Grundschulen:Überfordert

Eltern kümmern sich nicht mehr um ihre Kinder, Lehrer müssen mit den familiären Problemen ihrer Schützlinge kämpfen. Immer mehr Grundschulen im Landkreis benötigen deshalb Jugendsozialarbeit

Von Robert Stocker, Altomünster

Sie kümmern sich kaum mehr um ihre Kinder, sind alleinerziehend oder haben ein Suchtproblem - die Zahl überforderter Eltern nimmt zu. Selbst in ländlichen Gemeinden gibt es viele Fälle. Die familiären Probleme der Kinder zeigen sich auch in der Schule. Die Schüler sind verhaltensauffällig und beteiligen sich nicht mehr am Unterricht. Ein Phänomen, das auch an der Grund- und Mittelschule Altomünster zu beobachten ist. An beiden Schulen soll deshalb Jugendsozialarbeit eingeführt werden. Dabei befassen sich Sozialpädagogen mit den Problemen der Kinder, nehmen Kontakt zu den Eltern auf und wirken als Bindeglied zwischen Schule und Jugendamt.

Der Bedarf für Jugendsozialarbeit an Grund- und Mittelschulen geht aus einer Sozialraumanalyse hervor, die der Landkreis als Träger der Jugendhilfe in Auftrag gab. Demnach ist sie an den Grundschulen Dachau-Ost, Dachau-Augustenfeld, Markt Indersdorf, Weichs, Petershausen und Altomünster nötig. Der Jugendhilfeausschuss des Kreistags entschied sich dafür, auch an der Dachauer Realschule Jugendsozialarbeit anzubieten. Zwar gelten die beiden Schulen in Altomünster nicht als absolute Brennpunktschulen. "Wir waren in der Studie nicht an vorderster Front", schränkt Rektorin Nicola Lachner ein. Doch die Untersuchung ergab, dass immerhin 13 Prozent der Eltern eine Unterstützung brauchen. Lachner: "Die Problemfälle nehmen zu." Diese Entwicklung sei auch auf dem Land zu beobachten.

Als Grund dafür sieht die Rektorin auch finanzielle Probleme. Einkommensschwache Familien ziehen aufs Land, weil Immobilien und Mieten in der Stadt immer teurer werden. Doch die Lebenshaltungskosten steigen auch auf dem Land. Viele Eltern haben mehrere Jobs. "Manche sehen ihre Kinder kaum noch", sagt Nicola Lachner. Andere seien überfordert, weil sie alkoholkrank oder arbeitslos sind. Auch Kinder von Alleinerziehenden seien oft verhaltensauffällig. Bei familiären Problemen würden die Kinder nicht aufgefangen. In der Grundschule Altomünster ist dies bei fünf bis sechs Schülern pro Klasse der Fall. 33 Schüler der Grundschule haben einen Migrationshintergrund, in der Hauptschule sind es laut Rektorin noch mehr.

Es sei sinnvoll, den Problemen der Kinder möglichst früh zu begegnen. "Wehret den Anfängen", heißt Lachners Ansatz. Deshalb müsse Jugendsozialarbeit schon in der Grundschule beginnen. Die Anforderungen an die Lehrer haben sich stark verändert. Sie müssen nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch die Rolle des Erziehers übernehmen. "Die Lehrer schaffen es nicht mehr, die familiären Probleme aufzufangen", sagt die Rektorin. Sie bräuchten zunehmend Unterstützung von Sozialpädagogen.

Laut Lachner befürworten die Lehrer an der Grund- und Mittelschule Altomünster uneingeschränkt dieses Angebot. Die für die Jugendsozialarbeit eingesetzten Pädagogen fördern den Kontakt zwischen Eltern, Lehrern und Jugendamt. Sie sind ein Bindeglied zwischen allen Beteiligten. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist eine individuelle Beratung. Kinder können zu ihnen in die Sprechstunde kommen und über ihre Probleme reden. Die Sozialpädagogen organisieren Gespräche am Runden Tisch, an dem Eltern und Vertreter des Jugendamts zusammenkommen. Außerdem gehen sie auf Schulklassen zu, um über Themen wie Mobbing oder gewaltfreie Kommunikation zu sprechen. "Sie sind nahe an den Beteiligten dran", sagt Rektorin Nicola Lachner. An der Mittelschule Altomünster sind jetzt schon die Sozialpädagogen Katharina Bäsler und Sebastian Jäger tätig. Sie sind Mitarbeiter des Zweckverbands Kinder- und Jugendarbeit, den die Gemeinde mit der Jugendarbeit beauftragt hat. Sie könnten auch die Jugendsozialarbeit in Altomünster übernehmen.

Dass die Jugendsozialarbeit an beiden Schulen sinnvoll ist, darüber sind sich in Altomünster nicht nur die Lehrer einig. Genehmigt ist sie allerdings noch nicht. An der Grund- und Mittelschule soll es jeweils eine halbe Stelle geben, deren Kosten sich Landkreis und Gemeinde beziehungsweise Schulverband teilen. Der Staat bewilligt nur dann eine Förderung, wenn der Migrationsanteil der Schülerinnen und Schüler mindestens 20 Prozent beträgt. "Der Landkreis will von der Gemeinde die Zusage, dass sie ihren Kostenanteil übernimmt", sagt Geschäftsführer Christian Richter. Der Gemeinderat wird in seiner nächsten Sitzung darüber entscheiden. Richter geht von einer Zusage aus: "Das wird nur eine Formalie sein."

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