Geplantes Studentenwohnheim:"Dieses Vorhaben ist ein Politikum ersten Ranges"

Dachau

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Hans Hartl, einst umstrittener Politiker, will nach 20-jähriger Abwesenheit in Dachau ein internationales Studentenwohnheim bauen. Im Gespräch mit der SZ erläutert er, warum diese Idee mehr sein soll als der Versuch, ein problematisches Grundstück attraktiv zu machen.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die Wohnung im Münchner Stadtteil Bogenhausen erinnert wegen des Biedermeierstils der Einrichtung noch an die frühere zweistöckige Residenz von Hans Hartl in der Dachauer Mittermayerstraße. Dort lebte der bald 70-jährige Rechtsanwalt, ehemalige Landtagsabgeordnete und umstrittene SPD-Kommunalpolitiker, der seine Partei von einer Zerreißprobe in die andere schickte, bis zu seinem vollständigen Rückzug aus der Öffentlichkeit. Ein Grund war sicherlich das Insolvenzverfahren für seine sämtlichen Bauträger-Gesellschaften vor ungefähr 15 Jahren. Rückblickend sagt Hartl: "Es gibt im Leben immer wieder Brüche." Bei dieser Andeutung will er es belassen. Sein neues Unternehmen trägt den Titel GWS-Immobilien GmbH. Er hält die Mehrheit der Anteile von 51 Prozent. Zweite Inhaberin mit 49 Prozent ist Helene Schuster, die ehemalige Frau von Bauträger Josef Schuster aus Markt Indersdorf, eines engen Weggefährten Hartls in den achtziger und neunziger Jahren. Sie war die vergangenen zehn Jahre die Lebensgefährtin von Hans Hartl. Ihm wäre es am liebsten gewesen, die Grundstücke an der Dachauer Karwendelstraße zu verkaufen; jetzt aber hat sich Hartl entschlossen, darauf ein internationales Studentenwohnheim zu errichten. Er sagt, dies sei "im Sinne des Lernorts Dachau".

SZ: Die Idee eines internationalen Studentenwohnheims in Dachau ist eine sehr anspruchsvolle. Was treibt Sie an?

Hans Hartl: Dachau ist ein internationaler Standort auf der Welt. Wir Dachauer haben das Problem, dass wir die schöne alte Stadt lieben. Auf der anderen Seite haben wir durch die Ereignisse im sogenannten Dritten Reich das historische Vermächtnis. Wir müssen einen Ausgleich finden. Alt-Oberbürgermeister Lorenz Reitmeier hat es versucht, indem er Landschaftsbilder aus der Dachauer Zeit der Künstlerkolonie sammelte.

Geplantes Studentenwohnheim: Das Modell: Im Quader links soll ein Hotel mit 46 Betten entstehen. Die übrigen Baukörper will Hans Hartl für Studenten reservieren.

Das Modell: Im Quader links soll ein Hotel mit 46 Betten entstehen. Die übrigen Baukörper will Hans Hartl für Studenten reservieren.

(Foto: oh)

Fühlen Sie sich noch als Dachauer?

Also, ich habe Dachau vor 20 Jahren verlassen. Es gibt so Sprüche wie von Arnold Schwarzenegger: "Einmal Steirer, immer Steirer." Diese Sprüche würde ich für mich nicht gelten lassen. Ich lebe seit circa zehn Jahren in Paris und München und pendle zwischen den beiden Städten hin und her. In Paris habe ich eine schöne Zwei-Zimmer-Wohnung mit Blick auf Nôtre-Dame de Paris, und immer wenn ich ausschlafen will, dann fahre ich nach Paris.

Und nun zu Dachau.

Wir haben die andere Seite von Dachau. Sie kennen den Spruch von Ludwig Thoma: "Am schönsten war es doch in Dachau." Wenn Sie diesen Spruch als solchen isoliert nehmen und ihn einem ehemaligen Häftling des Konzentrationslagers mitteilen, dann wird er zutiefst verletzt sein.

Aber meine Frage war: Fühlen Sie sich immer noch als Dachauer?

Ich habe solange in Dachau gewohnt, ich bin in Markt Indersdorf aufgewachsen, habe hier sehr viel schöne Erlebnisse gehabt, aber eigentlich fühle ich mich, wenn ich das so vermessen sagen darf, als Weltbürger.

Nun werden Sie in Dachau wieder aktiv.

Ich hätte das Grundstück gerne verkauft. Aber ich habe nicht den Abnehmer gefunden. Es gibt ein englisches Sprichwort: If you have a lemon, make a lemonade." Ich habe dieses Großprojekt aufgedröselt in ein kleines Hotel und in die Studentenwohnungen.

Das von Ihnen selbst in Auftrag gegebene Gutachten bezweifelt allerdings, ob Dachau ein idealer Standort für Studentenwohnungen ist.

So stimmt es nicht. Der Standort ist mit dem Fahrrad gerade mal sieben Minuten Fahrweg vom S-Bahnhof entfernt. Das Gutachten sagt zwar, dass es wegen der Universität in München idealere Standorte gäbe, aber weil der Bedarf so groß sei, sei ein Standort in Dachau durchaus gerechtfertigt. Es fehlen in München 17 000 Studentenwohnungen. 5000 werden in der Region gebaut. Der Bedarf ist da.

Abgesehen von diesen wirtschaftlichen Überlegungen streben Sie ein internationales Studentenwohnheim an. Was soll es leisten? Anders gefragt: Warum ist die Idee mehr als Marketing, um das Vorhaben zu bewerben?

Dr. Hans Hartl

Der Ex-Dachauer Hans Hartl lebt wahlweise in Paris und in München. In der Landeshauptstadt unterhält er in Bogenhausen eine Rechtsanwaltskanzlei.

(Foto: oh)

Ich glaube, dass dieses Vorhaben ein Politikum ersten Ranges ist, wenn 200 Leute aus der ganzen Welt nach Dachau kommen und durchschnittlich eineinhalb Jahre dort wohnen und den Alltag mit den Dachauern teilen.

Warum gehen Sie davon aus, dass die jungen Leute aus der ganzen Welt anreisen werden? Deutsche Studenten haben doch die Probleme, eine Unterkunft zu finden.

Langsam. Deutsche Studenten sollen nicht ausgegrenzt werden. Das Haus ist für alle offen. Denn ich möchte den internationalen Austausch, die Begegnung forcieren. Und ich werde die Appartements in der ganzen Welt ausschreiben. Ich werde auch eine Stiftung initiieren, die von mir unabhängig ist, wo jeweils sieben Studenten in Dachau Bürger auf Zeit werden und in den Appartements umsonst wohnen können. Ich werde die Zusammenarbeit auch mit Israel suchen.

Das Angebot richtet sich an jüdische Studenten?

Es bietet sich an, aus dem Versöhnungsgedanken heraus, Hochschulen und Universitäten in Israel die Wohnmöglichkeiten anzubieten. Das alles wird sich entwickeln.

Sie planen die Anlage für Studenten als ein Haus der Begegnung?

Ich betone, dass keine Konkurrenz zum Jugendgästehaus entstehen wird. Sondern dass es eine Ergänzung darstellen wird, weil unser Ansatz ein völlig anderer ist. Die Studenten kommen nach Dachau vor allem wegen des Studiums in München und werden automatisch mit der Zeitgeschichte konfrontiert.

Haben Sie mit Dachauer Stadträten über die Idee schon gesprochen?

In vielen Schreiben habe ich diesen Aspekt der Stadt mitgeteilt.

Wie war die Resonanz?

Ich glaube, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis man diese Idee erkennt. Also, ich möchte keinerlei Kritik üben. Die Idee ist nicht ganz einfach. Ich habe alle Unterlagen dem Oberbürgermeister Florian Hartmann, der Stadtverwaltung und den Stadträten zugesandt. Die Entscheidung darüber liegt bei der Großen Kreisstadt.

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