Gelegenheitsdiebstahl oder gemeinsamer Plan:Smartphone auf der Wiesn geklaut

Taschendieb auf dem Oktoberfest in München, 2013

Zivilfahnder sollen Taschendiebstähle auf dem Oktoberfest verhindern. Das Dachauer Volksfest gilt als sicher.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Amtsgericht muss klären, ob Bandenkriminalität vorliegt

Von Benjamin Emonts, Dachau

Der wichtigste Zeuge im Prozess am Dachauer Schöffengericht reiste aus der Bundeshauptstadt Berlin an. Der 38-jährige Polizeibeamte sei seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 "Taschendiebstahlsfahnder", wie er dem Gericht erläutert. Im vergangenen Jahr sei er bereits zum achten Mal auf das Münchner Oktoberfest gekommen, um seine Kollegen aus Bayern bei der Arbeit zu unterstützen. Auf sein geschultes Auge konnte er sich offenbar verlassen. Auf dem Weg aus dem Bierzelt beobachtete er drei Asylsuchende bei mehreren Versuchen, Wertgegenstände aus Taschen zu stehlen. Nun müssen sich die drei Männer wegen schwerem Bandendiebstahl vor dem Amtsgericht Dachau verantworten.

Zwei der Männer, beide 27 Jahre alt, stammen aus dem Iran und leben in einer Unterkunft in Herrsching. Am 24. September des vergangenen Jahres treffen sie am Münchner Hauptbahnhof auf einen 20-jährigen Flüchtling aus Afghanistan, der in Haimhausen im Landkreis Dachau untergebracht ist. Die Männer kommen ins Gespräch, sie verstehen sich auf Anhieb gut. Leicht angetrunken gehen sie zum Münchner Oktoberfest. Zu diesem Zeitpunkt, so wirft es ihnen die Staatsanwaltschaft München II vor, sollen die Männer bereits den Plan gefasst haben, andere zu bestehlen, "um sich eine Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen".

Einer der drei Männer ist im Schottenhamel-Zelt sofort erfolgreich und entwendet im Trubel ein wertvolles Smartphone aus der Tasche einer tanzenden Frau. Ungefähr zehn Minuten später, gegen 22.40 Uhr, sind die Männer im Hofbräu-Zelt unterwegs. Die Gäste verlassen in Strömen das Zelt. Mittendrin unternimmt der Smartphone-Dieb mehrere vergebliche Versuche, aus Hand- und Hosentaschen Wertgegenstände zu klauen. Der Berliner Fahnder hat ihn dabei längst im Blick. Nach einem erneuten Diebstahlsversuch außerhalb des Zelts werden der Iraner und seine zwei Begleiter schließlich festgenommen und auf der Wiesn-Wache durchsucht. Die Polizeibeamten finden das gestohlene Handy, fünf Biermarken aus Plastik und 45 Euro zusammengeknüllt in der Geldbörse des Mannes. Die beiden anderen Männer tragen nichts Auffälliges mit sich.

Während der Hauptbeschuldigte vor Gericht die Schuld auf sich nimmt, behaupten die anderen Männer, nichts von alledem mitbekommen zu haben. Der Experte aus Berlin hält das für eine Lüge. "Man hat einen Blick dafür", sagt er. "Die haben sich verbal oder mit Blicken verständigt. Es ist ausgeschlossen, dass die nichts davon mitbekommen haben. Die haben das nicht zum ersten Mal gemacht. Jeder wusste genau, wie er sich zu bewegen hat."

Die Masche wäre zumindest nicht neu. Der Berliner Polizist schildert, dass zwei der Männer die Zielpersonen immer angetanzt oder abgelenkt hätten, während der andere gezielt an die Taschen gegriffen habe. "Es funktioniert immer ähnlich. Einer rempelt an, der andere greift an die Tasche. Es geht eigentlich immer um Ablenkung", sagt auch Wolfgang Behr, Pressesprecher des Polizeipräsidiums München. Bei jedem Oktoberfest bekomme die hiesige Polizei Unterstützung von Taschendiebstahlsfahndern aus der ganzen Welt. Der Austausch auf internationaler Ebene sei völlig normal. Die Zivilfahnder halten sich überall dort in der Stadt auf, wo das Touristenaufkommen besonders groß ist. Auf dem Oktoberfest seien über die Woche verteilt 20 Fahnder unterwegs, die ausschließlich auf Taschendiebstähle achteten. Registriert wurden auf der vergangenen Wiesn insgesamt 227 angezeigte Fälle, was im Vergleich zum Vorjahr 2015 einem Rückgang von 38 Prozent entspricht. "Es ist nicht unbedingt eine gute Idee, bei uns am Oktoberfest als Taschendieb tätig zu werden", sagt Polizeisprecher Behr.

Bevor am 11. Juli ein Urteil im Prozess am Dachauer Amtsgericht gesprochen wird, sollen zwei weitere Zeugen gehört werden. Es geht um die Frage, ob der Smartphone-Dieb Hilfe von den beiden anderen Männern hatte. Nur dann handelt es sich um Bandenkriminalität. Beim Volksfest in Dachau, das am 12. August beginnt, dürfte sich die Gefahr in Grenzen halten. Im Jahr 2016 registrierte die Wiesn-Wache einen einzigen Handtaschen-Diebstahl am Kinderkarussell.

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