Gegen das Vergessen:Gedenken in Frankreich

Gegen das Vergessen: Das von den Nazis zerstörte Dorf wurde nicht mehr aufgebaut. Es wird als Mahnmal erhalten.

Das von den Nazis zerstörte Dorf wurde nicht mehr aufgebaut. Es wird als Mahnmal erhalten.

(Foto: Olivier Laban-Mattei/AFP)

Mehrere Dachauer machen sich auf den Weg nach Oradour, um an das NS-Kriegsverbrechen vor 73 Jahren zu erinnern

Von Susanne Schröder-Bergen, Dachau

Jedes Jahr im Juni wird im französischen Dorf Oradour-sur-Glane des Massakers gedacht, das dort 1944 von SS-Truppen verübt wurde. Am 10. Juni vor 73 Jahren ermordete die deutsche Waffen-SS fast alle Einwohner des Dorfes und zerstörte es komplett. An der Gedenkfeier nehmen seit einigen Jahren regelmäßig auch Dachauer teil. In diesem Jahr reisen gleich mehrere Gruppen an.

Lange Zeit wurde des Verbrechens, bei dem die Nazis als Vergeltungsaktion gegen die Erfolge der französischen Resistance 642 Männer, Frauen und Kinder grausam ermordeten, nur innerhalb Frankreichs gedacht. Doch der Dachauer CSU-Bundestagsabgeordneten Gerda Hasselfeldt lag die Aufarbeitung der Vergangenheit am Herzen. Vor zehn Jahren knüpfte sie daher eine Verbindung zum französischen Ort. Seit der ersten Begegnung 2007 hat sich zwischen der deutschen Delegation und der aus Oradour eine Freundschaft entwickelt. Hasselfeldt machte den Ort bekannt. Somit ist es letztlich auch ihr zu verdanken, dass 2013 der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck und sein Amtskollege François Hollande in den Resten des zerstörten Dorfes des Kriegsverbrechens gedachten. In diesem Jahr wird Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron zur Gedenkfeier anreisen.

Hasselfeldt fährt in diesem Juni zum vierten Mal selbst mit nach Oradour. Sie reist zusammen mit Dachaus dritter Bürgermeisterin Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU) zur Gedenkfeier. In ihrem Auftrag wird am Samstag ein bayerisch-französisches Abendessen organisiert.

Als offizieller Vertreter der Stadt Dachau wird dieses Jahr Dachaus zweiter Bürgermeister Kai Kühnel (Bündnis), in den kleinen Ort im Zentralmassiv entsendet. Seine Fraktionskollegin Sabine Geißler begleitet ihn.

Auch Stadtrat Wolfgang Moll (parteilos) hat in seiner Rolle als Referent für Tourismus und Städtepartnerschaften aus Oradour eine Einladung erhalten. Er nutzt seinen Aufenthalt neben der Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen zum Planen des europäischen Wochenendes der Jugend und Freundschaft, das vom 1. bis zum 3. September in Oradour stattfindet. Dort werden Dachauer Sportvereine im Basketball und Radsport vertreten sein. Neben den Gästen aus Dachau sind Delegationen aus Mittelfranken und dem Elsass geladen. Mit den Elsässern verbinden die Bewohner Oradours ebenso eine schwierige Vergangenheit. Auch deutsche Soldaten aus dem Elsass waren am Massaker beteiligt. Sie wurden nach dem Krieg freigesprochen - ein herber Schlag für die Überlebenden von Oradour, erklärt Kühnel. Dachau und Oradour verbindet seit rund sieben Jahren eine Freundschaft. Eine offizielle Städtepartnerschaft ist aber nicht in Aussicht. Die Dachauer Stadträte lehnten dies zuletzt ab, auch weil die Orte so unterschiedlich groß seien. Oradour hat heute nur etwa 2500 Einwohner. Beide Orte sind geprägt von den Gräueltaten des Nationalsozialismus, der Aufarbeitung und des Gedenkens an die NS-Geschichte.

Dass heuer drei Delegationen aus Dachau nach Oradour fahren, mag überraschen. Offiziell von Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) beauftragt ist nur Kühnel. Elisabeth Heegewaldt, die persönliche Referentin Gerda Hasselfeldts, sagt aber, dass alle Delegationen am Ort "zusammengeführt" werden sollen. Zum bayerisch-französischen Abendessen sei auch die Delegation aus Mittelfranken eingeladen. Zu dieser pflegen die Oradourer ebenfalls einen engen Kontakt. Eine weitere bayerisch-deutsche Annäherung ist also möglich.

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