Geburtstagsfeier eines Unbeugsamen:Ein Kämpfer für Menschenrechte

Geburtstagsfeier eines Unbeugsamen: Ernst Grube setzt sich unermüdlich für Toleranz und Demokratie ein - auch im 85. Lebensjahr.

Ernst Grube setzt sich unermüdlich für Toleranz und Demokratie ein - auch im 85. Lebensjahr.

(Foto: Niels P. Jörgensen)

Der Holocaust-Überlebende Ernst Grube wird 85 Jahre alt

Von WALTER GIERLICH, Dachau

Er ist inzwischen, 72 Jahre nach Kriegsende und Befreiung von der Nazi-Herrschaft, einer der letzten Überlebenden, der noch von den Schrecken des Holocaust erzählen kann. Am heutigen Mittwoch wird Ernst Grube, der Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau, 85 Jahre alt.

Wenige Wochen nach seiner Geburt im Dezember 1932 kam Adolf Hitler an die Macht. Ernst Grubes Familie - die Mutter jüdische Krankenschwester, der Vater nichtjüdischer Malermeister, der drei Jahre älterer Bruder Werner und die sechs Jahre jüngere Schwester Ruth - hatte bis 1938 in einem Haus neben der Synagoge in der Münchner Innenstadt gewohnt. Als die Nazis im Sommer 1938 das jüdische Gebets- und Versammlungshaus abrissen, mussten die Grubes ihre Wohnung räumen. Da die Eltern in dieser schlimmen Situation nicht wussten wohin, brachten sie die Buben und das Mädchen in ein jüdisches Kinderheim.

1941 wurde das Heim geschlossen, die Grube-Kinder kamen ins Judenlager Milbertshofen, von dem aus die Deportationszüge in die Vernichtungslager im Osten fuhren. Dank ihres nichtjüdischen Vaters konnten die drei Geschwister 1943 zu den Eltern zurückkehren. In eine Schule aber durften sie nicht gehen, sie lebten ausgegrenzt in Angst und Unsicherheit über die Zukunft. Im Februar 1945 wurden die Mutter und die Kinder, inzwischen 15, zwölf und sechs Jahre alt, ins Ghetto Theresienstadt bei Prag deportiert, wo sie im Mai von der Roten Armee befreit wurden.

Als Grube nach München zurückkommt, kann er endlich die Schule besuchen und dann beim Vater eine Ausbildung als Maler machen. Er engagiert sich in der Gewerkschaftsjugend, tritt in die KPD ein ("Schon seit frühester Jugend hatte ich eine emotionale Nähe zu der Partei"), geht gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik auf die Straße. Zweimal landet er im Gefängnis. Das erste Mal für sieben Monate wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Dann, nach dem KPD-Verbot, für zwölf Monate wegen Staatsgefährdung. Danach setzt sich Grube in der Friedensbewegung ein, bei den Ostermärschen, gegen die Notstandsgesetze. Er wird Malermeister, eröffnet seinen eigenen Betrieb, holt das Abitur nach und wird Berufsschullehrer. Beinahe wäre er 1974 Opfer des sogenannten Radikalenerlasses geworden, doch in der entscheidenden Anhörung legt er seinen Judenstern auf den Tisch und darf weiter unterrichten.

Seit den Achtzigerjahren engagiert er sich in Dachau, im Förderverein für internationale Jugendbegegnung, in der Lagergemeinschaft und am runden Tisch gegen Rassismus. Wegen seines Einsatzes bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) gerät Grube sogar in den bayerischen Verfassungsschutzbericht, aus dem er 2011 erst auf heftigen öffentlichen Protest wieder gestrichen wird. Nach dem Tod des Auschwitz-Überlebenden Max Mannheimer, der im September 2016 im Alter von 96 Jahren starb, übernimmt Ernst Grube den Vorsitz der Lagergemeinschaft Dachau. Bis heute macht er sich unermüdlich für Toleranz, Solidarität und gegen Fremdenhass und Krieg stark, in öffentlichen Kundgebungen ebenso wie als Zeitzeuge in Schulen.

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