Gerichtsurteil:Haftstrafe für versuchten Totschlag am Eichinger Weiher

Ein 33-Jähriger greift einen anderen Mann mit einem Messer an. Das Landgericht München hat ihn nun zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.

Von Benjamin Emonts, München/Karlsfeld

Die Persönlichkeitsstörung, die ein Forensiker dem 33-jährigen Angeklagten vor dem Landgericht München attestiert, artete am 30. März 2016 einmal mehr in Gewalt aus. "Er hat die Neigung, einen Groll zu hegen - unter Umständen auch jahrelang", sagt der Experte. In der Nähe des Eichinger Weihers traf der Karlsfelder auf einen Mann, mit dem er sich vor einigen Jahren geschlagen hatte. Der Angeklagte drohte seinem Widersacher, er könne froh sein, dass es noch hell sei und viele Zeugen da seien - sonst würde er ihn abstechen. Nachdem er kurz nach Hause gegangen war, kehrte er mit einem Messer zurück. Er lief auf den Mann zu und versuchte zweimal, auf ihn einzustechen. Ein Freund des Opfers brachte den Angreifer mit einem Faustschlag zu Boden. Dann flüchtete der Angeklagte.

Einen Tag später nahm die Polizei den Karlsfelder fest, der seither in Untersuchungshaft sitzt. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts München II verurteilte den 33-Jährigen am Mittwoch wegen versuchten Totschlags, Bedrohung und Beleidigung zu vier Jahren Gefängnis. Sein Verteidiger reckte nach der Urteilsverkündung den rechten Daumen hoch und gab sich zufrieden mit dem Strafmaß. Der Angeklagte, ein Mann mit kahl geschorenem Kopf und markantem Gesicht, wirkte erleichtert. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gefordert.

Drohungen und Beleidigungen

Weder sie noch der Vorsitzende Richter Thomas Bott bezweifelten, dass sich die Tat so abgespielt hatte, wie eingangs geschildert. Der Angeklagte beleidigte und bedrohte seinen Kontrahenten, auf den er immer noch wütend war. Er holte das Messer und wollte auf ihn einstechen. Das Opfer war da bereits vor dem "unberechenbaren" Angeklagten gewarnt worden und bewaffnete sich mit einem Holzknüppel. Den Messerattacken konnte er ausweichen. Der Mann blieb unverletzt.

Den Angriff hatte der Karlsfelder zum Prozessauftakt vor zwei Wochen über seinen Verteidiger bereits eingeräumt. Der allerdings verwies auf die Alkohol- und Drogensucht seines Mandanten, die für die Tat mitverantwortlich seien. Die Stichbewegungen hätten zudem nur dem Arm des Opfers gegolten und der Abstand zum Geschädigten sei zu groß gewesen, um diesen ernsthaft zu verletzen. Er plädierte auf versuchte, gefährliche Körperverletzung und eine Haftstrafe von maximal drei Jahren.

Schwere Kindheit

Der 33-Jährige folgt den Ausführungen fast regungslos. Vor Gericht wird über seine schwere Kindheit gesprochen. Als er vier Jahre alt war, starb sein Vater bei einem Arbeitsunfall. Die Mutter war arbeitslos, trank viel Alkohol und wurde psychisch krank. Der Karlsfelder lebte, bis er 15 war, in verschiedenen Kinderheimen und ging auf eine Sonderschule. Eine Berufsausbildung brach er ab. Mit 18 Jahren wurde sein Alkoholkonsum immer schlimmer, es kamen harte Drogen hinzu, auch Heroin. Der Gutachter betont jedoch, dass der Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten nicht in Verbindung mit der Tat stehe. Vielmehr leide der Angeklagte unter einer schwer ausgeprägten "kombinierten Persönlichkeitsstörung" mit paranoiden und dissozialen Verhaltensmustern. Die Störung führe dazu, dass er Frustrationen, Rückschläge, Missachtungen oder Beleidigungen nicht kompensieren könne. Er sei "beharrlich und streitsüchtig", sagt der Gutachter, es könne immer wieder zu Gewaltausbrüchen kommen. Schon oft hat sich der Mann geprügelt, wovon Narben auf seinem Körper zeugen. Eine Frau hat er gestalkt. Ein Bekannter des Angeklagten sagt aus, dass der Mann immer ein Messer mit sich herumgetragen habe. Sie nannten ihn deshalb den "Schlitzer".

Richter Thomas Bott lässt keinen Zweifel daran, dass die Messerattacken lebensbedrohlich waren. Die Tatwaffe sei für einen tödlichen Angriff geeignet gewesen. "Küchenmesser kommen bei Tötungen sehr oft vor", sagt der Richter. Zu Gute legt er dem Karlsfelder, dass sein Opfer nicht verletzt wurde und die Tat weit weg von einer tödlichen Vollendung gewesen sei. Meist könne bei solchen Angriffen nur ein Notarzt das Leben des Opfers noch retten.

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