Gewerkschaft:Eine Frage der Wertschätzung

Die Belegschaft der Helios-Amperkliniken AG fühlt sich durch das Tarifangebot der Arbeitgeber in ihrer Arbeit nicht ausreichend gewürdigt. Sie demonstriert vor der entscheidenden Verhandlungsrunde für ihre Forderungen

Von Wolfgang Eitler, Dachau

"Ich hoffe, Sie bleiben." Der Demonstrantin antwortet Bernward Schröter, Vorstandsvorsitzender der Helios-Amperkliniken AG: "Ich habe einen Vertrag bis 2018." Und lächelt kurz. Die Protestaktion der Gewerkschaft Verdi und des Betriebsrats vor dem Dachauer Klinikum fällt aus dem üblichen Rahmen solcher Veranstaltungen, mit denen Betriebsräte sonst ihre Forderungen vor Tarifverhandlungen untermauern. Schröters Auftritt wirkt wie der Besuch eines guten Bekannten, der mal vorbei schaut, was denn vor dem Dachauer Klinikum am Dienstagmittag so passiert. Dazu sagt er den Pflegekräften in Verdi-Montur, dass er auf ein Verhandlungsergebnis mit der Helios GmbH hofft, "das die Wertschätzung für die Mitarbeiter ausdrückt". Einige drücken ihm fest die Hand. Und als die eineinhalbstündige Veranstaltung vorüber ist, stehen die bayerische Verdi-Vertreterin Karin Seifert aus München und Schröter im vertrauten Gespräch zusammen.

Das Wort "Wertschätzung" aus Schröters Mund hat dem Betriebsratsvorsitzenden Dieter Möbs besonders gefallen. Denn sein Slogan für die Demonstration eineinhalb Wochen vor der vermutlich entscheidenden dritten Verhandlungsrunde lautet: "Wir sind es wert." Letztlich kämpft Möbs um keine großen Erhöhungen, sondern will den Haustarifvertrag retten. Vor zwei Jahren hatte er ihn gemeinsam mit dem damaligen Mehrheitseigner, der Rhönklinikum AG, ausgehandelt. Kernstück ist eine Beteiligung am jährlichen Betriebsergebnis, was dazu führt, dass jeder Mitarbeiter jeden Monat 107 Prozent seines tariflich festgelegten Gehalts überwiesen bekommt. Zum Jahresbeginn hat die Helios GmbH die Rhön-Anteile komplett übernommen. Der Landkreis Dachau hält weiter 5,1 Prozent.

Gewerkschaft: Die Gewinne steigen und die Gehälter stagnieren. Die Belegschaft des Dachauer Klinikums demonstriert.

Die Gewinne steigen und die Gehälter stagnieren. Die Belegschaft des Dachauer Klinikums demonstriert.

(Foto: Niels P.Jørgensen)

Helios gehört zur Fresenius AG, dem größten Klinik-Konzern Europas. Dessen Vorstandsvorsitzender Ulf Schneider hatte in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel langfristig einen Gewinn von 15 Prozent gefordert. Auf Nachfrage an Helios bestätigte Pressesprecherin Beatrice Charrier, dass sich ihr Unternehmen diese Vorgabe erfüllen möchte: "Der Helios-Entwicklungsplan sieht bei neu übernommenen Kliniken eine Steigerung von zwei Prozent Ebit-Marge (vor Steuern, Anm. d. Red.) jährlich vor. Mittelfristig steht eine Zielrendite von 15 Prozent." Charrier bezeichnet dieses Ziel als "erforderlich, um die geplanten Investitionen in neue Medizintechnik und moderne Infrastruktur zu stemmen". Mittlerweile haben zwischen dem Betriebsrat der Helios-Amperkliniken und dem Vorsitzenden für die Kliniken in Bayern, Martin Jonas, zwei Verhandlungsrunden stattgefunden. Nach Darstellung des Betriebsratsvorsitzenden Möbs wurde die erste ergebnislos abgebrochen. "Und für die zweite legte Helios einen inakzeptablen Vorschlag vor." Dieser sieht vor, dass die Ergebnisbeteiligung einmal jährlich auf 80 Prozent des Gehalts reduziert wird. Parallel dazu sollte es in zwei Jahren um 5,57 Prozent steigen. Möbs hält es für unannehmbar: "Wir hätten weniger Geld als bisher." Erst im zweiten Jahr würde das Einkommen steigen, so dass sich innerhalb von zwei Jahren eine Lohnerhöhung 0,82 Prozent ergeben würde. Dagegen protestierte nun die Belegschaft.

Vorstandsvorsitzender Schröter gibt sich ihr gegenüber zuversichtlich und ruft ihr zu: "Hoffentlich geht es ihnen am 30. September besser." Dem Tag der dritten Verhandlungsrunde. Dann erwartet Schröter den Durchbruch. Der Dachauer SZ sagt er: "Das Haus steht gut da." Damit meint er die beiden Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf. Und er fährt fort: "Dass man da in Richtung Wertschätzung ein Angebot machen muss, das liegt auf der Hand."

Gewerkschaft: Dieter Möbs, Betriebsratsvorsitzender der Amperkliniken AG, zeigt sich von den bisherigem Angebot von Helios als neuem Mehrheitseigner enttäuscht.

Dieter Möbs, Betriebsratsvorsitzender der Amperkliniken AG, zeigt sich von den bisherigem Angebot von Helios als neuem Mehrheitseigner enttäuscht.

(Foto: Niels P.Jørgensen)

Der Betriebsrat fordert eine Lohnerhöhung von insgesamt acht Prozent für zwei Jahre oder mindestens 160 Euro monatlich mehr, er will die Ergebnisbeteiligung behalten, die Auszubildenden sollen jeden Monat 90 Euro als besondere Vergütung erhalten und der Urlaub soll für alle auf 30 Tage im Jahr festgeschrieben werden. Bisher differiert er zwischen 26 und 32 Tagen. Die Helios GmbH wollte sich zu dem Stand der Verhandlungen nicht äußern. Sie teilte mit, "dass die konkreten Inhalte in den Tarifverhandlungen zwischen den Tarifpartnern besprochen werden und nicht vorab in den Medien." Auch Schröter wollte sich zu den einzelnen Forderungen des Betriebsrats nicht äußern. Er sagte allerdings der SZ, dass "die Atmosphäre" ein ganz entscheidender Faktor sei, damit ein Klinikum erfolgreich arbeite. "Ich muss sagen, dass bei uns sehr ökonomisch gearbeitet wurde." Diese Leistung führt er auch auf das "gute Miteinander" zurück.

Seine nächste Stellungnahme zielt allerdings schon in die Diskussionen nach dem Tarifabschluss ab. "Die Abläufe müssen stimmen und die Atmosphäre. Dann ist mehr gewonnen, als durch neue Stellen." Darum wollen Betriebsratsvorsitzender Möbs und seine Stellvertreterin Silke Böttcher in den nächsten Monaten ringen. Böttcher ist die Fachfrau für die Pflege im Betriebsrat und sagt: "Uns fehlen 20 Planstellen." Möbs ergänzt: "Damit wir stressfreier arbeiten können." Silke Böttcher sieht eine Diskrepanz zwischen der Außendarstellung der Kliniken Dachau und der innerbetrieblichen Situation: "In der Öffentlichkeit werden Erwartungen erzeugt, die wir unter den vorhandenen Arbeitsbedingungen nicht mehr erfüllen können." Dazu führt sie folgende Statistik als Beispiel an. Durchschnittlich müsse eine Pflegekraft bundesweit 10,8 Patienten betreuen. Am Dachauer Klinikum seien es "mindestens 15": "Im Nachtdienst kommen bei uns drei Pflegekräfte auf 77 Patienten."

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