Gedenkfeier für ermordete sowjetische Soldaten:Lichtblick in dunkelsten Stunden

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4000 Rotarmisten wurden 1941 und 1942 am "SS-Schießplatz" ermordet - nur einer, Major Karl Meinel, verweigerte die Auslieferung von Kriegsgefangenen

Von Thomas Radlmaier, Hebertshausen

40 Menschen haben bei einer Gedenkfeier an die mehr als 4000 sowjetischen Soldaten erinnert, welche die Nazis in den Jahren 1941 und 1942 auf dem "SS-Schießplatz Hebertshausen" ermordeten. Vertreter aus Politik und Gesellschaft nahmen an der Veranstaltung teil. Die Münchner Generalkonsuln der Russischen Föderation und der Republik Weißrussland legten Kränze nieder.

Der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit hatte die Gedenkfeier anlässlich des Jahrestags des Überfalls auf die Sowjetunion veranstaltet. Am 22. Juni 1941 eröffnete die Wehrmacht den Krieg gegen die Rote Armee. Die Nazis brachten Kriegsgefangene in deutsche Gefangenenlager wie in Moosburg und Memmingen. Unter den inhaftierten Rotarmisten sortierten sie Juden und Kommunisten aus, um sie zu exekutieren. In Dachau tötete die Lager-SS die ersten Opfer im August 1941 im Bunkerhof des Konzentrationslagers. Den Großteil der 4000 Kriegsgefangenen ermordeten die Nazis ab September auf dem "SS-Schießplatz Hebertshausen".

In einer Rede erinnert Mascher an die getöteten Soldaten und den Mut eines Majors des Moosburger Gefangenenlagers. (Foto: Niels Jørgensen)

In ihrer Rede bei der Gedenkfeier wies die Fördervereinsvorsitzende Ulrike Mascher daraufhin, dass es sich bei den Opfern vor allem um junge Männer im Alter von 18 bis 20 Jahren handelte. Sie erwähnte aber auch, dass es selbst in diesen dunkelsten Stunden "Lichtblicke" gegeben habe, wie sie sagt. Sie erzählte die Geschichte von Karl August Meinel. Er war Major im Kriegsgefangenenlager in Moosburg. Aufgrund des sogenannten "Kommisarbefehls" sollte er der Gestapo dabei helfen, jüdische oder kommunistische Kriegsgefangene auszusondern, um sie im Konzentrationslager in Dachau umzubringen. Nachdem die eine Hälfte ausgesonderter Menschen bereits nach Dachau gebracht wurde, sollte der Rest wenig später folgen. "Doch Meinel hat von einem Dolmetscher erfahren, was in Dachau mit den Kriegsgefangenen passiert", sagt Mascher. Das habe er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können und habe daraufhin verhindert, dass die zweite Hälfte der Soldaten ebenfalls nach Dachau deportiert worden sei. Zwar seien viele davon statt im KZ in Dachau in Buchenwald gestorben. Doch 120 Kriegsgefangene hätten die Lager-Hölle überlebt. "Viele sagen ja: Man hat damals nichts machen können. Doch am Beispiel von Major Meinel sieht man, dass man mit persönlicher Zivilcourage halt doch was machen konnte."

Ulrike Mascher, Vorsitzende des Fördervereins für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit: (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nur ein Teil der Namen der sowjetischen Soldaten, welche die Nazis auf dem "SS-Schießplatz Hebertshausen" erschossen, sind bekannt. Wie Mascher berichtet, hat die KZ-Gedenkstätte Dachau nun aber Zugang zu russischen Archiven bekommen. Zusammen mit einem Historiker will man mehr über die Biografien der Opfer erfahren und weitere Namen sowjetischer Soldaten auf dem Gelände eingravieren, um an sie und ihr trauriges Schicksal zu erinnern.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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