Gemäldegalerie Dachau:Die sanften Maler

In der Sonderausstellung der Gemäldegalerie über die Künstlerkolonie Schwaan in Mecklenburg zeigt Kuratorin Elisabeth Boser, dass das Licht das zentrale Thema der europäischen Freilichtmalerei war.

Wolfgang Eitler

- Jetzt also Schwaan. Nach Hiddensee oder Schreiberhau, nach Worpswede oder Oosterbeek und Tervuren, nach zwölf Ausstellungen, welche ehemalige europäische Künstlerkolonien in dem wunderbaren Galerieraum für Sonderausstellung in der Dachauer Gemäldegalerie dokumentierten, zeigt Kuratorin und Leiterin Elisabeth Boser unbekannte Maler aus dem Norden Deutschlands. Wie so viele andere, die sich zwischen den beiden Weltkriegen existenziell behaupten wollten, sind sie unverdientermaßen vergessen oder verschollen.

Bei dieser Ausstellung, die an diesem Donnerstag eröffnet wird, ist Kuratorin Boser ganz in ihrem Element der Kunst des 19. Jahrhunderts. Sie befindet sich inmitten der Geschichte der Freilichtmalerei bis hinein in den Beginn des 20. Jahrhunderts und breitet deren Horizont in Werken und historischen Dokumenten aus. Dann schwärmt sie von dem unterschiedlichen Licht in den Landschaften zwischen dem französischen Barbizon und den skandinavischen Weiten. Dann skizziert sie mit Worten das Dachauer Licht, dessen besondere Strahlkraft sich aus Gegensatz des Himmels in teils harten Blautönen und den erdigen Farben der Mooslandschaft ergibt. Dann betrachtet sie die Bilder von Franz Bunke oder Rudolf Bartels aus der Künstlerkolonie Schwaan und entdeckt in ihnen eine "Sanftheit" der Farben und damit des Lichts, wie es nirgendwo sonst so möglich gewesen wäre als eben dort oben in Schwaan.

Alle europäischen Freilichtmalerei verfolgten die eine Idee: das Malen nach der Natur; nicht als realistische Abbildung, sondern als Transformation in Stimmungen. In Bosers Sinne könnte man die Ausstellung mit dem Titel "Die Sanften Maler" überschreiben. Die Kuratorin ist fasziniert von Rudolf Bartels, der sich einerseits an den Jugendstil anlehnt und Landschaften zu Ornamenten organisiert. Andererseits hat er mit seinem Lehrer Franz Bunke eben diese Gedämpftheit der Farben gemeinsam. Selbst dann noch, wenn er die Winterszenen zu einem Farbspiel in Blau verwandelt. Seine Art der Malerei mit dem Spachtel und ineinander verschobenen Flächen empfindet Boser als besonders faszinierend. Bartels malt in ihren Augen nicht: "Er webt die Farben zu Landschaften." Radikaler noch als er arbeitete Erich Venzmer in dieser Stilrichtung.

Diese drei Künstler zählten zu den herausragenden Vertretern der Künstlerkolonie Schwaan. Zwischen ihnen und Dachau lassen sich durchaus historische Bezüge finden. Wolfgang, der Sohn von Erich Venzmer, war einer der maßgeblichen Biografen des Dachauer Malers und Mitbegründers der abstrakten Kunst, Adolf Hölzel. Der unterrichtete eine Schülerin aus Schwaan an seiner Dachauer Malschule. In einem Brief an Bunke berichtete sie von den Problemen, die sie mit ihrem Lehrer hatte. Bunke zeigte Verständnis. Er hätte ihr schon bei ihrer Abreise aus Schwaan sagen können, dass Hölzel für sie ein schwieriger Lehrer sein werde, antwortet er ihr. Aber immerhin wird deutlich: Man kannte sich. Verwunderlich ist das nicht, denn die Künstlerkolonien damals in ganz Europa wussten voneinander. Beide, Bunke wie Hölzel, waren überregional beachtete Künstler und zugleich Professoren an Kunstakademien.

Trotzdem war Schwaan ein Ausnahmeort unter den Künstlerkolonien. Denn die wesentlichen Maler waren in dem Ort geboren, der 30 Kilometer von Rostock entfernt liegt und von zwei Flüssen umsäumt wird. Elisabeth Boser besuchte Schwaan oben in Mecklenburg und ist von dessen idyllischen Charakter begeistert. Der Leiter des dortigen Museums, "Kunstmühle" genannt, Heiko Brunner, wird auf der Vernissage in Dachau in die damalige Zeit einführen. Er wird aufzeigen, wie sich ein kleiner Kreis um Franz Bunke bildete, die sich der Tradition der Freilichtmalerei verpflichtet fühlten. Und er wird auch die Schicksale eines Rudolf Bartels oder Alfred Heinsohns schildern. Der eine starb verarmt in Rostock. Der andere nahm sich 1927 in Berlin das Leben und hinterließ ein ungewöhnliches Werk. Alfred Heinsohn wird außerhalb Schwaans eben erst wieder entdeckt. Bis vor kurzem konnte man Bilder von ihm auf dem Flohmarkt für ein paar Euro ersteigern. Jetzt wird er ernsthaft gesammelt. Er ist der Ungestüme unter den Malern gewesen, vielleicht sogar der modernste.

"Schwaan, eine Künstlerkolonie in Mecklenburg", Gemäldegalerie Dachau, Sonderausstellung, Vernissage am Donnerstag, 25. Oktober, 19.30 Uhr. Die Ausstellung läuft vom Freitag, 26. Oktober, bis Sonntag, 7. April 2013. Dienstag bis Freitag 11 Uhr bis 17 Uhr. Sonntag 13 bis 17 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

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