Gegen Rassismus:Dachauer sollen Zivilcourage zeigen

Ein breites politisches Bündnis startet eine Anti-Rassismus-Kampagne, auch um rechtsextreme Vorfälle beim Dachauer Volksfest zu verhindern.

Von Marco Fieber

Rechtsradikale attackierten Dachauer Jugendliche schon mehrmals lautstark auf der Langen Tafel der Geschäfte der Münchner Straße oder auf dem Dachauer Volksfest. Teilweise wurden sie handgreiflich. Auf dem Dachauer Volksfest trafen sich über die Jahre immer wieder Mitglieder der Münchner Rechtsrockband Feldherren samt deren Anhang und in einschlägiger Kleidung. Diese rechtsextremen Vorfälle sind Beispiele, welche die Mitglieder des Runden Tischs gegen Rassismus in ihrer Broschüre auflisten. Die Initiative besteht seit dem Frühjahr und tritt jetzt mit dem Slogan an die Öffentlichkeit: "Kein Platz für Rassismus - Dachauer zeigen Zivilcourage".

Ende 2013 wurde im Briefkasten des selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentrums Freiraum ein Päckchen mit der Aufschrift "Letzte Warnung" gefunden. Darin befand sich ein Tierorgan. Außerdem wurde die Fassade des Freiraums im Februar 2014 mit etlichen Hakenkreuzen und Parolen beschmiert, darunter Worte wie "Judenschweine", "NSU", "White Power" oder Sätze wie: "Wir kriegen euch alle". Deshalb rief der Freiraum Anfang des Jahres zu einem Runden Tisch auf, an dem sich zahlreiche gesellschaftliche und politische Gruppierungen und Institutionen der Stadt beteiligen. Die Schirmherrschaft hat Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) übernommen.

Im Vorfeld des am 9. August beginnenden Volksfestes initiierte das breite zivilgesellschaftliche Bündnis zusammen mit den Wirten aller fünf Volksfestzelte eine erste gemeinsame Kampagne. "Es geht nicht darum eine Gesinnung an sich zu verbieten, sondern sich damit auseinander zu setzen", erklärt SPD-Stadtrat Sören Schneider. Die Aktion soll als Präventivmaßnahme gesehen werden, "damit bereits frühzeitig reagiert werden kann", wie es Schneider formuliert.

Die Kampagne richtet sich zunächst einmal an die Geschäftsinhaber und vor allem an die Gastronomen in Dachau. Sie haben ab sofort die Möglichkeit, sich dem Statement "Wir werden diese Leute nicht bedienen" anzuschließen. Damit würden sie ein Zeichen setzen, dass sie rassistische Propagandain ihren Lokalen nicht dulden. Für die Wirte soll zudem ein Dossier erstellt werden, das ihnen Hilfestellungen gibt bei der Identifizierung von einschlägiger Kleidung, Codes und Werbematerial. Außerdem sollen ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzeigt werden. Vorbild sind ähnliche Initiativen in Nürnberg und Regensburg.

Darüber hinaus bezieht die Dachauer Initiative auch Stellung gegen den in Deutschland aufkommenden Antisemitismus. Dass dies vor allem in diesen Tagen bitter nötig ist, betont die Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau in einer Pressemitteilung am Samstag. Sie ist Mitinitiatorin der Kampagne und protestiert "gegen den aktuell in Deutschland virulenten Judenhass". Sie ruft zur Solidarität mit diffamierten und bedrohten jüdischen Mitbürgern auf.

Als die Münchner Holocaust-Überlebende Ruth Meros vor Monaten ihre Mitwirkung für ein Zeitzeugengespräch am Montag, 28. Juli, in der Versöhnungskirche zusagte, fühlte sie sich in ihrer Heimatstadt noch wohl. Doch seit dort und in anderen Orten Deutschlands bei Demonstrationen gegen den Nahost-Konflikt Hassparolen wie "Jude, Jude, feiges Schwein" oder "Juden ins Gas" gerufen und als Juden erkennbare Passanten und Gegendemonstranten attackiert werden, hat die 92-Jährige Angst. Die Vergangenheit droht sie einzuholen. Denn Ruth musste beim Novemberpogrom 1938 miterleben, wie ihr Vater Emil Goldschmidt verhaftet und ins KZ Dachau verschleppt wurde und wie die Alte Synagoge Ohel Jakob brannte. Während mehrere Verwandte von den Nazis ermordet wurden, konnte sie nach Palästina fliehen. Mit Mann und Tochter kehrte sie 1963 schließlich nach München zurück.

Das Team um Pfarrer Björn Mensing äußerte sich in der Pressemitteilung "schockiert über den jetzt wieder offen geäußerten Judenhass in Deutschland, der berechtigte Kritik am Gaza-Krieg instrumentalisiert." Deshalb biete das Zeitzeugengespräch mit Roth Meros eine Möglichkeit, Solidarität zu üben.

Das Zeitzeugengespräch mit Ruth Meros findet an diesem Montag, 28. Juli, um 19.30 Uhr in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau statt.

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