht auf einem sehr guten Sockel", sagte er, "weshalb auch für 2015 die Prognosen positiv ausfallen." Für heuer erwartet Dachs ein Umsatzplus von 1,5 Prozent. Sorgen bereitet ihm allerdings der Nachwachsmangel und eine Reihe von Reglementierungen durch die Politik.

Der Gesamtumsatz der 2755 Handwerksbetriebe betrug im vergangenen Jahr im Raum Dachau rund eine Milliarde Euro. Dies ist ein Anstieg um 2,7 Prozent. Der Anteil der "Anlage-A"-Handwerksbetriebe (anerkannte Unternehmen) liegt im Landkreis bei 40 Prozent - in ganz Oberbayern sind es nur 30 Prozent. "Das Handwerk ist bei uns somit ein starker Wirtschaftsfaktor", fasste Ulrich Dachs zusammen. Dies spiegle sich in den Zahlen der Lehrstellen wider: 42 Prozent aller Azubis lernten in einem Handwerksbetrieb - bayernweit sind es 30 Prozent. Derzeit gibt es im Landkreis 625 Ausbildungsverträge. Trotzdem haben viele Unternehmen, vor allem im Kfz- und Lebensmittelhandwerk, große Nachwuchsprobleme.

Als größte Stärke bezeichnete der Kreishandwerksmeister die Regionalität und Individualität der heimischen Betriebe. "Bei uns ist der Kunde keine Nummer." Und sollte es einmal zu einer Reklamation kommen, so sei der heimische Betrieb sofort zur Stelle. "Wird sie zufriedenstellend abgewickelt, trägt das zu einer guten Kundenbindung bei", wies Ulrich Dachs hin. Profitieren kann die Branche derzeit von der starken Wohnraumnachfrage und Konsumbereitschaft der Bevölkerung. Dank niedriger Zinsen und relativ stabiler Energiekosten sei die Bereitschaft zu investieren derzeit recht groß. "Gut tut dem Handwerk die Energiewende", stellte Dachs fest. Alleine durch energetische Sanierungen werde ein großes Investitionsvolumen geschaffen. Hier gebe es allerdings seitens der Politik Nachholbedarf, eine noch breitere Basis zu schaffen. Außerdem forderte der Schreiner-Obermeister, das Thema Erbschaftssteuer abschließend zu regeln.

Eindringlich warnte Ulrich Dachs davor, den Handwerkerbonus zu reduzieren. Ihn erhalten derzeit Privatpersonen, die für Renovierung, Erhaltung oder Modernisierung ihres Hauses oder ihrer Wohnung einen zugelassenen Handwerker beschäftigen. Zwar hat sich die bayerische Regierung gegen die Reduzierung ausgesprochen, der Kreishandwerksmeister befürchtete jedoch, dass die Entscheidung irgendwann wieder gekippt wird. "Und dann ist der Schwarzarbeit wieder Tür und Tor geöffnet."

Kritisch steht er dem "Bürokratismus durch die Einführung des Mindestlohns" gegenüber. 68 Prozent der Dachauer Betriebe sehen ihn ebenfalls als großes Hemmnis ihrer täglichen Arbeit an. Nach der derzeitigen Regelung müsste ein Beschäftigter mehr als 80 Stunden in der Woche arbeiten, damit die Aufzeichnungspflicht entfällt. Dachs forderte deshalb, dass die Lohngrenze um 1000 Euro auf 1900 Euro gesenkt wird.

Besorgt ist der Kreishandwerksmeister auch über den Meistervorbehalt. Bislang gilt in den meisten handwerklichen Betrieben der Meisterbrief als Voraussetzung, selbständig arbeiten und ausbilden zu dürfen. Jetzt rüttelt die EU-Kommission erneut an dieser Regelungen in einigen Sparten, die diese Voraussetzung nicht mehr erfüllen sollen. Ein Drittel der Meisterberufe wurden bereits "gekappt". Zugleich sank die Zahl der Ausbildungsplätze um denselben Wert. "Das ist kein Zufall", mutmaßte Dachs, der die Unternehmer aufrief, sich gemeinsam gegen die EU-Pläne starkzumachen. Im Landkreis selbst kritisierte Dachs die Ausweisung von Gewerbegebieten, die in erster Linie auf den Einzelhandel und weniger für verarbeitendes Gewerbe ausgerichtet seien. Handwerksbetriebe, die erweitern wollten, kämen deshalb oft nicht zum Zug. Für die Planung und Vergabe ist zwar das Landratsamt nicht zuständig, trotzdem ging in der Diskussion Landrat Stefan Löwl (CSU) davon aus, dass die Gewerbegebiete Handwerksbetrieben und dem Mittelstand zur Verfügung stehen. Trotzdem habe er beobachtet: "Wenn auf dem freien Markt Flächen angeboten werden, sind die Discounter oft schneller." Einen beabsichtigten "Verdrängungswettbewerb" konnte er dennoch nicht erkennen. "Für alle ist genug da."

Keine Lösung hatte der Landrat parat, was die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen im Ort betrifft, um den zunehmenden Verkehr im Landkreis zu reduzieren. "Laut Umfragen wollen die meisten Leute gar nicht dort arbeiten, wo sie wohnen", sagte Löwl. Hingegen wünschte er sich einen Image-Wechsel des Handwerks. "Also weg von dem Stigma, dass man hier nichts verdient und auch noch schwitzen muss und hin zu einem hoch technisierten und qualifizierten Berufsbild", sagte der Jurist und setzte seufzend hinzu: "Wertschöpfung und Zufriedenheit sind hier außerdem viel größer als in so mancher akademischen Arbeit."

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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