Gerhard Polt in Schwabhausen:Die Krönung

Trampelnde Füße, stürmische Ovationen. Gleich zum Auftakt des Kabarettrogramms im Postwirt erlebte das Publikum ein Highlight.

Wolfgang Eitler

Um im Bild von Gerhard Polt bleiben: Die Geschichte reicht tatsächlich überraschend weit zurück. Im Treppenhaus des Gasthofs zur Post in Schwabhausen zunächst nur in die letzten fünf Jahre Kleinkunst, wie sie die liebevoll gerahmten Plakate von Andreas Giebel über Kellnerin Monique alias Monika Gruber zu Fonsi und den Wellküren dokumentieren. Aber der Aufgang löst auch Erinnerungen an eine Zeit aus, in der solche Säle wie in der Postwirtschaft die kulturellen Mittelpunkte einer Gemeinde waren und nicht jene betonklotzartigen, leblosen Mehrzweckhallen ohne jede Akustik.

Gerhard Polt in Schwabhausen: Gerhard Polt gibt sich vor dem amüsierten Publikum im Postwirt als Antifußgänger und Autofreund. 628 PS müssen es schon sein. Ein "Passing Avoid System" braucht's aber nicht unbedingt.
npj/Foto: Jørgensen

Gerhard Polt gibt sich vor dem amüsierten Publikum im Postwirt als Antifußgänger und Autofreund. 628 PS müssen es schon sein. Ein "Passing Avoid System" braucht's aber nicht unbedingt.

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(Foto: DAH)

Den Besucher in Schwabhausen empfängt ein Raum mit einer Art Tonnengewölbe aus Holz und einer Bühne, die eine Stoffumrandung aus Gold und Rot zu einem Guckkasten verkleinert. In dem breiten Saal wirkt sie wie ein Kasperltheater und ist ideal für Gerhard Polt, weil der eh die Ereignisse der Welt auf Realformat stutzt. Später am Sonntagabend erhält die Bühne ihre wahre Bestimmung samt Ornat in Rotgold. Gerhard Polt imitierte Papst Benedikt. In den Singsang aus scheinbar lateinischem Vokabular mischen sich die Reizworte des Missbrauchsskandals (Etall oder Mixa). Polt hat Recht, wenn er sagt, dass man den Text nicht verstehen muss. Der Tonfall reicht aus, um den Charakter des Papstes zu erfassen. Hinter einer weichen Schale steckt ein knallharter Kern.

Zu dem Zeitpunkt ist das Publikum schon völlig aus dem Häuschen. Ein Mann ruft, als wäre er eine Figur aus einem Text von Polt, "Wahnsinn, Wahnsinn" und fragt seine Begleiterin, ohne Atem zu holen: "Mogst a no a Bier." Eine Zuhörerin hat entweder nicht bekommen, dass es in Bayern seit neuestem ein Rauchverbot gibt. Oder sie fühlt sich einsam. Sie läuft vor Beginn des Auftritts durch den Raum und wundert sich: "Raucht denn hier niemand mehr?"

Für Wirt Heinrich Kellerer war Polt der Höhepunkt seiner fünfjährigen Tätigkeit als Organisator der Kleinkunstbühne von Schwabhausen, die ihre Zuhörer nicht nur aus dem Landkreis Dachau, sondern nach den Autokennzeichen aus Aichach, Fürstenfeldbruck und Augsburg anzieht. Lässig, auf einem Barhocker sitzend begrüßt Kellerer die 320 Zuhörer (mehr dürfen nicht rein) und hofft, dass es das ganze Jahr so weiter geht. Dass Michael Well von den Biermösl Blosn ihm dieses Gastspiel vermittelte, merkt er mit Stolz an. Denn sein Ziel ist es, eine Kleinkunstbühne zu schaffen, zu der die Zuhörer auch aus einer gewissen Sympathie für den Ort kommen, das eine oder andere Experiment mitmachen und nicht nur bei den ganz Großen wie Polt um Karten anstehen.

Insofern ist Polts Auftritt zu Beginn des Jahres ein verdammt früher Höhepunkt. Denn eines braucht der Kabarettist sicher nicht, ein Päsing awoid Sssistäm ("Passing avoid system") wie sein bekennender Antifußgänger und Autofreund es für sein neues 628 PS starkes Fahrzeug bestellt. Die neueste Elektronik soll jedem Autofahrer klar machen, "dass hinter mir noch genügend Raum ist." Wer könnte Polt übertreffen? Mehrere Zugaben in Schwabhausen, rhythmischer Applaus, Bravo-Rufe, trampelnde Füße und lachende Gesichter. Er und Dieter Hildebrandt sind gleichauf. Bei dessen Lesung Anfang vergangenen Jahres stand das Publikum sogar zur stehenden Ovation auf. Hinter den beiden ist noch viel Platz von Lisa Fitz bis Christ Boettcher und viele andere.

Die weiteren Termine: Sabine Mutschler "Männer und andere Irrtümer", Samstag, 22. Januar; Schachermuih-Musikanten, 2. Februar; Lisa Fitz, 20. Februar; Rudi Zapf & Zapf'nstreich, 20. März; Chris Boettcher, 10. April; Mathias Tretter, 15. Mai; Sauglocknläutn, 16. September; Han's Klaffl, 2. Oktober; Nadja Maleh, 5. November; Michael Lerchenberg und Marlena Eberwein, 15. Dezember.

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