Gefahr am Bahnübergang:Die Frage nach der Sicherheit

Nach dem tödlichen Unfall einer 78-jährigen Radlerin am Bahnübergang an der Etzenhausener Straße wird die Ursache des Unglücks überprüft. Der Weg über das Gleis ist nur mit einer Umlaufsperre geschützt

Von Viktoria Großmann, Dachau

Bevor der Zug in den Stadtbahnhof einfährt, ist das Signal der Schranken an der Freisinger Straße zu hören - wenngleich vielleicht für manche zu leise. Dann ist - deutlich lauter - auch die S 2 zu hören, die aus Altomünster einfährt. Auch wenn sie sich nicht mehr durch ein Pfeifen ankündigt. Schließlich kommt die S-Bahn in Sichtweite, zu sehen auch aus einigen Metern Entfernung vor dem Übergang an der Etzenhausener Straße. Die Züge dürfen auf der Strecke 80 Kilometer pro Stunde fahren, kurz bevor sie in den Bahnhof einfahren, sind sie nach Angaben der Polizei, die sich auf die Bahn beruft, noch etwa 60 bis 70 Stundenkilometer schnell.

"Möglicherweise hat sie sich einfach komplett verschätzt"

Am Samstagvormittag erfasste der Zug eine 78 Jahre alte Frau auf ihrem Fahrrad. Die Polizei wartet noch das Gutachten ab, erklärt aber am Montag, sie gehe von einem Unfall aus. Zeugen und auch der Fahrer der S-Bahn hätten die Frau auf dem Rad sehr langsam heranfahren sehen und seien auch wegen ihres ruhigen Fahrens davon ausgegangen, dass sie an den Gleisen stehen bleiben werde, so erklärt Polizeisprecher Roland Itzstein. "Möglicherweise hat sie sich einfach komplett verschätzt."

Gefahr am Bahnübergang: Die S-Bahn nähert sich dem Stadtbahnhof mit etwa 60 Stundenkilometern.

Die S-Bahn nähert sich dem Stadtbahnhof mit etwa 60 Stundenkilometern.

(Foto: Toni Heigl)

Hinter der Entscheidung, wie stark ein Bahnübergang gesichert werden muss, steht, wie Bahnsprecher Bernd Honerkamp erklärt, nicht allein die Bahn. Sondern auch Polizei, Kommunen oder andere, die für Bau und Erhaltung der entsprechenden Straßen und Wege zuständig sind. Bei dieser sogenannten Verkehrsschau wurde trotz des nahen Spielplatzes und eines Altenheims eine einfache Umlaufsperre, wie sie im Bahndeutsch heißt, offenbar als ausreichend erachtet. Als "technisch gesichert" gelten nur Bahnübergänge mit Schranke, wie der für die Autofahrer an der Freisinger Straße. "Etwa die Hälfte der vielleicht 9000 Bahnübergänge in Bayern ist technisch nicht gesichert", sagt Bernd Honerkamp, Bahnsprecher. Vor der Elektrifizierung der Strecke nach Altomünster waren sowohl der Übergang an der Etzenhausener Straße als auch der am Friedhof durch Sperren geschützt, die Radfahrer zum Absteigen zwangen. "Neulich hatte ich es eilig, wollte schnell zum Kindergarten und bin einfach drüber gefahren", sagt eine junge Passantin. "Erst nachher bin ich erschrocken und dachte, ich hab ja gar nicht geschaut." Obwohl an beiden Seiten Schilder anweisen, "Radfahrer absteigen" hält sich - zumindest an diesem Montagvormittag - fast keiner daran. Immerhin bremsen die meisten ab und schauen in beide Richtungen, bevor sie queren. Zwei Frauen, die ihre Hunde spazieren führen, berichten von Kindern, die an den Gittern turnten. Die Strecke sei gut einsehbar, befindet jene der beiden, die am Bahndamm auch wohnt. "Die Leute sind nur zu leichtsinnig. Egal, ob Alte im Rollstuhl oder Junge mit Kinderwagen."

Gefahr am Bahnübergang: Am Weg zum Friedhof wurden die Absperrgitter vor den Gleisen mutwillig entfernt.

Am Weg zum Friedhof wurden die Absperrgitter vor den Gleisen mutwillig entfernt.

(Foto: Toni Heigl)

Weil sich nun die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung mit den Ursachen des Unglücks vom Samstag befasst und nachher die Sicherheit des Übergangs vielleicht neu bewertet oder auch nicht, will sich die Bahn am Montag erst einmal zu gar nichts äußern. Anwohner in Etzenhausen berichten, früher habe der Zug ein Pfeifsignal von sich gegeben. Heute tut er das nicht mehr. Das, sagt Honerkamp, sei nichts, was leichtfertig entschieden werde. Wenn das Eisenbahn-Bundesamt das Signal vorschreibt, dann müssten sich die Schaffner immer daran halten. Dann gelte ein "Pfeifzwang", sagt Honerkamp. "Und zwar auch nachts." Ausschlaggebend für das Tonsignal ist, wie gut die Strecke einsehbar ist. "Natürlich ist das Pfeifen höchst unpopulär bei den Anwohnern", sagt der Bahnsprecher. Doch deren Ärger oder der von Kommunen sei bei diesem Sicherheitsthema nicht ausschlaggebend.

Jemand macht sich selbst den Weg frei und entfernt die Absperrgitter

Eine echte Sicherheitslücke tut sich etwas weiter nördlich an der Bahnlinie auf. Zum großen Ärger der Anwohner wurde der Bahnübergang zwischen Steinkirchen und dem Friedhof nach der Elektrifizierung des Bummerls gesperrt. Anwohner, die diesen Weg gewöhnt waren, müssen nun zum Friedhof durch die Etzenhausener Straße gehen und erreichen ihn über den Eingang an der Prälat-Pfanzelt-Straße. Auch am Friedhof könnten Absperrungen eingerichtet werden - jedoch ist den Baumaßnahmen eine Hauptwasserleitung im Weg. Nun hat sich jemand selbst den Weg frei gemacht und die hohen Absperrgitter an beiden Seiten der Bahngleise entfernt. Für Leichtsinnige ist der Weg frei. Auch hier kommt der Zug aus der Kurve - die Strecke ist weniger einsehbar als an der Etzenhausener Straße. Weder Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), noch Polizei oder Bahn wussten am Montag von dem beschädigten Zaun. Alle drei versprachen, sich darum zu kümmern.

Der Unfall werde auch in der Verwaltung besprochen und die Sicherheit bewertet werden, erklärt Hartmann. Je nach Einschätzung werde man sich dann an die Bahn wenden. "Grundsätzlich ist unser Einfluss aber gering." So hätten zwar immer wieder Radfahrer einen weniger hindernisreichen Übergang an der Etzenhausener Straße gewünscht, doch dass sich die Stadt mit solchen Anliegen in Sicherheitsfragen durchsetze, sei sehr unwahrscheinlich, sagt Hartmann, der damals noch nicht OB war. Polizist Roland Itzstein sagt: "Ganz sicher bekommt man so einen Übergang niemals."

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