Gestohlene KZ-Tür:Viele ungelöste Fragen

Tor der Gedenkstätte Dachau in Norwegen sichergestellt

Offenbar lag die KZ-Tür aus der Gedenkstätte Dachau schon längere Zeit im Freien, wie die Rostspuren vermuten lassen.

(Foto: dpa)

Das eiserne Tor wird nach zwei Jahren auf einem Parkplatz nahe der norwegischen Ortschaft Ytre Arna entdeckt. Die Polizei erhielt einen anonymen Hinweis, steht aber weiter vor einem Rätsel

Von Helmut Zeller, Dachau

Die KZ-Gedenkstätte Dachau muss sich weiter in Geduld üben: Die gestohlene KZ-Tür, die nach zwei Jahren Anfang Dezember in Norwegen gefunden wurde, wird noch länger in der Garage der Polizei in Bergen bleiben. Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord sagte, gibt es noch keinen Termin für die Rückführung der schmiedeeisernen Tür, die am 2. November 2014 von unbekannten Tätern entwendet worden war. Das Lagerrelikt ist das zentrale Beweisstück einer länderübergreifenden Zusammenarbeit der Polizeibehörden und kann nicht so einfach abgeholt werden. Dazu bedarf es unter anderem eines justiziellen Abkommens, war zu erfahren.

Der Diebstahl, der weltweit Empörung auslöste, gibt den Ermittlern weiter Rätsel auf. Noch haben sie keine Spur von den Tätern. Wer hat in wessen Auftrag die hundert Kilogramm schwere Eisentür mit der zynischen Aufschrift "Arbeit macht frei" damals ausgehebelt und gestohlen? Denkbar ist ein Auftragsdiebstahl ähnlich dem Vorfall in Polen, als 2009 eine Diebesbande aus der KZ-Gedenkstätte Auschwitz bei Krakau den metallenen Schriftzug "Arbeit macht frei" entwendete. Das zersägte Relikt wurde damals wenige Tage nach der Tat in einem Wald gefunden. Die Spur führte nach Schweden. In den skandinavischen Ländern wird ein schwunghafter Handel mit NS-Devotionalien getrieben. Aber im Dachauer Fall fanden die Fürstenfeldbrucker Fahnder um Kripochef Manfred Frei keine entsprechenden Hinweise - trotz einer aufwendigen Ermittlung mit einem internationalen Datenabgleich von DNA-Spuren, die am Tatort aus abgeschürften Hautschuppen und Zigarettenkippen gewonnen worden waren.

Im Grunde glaubte niemand mehr so recht daran, dass der Fall jemals aufgeklärt werden wird. Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten setzte noch eine Belohnung von 10 000 Euro aus und ließ zur 70-Jahr-Feier der Befreiung des Konzentrationslagers am 29. April 1945 eine Replik der von KZ-Häftlingen 1936 geschmiedeten Tür und des Schriftzugs anfertigen, eine Arbeit des Kunstschmieds Michael Poitner aus Biberbach in der Gemeinde Röhrmoos. Der originale Schriftzug "Arbeit macht frei" war bereits nach Kriegsende verschwunden und wurde 1965 zur Eröffnung der KZ-Gedenkstätte rekonstruiert. Das dürften die Täter nicht gewusst haben - vielleicht haben sie sich deshalb ihrer Beute auf einem Parkplatz außerhalb von Ytre Arna entledigt. Die 2500 Einwohner große Ortschaft liegt 20 Kilometer von der Stadt Bergen entfernt am Fjord. Dort lag die stark angerostete KZ-Tür jedenfalls schon lange Zeit neben Abfällen unter einer Plastikplane, als die Bergener Polizei Ende November einen anonymen Hinweis bekam. Nach einem Fotovergleich war sofort klar: Es handelt sich um die gestohlene Tür aus Dachau.

Das symbolträchtige Relikt, das für den Leidensweg der mehr als 200 000 Häftlinge des KZ Dachau steht, wird nach seiner Rückgabe restauriert und den Gedenkstättenbesuchern wieder präsentiert werden - ob im Museum oder an seinem Platz im historischen Jourhaus ist noch ungeklärt. Das Comité International de Dachau (CID), der Verband ehemaliger Häftlinge, Gedenkstätte und Stiftung sind zunächst froh, dass die Tür nun gefunden wurde. Aber in Dachau würde man doch gerne wissen, wer hinter der Schändung stand.

Die Fürstenfeldbrucker Kripo und die norwegische Polizei versuchen nun herauszufinden, wie die KZ-Tür nach Ytre Arna gekommen ist. Sind die Diebe etwa nervös geworden und wollten sie ihre Beute loswerden? Hat ein Ortsansässiger die Tür auf dem Parkplatz abgeladen oder jemand von weit weg? Wer war der anonyme Hinweisgeber? Diese Fragen beschäftigen auch die Öffentlichkeit im norwegischen Bergen. "Es gibt keine große rechtsextreme Bewegung in Bergen", sagte Eirik Langeland Fjeld von der Zeitung Bygdanytt. Aber die Diebe müssen nicht zwingend Neonazis gewesen sein. Der Fürstenfeldbrucker Kripochef Manfred Frei und seine Ermittler werden allen Spuren nachgehen - das wird dauern, vielleicht aber hilft noch einmal der Zufall.

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