Fußballer Florian Jungwirth:"Zu Schweini schaue ich auf"

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Der Karlsfelder ist mit dem SV Darmstadt in die Erste Bundesliga aufgestiegen. Der 26-Jährige spricht über den Rausch des Erfolgs, seine Heimatverbundenheit und seinen Respekt vor den Großen des Fußballs.

Interview von Benjamin Emonts

Als der SV Darmstadt am 24. Mai in die erste Fußball-Bundesliga aufsteigt, brechen alle Dämme im Merck-Stadion am Böllenfalltor. Mitten unter den Zehntausenden Jubelnden ist Florian Jungwirth. Der 26-jährige Karlsfelder ist nicht etwa ein Fan. Jungwirth, blonde Haare und kräftige Statur, hat als Mittelfeldspieler des SV Darmstadt selbst zum Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse beigetragen. Jungwirth kommt gerade aus dem Training und spricht mit der Süddeutschen Zeitung über Heimatverbundenheit, das Glück, ganz oben angekommen zu sein und seinen Respekt vor den großen Namen des Fußballs.

SZ: Herr Jungwirth, es gibt da dieses Bild von Ihrer Aufstiegsfeier. Mit Lederhose halten Sie, breit grinsend, einen Schal des TSV Eintracht Karlsfeld in die Höhe. Wie kam es dazu?

Florian Jungwirth: Das war erst eine halbe Stunde nach Abpfiff, als sich mein Alkoholkonsum noch im einstelligen Literbereich bewegte, er lag vielleicht so bei 9,8 Litern. Damals, als ich mit Dresden in die zweite Liga aufgestiegen war, hatte ich auch schon den Schal hochgehalten. Vor dem entscheidenden Spiel gegen St. Pauli kam er mir wieder in den Sinn. Also habe ich meiner Mutter gesagt, sie soll mir den Schal doch mitnehmen. Er hat wieder Glück gebracht. Und meinen Karlsfelder Freunden habe ich eine Freude gemacht.

Klingt so, als hätten Sie Ihre Heimatstadt noch nicht vergessen. . .

Auf keinen Fall. Ich habe nach wie vor meine Familie und Freunde dort. Der Kontakt ist nie abgerissen. Karlsfeld ist für mich ein Ort, wo ich immer hinkommen kann und von Freunden und der Familie in den Arm genommen werde. Das möchte ich auf keinen Fall missen.

Zu welchen Gelegenheiten kommen Sie denn zurück? Man sagt, Sie seien ein leidenschaftlicher Volksfestgänger. . .

Florian Jungwirth, hier noch im Trikot des VfL Bochum, wechselte 2014 zum damaligen Aufsteiger SV Darmstadt 98 in die Zweite Bundesliga. (Foto: Getty)

(Lacht) Es ist schon immer ein Ziel, auf das Dachauer Volksfest zu kommen. Wenn man nach Jahren alte Bekannte nach dem Volksfest im "Seven Days" rumstürzen sieht, dann ist das schon lustig. Seit ich von zu Hause weggegangen bin, war ich bis auf einmal jedes Jahr dort, glaube ich.

Zurück zum Sport. Wie fühlt man sich denn nun als Bundesligaspieler?

Eigentlich hat sich mein Leben bisher kaum verändert, ich schlafe immer noch so gut wie davor. Natürlich realisiert man das Ganze auch noch nicht so wirklich: Es klingt schon sehr unrealistisch, bald ein Punktspiel gegen die Bayern zu haben. Medial wird sich das sicher bemerkbar machen. Ich spiele jetzt in einer der besten Ligen der Welt.

Kann sich ein Bayer denn überhaupt wohlfühlen im hessischen Darmstadt?

Ich fühl mich hier absolut zu Hause. Im Profibereich läuft ja vieles über Intrigen und Lügen ab. Hier aber ist alles noch sehr familiär, Werte wie Ehrlichkeit werden noch groß geschrieben. Das Umfeld ist bodenständig und bescheiden. Ich glaube, das war auch ausschlaggebend für den Erfolg in den vergangenen zwei Jahren. Ich war schon immer ein Spieler, der ein gutes Umfeld um sich braucht. Das ist in Darmstadt zu 100 Prozent gegeben. Darum habe ich meinen Vertrag hier auch um zwei Jahre verlängert.

Von dem, was Sie erreicht haben, träumen Tausende Nachwuchsfußballer. Was können Sie ihnen mit auf den Weg geben? Wie schafft man denn nun den ganz großen Sprung?

Puh, schwierig zu sagen. Wenn ich ehrlich bin, würde ich nie einem Kind oder Jugendlichen empfehlen, für eine Profikarriere alles auf eine Karte zu setzen. Die Gefahr, seinen Schulabschluss zu versieben, ist einfach viel zu groß. Letzten Endes ist es vor allem in der Jugend eine knallharte Disziplinfrage; harte Arbeit, das Quäntchen Glück und natürlich das nötige Talent gehören dazu. Auf die sogenannten Partys des Jahres muss man auf alle Fälle verzichten. Es bleibt wirklich nicht viel Zeit, um seine Jugend zu genießen.

Florian Jungwirth hat es mit 26 geschafft. Mit dem SV Darmstadt gelang dem Fußballer der Sprung in die Bundesliga. (Foto: Imago)

Bei den Profis braucht man das Talent gewiss auch . . .

Je älter man wird, desto mehr merkt man, dass im Herrenbereich das Talent eigentlich das am wenigsten Ausschlaggebende ist. Klar, es ist Grundvoraussetzung. Aber man spielt ja ausschließlich mit talentierten Spielern zusammen. Umso mehr kommt es auf die Arbeit und die Disziplin an. Man muss einfach noch mehr machen als die anderen, wenn man es weit bringen will.

Ihre bisherige Karriere im Profifußball ist nicht unbedingt geradlinig verlaufen. Bei den Münchner Löwen beispielsweise, wo Sie fast Ihre ganze Jugend verbracht haben, wollte man Sie nicht mehr. Nun sind Sie Bundesligaspieler. Eine Genugtuung?

Nein, eine Genugtuung eigentlich überhaupt nicht. Ich wäre jetzt auch nicht traurig gewesen, wenn ich am Ende meiner Karriere 200 Zweitligaspiele gehabt hätte. Ich habe immer versucht, alles zu geben. Du brauchst in den jungen Jahren einfach das Glück, Trainer zu haben, die dich fördern. Das war bei mir nicht immer so.

Als defensiver Mittelfeldspieler werden demnächst Weltstars wie Arjen Robben oder Franck Ribery auf Sie zudribblen - vor 70 000 Zuschauern. Welche Gefühle löst diese Vorstellung in Ihnen aus?

In erster Linie Vorfreude. Wenn man gegen einige der besten Spieler der Welt antreten kann, ist das doch eine große Ehre. Du hast jedes Wochenende ein volles Stadion mit 40 000 bis 70 ooo Zuschauern, das ist schon mega, mega geil.

Keine Angst vor Robben?

Nein. Ich spiele ja zum Glück im Zentrum, da werde ich ihm nicht so oft begegnen, hoffe ich. Vielleicht ziehe ich mir trotzdem einen etwas längeren Stollen an, falls er dann doch auf mich zukommt.

Hat man auf Ihrem Niveau denn noch Vorbilder, mit denen man das Trikot nach dem Spiel tauschen möchte?

Nein, ein Vorbild habe ich eigentlich keins. Trotzdem würde ich gerne meine Trikot mit Schweini tauschen. Er ist ein Typ, der auch nach schwierigen Phasen immer wieder aufsteht. Von seiner Art, seiner Mentalität her ist er auf jeden Fall ein Spieler, zu dem man aufschaut. Vielleicht hat er ja noch ein Trikot über.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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