Fluglärm:Bei Ostwind wird's laut

Viele Karlsfelder haben den Eindruck, dass mehr Flugzeuge über den Landkreis düsen. Die Flugsicherung widerspricht. Nach ihrer Aussage gibt es sogar weniger Flüge als früher.

Gudrun Passargeund Gregor Schiegl

- Der wachsende Unmut bricht sich auch auf der Homepage der Gemeinde Bahn. "Ich lebe seit sehr langer Zeit in Karlsfeld und empfinde den Fluglärm mittlerweile als nicht mehr hinnehmbar", schreibt ein Bürger. Und ein anderer: "Mittlerweile fliegen die Flugzeuge nicht nur bei schlechtem Wetter, sondern auch bei gutem über Karlsfeld und das im Sekundentakt!" Sogar eine Unterschriftensammlung hat es gegeben, die an die Dachauer Landtags- und Bundestagsabgeordneten weitergeleitet wurde. Initiator Günter Kasparek empört sich vor allem darüber, dass "der gesamte Anflugverkehr aus Osten direkt über die zweitgrößte Gemeinde des Landkreises Dachau geführt wird". Karlsfeld gilt mit Röhrmoos als die vom Flugverkehr am stärksten betroffene Gemeinde im Landkreis.

Fluglärm: Maschine im Landeanflug bei Pulling (Landkreis Freising).

Maschine im Landeanflug bei Pulling (Landkreis Freising).

(Foto: Marco Einfeldt)

Vor allem bei Ostwind wird es laut, dann fliegen die Passagierjets den Münchner Flughafen aus westlichen Richtungen an, verlieren über den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck an Höhe und setzen zum Landeanflug an. Viele Einwohner hegen den Verdacht, dass die Flugrouten verändert wurden und mehr Maschinen im Münchner Luftraum unterwegs sind als früher. Doch genau das Gegenteil sei der Fall, sagt Sandra Teleki. Die Sprecherin der Deutschen Flugsicherung in München versichert, die Zahl der Flugbewegungen am Münchner Airport sei gesunken.

Wie viele Flugzeuge tatsächlich über München einfliegen und vor allem wo, kann stark variieren. Das Thema sei sehr komplex, erklärt Teleki. Denn welche Flugroute die Flieger nehmen und wie tief sie unterwegs sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Die Flieger kommen laut Teleki hauptsächlich aus zwei Richtungen, aus dem Südwesten vom Starnberger See her und von Südosten. Die Fluglotsen müssen die beiden Ströme zusammenbekommen. Dann gibt es einmal die Betriebsrichtung Ost bei Ostwind (an etwa 35 bis 40 Prozent der Tage) und entsprechend den Westbetrieb bei Westwind.

Da die Flugzeuge gegen den Wind landen und starten, ist auch die Flugroute unterschiedlich, je nachdem, ob sie von Osten oder Westen auf die Südlandebahn des Flughafens einschwenken. Bei Westwind fliegen sie vielleicht eher über München, aber auf jeden Fall höher als bei Ostwind. Auf der Seite der Deutschen Flugsicherung (www.dfs.de, Flugverläufe anklicken) mit dem Namen "Stanly Track" ist das nachvollziehbar dargestellt. Dort können Nutzer den Tag und die Uhrzeit eingeben und warten, welche Striche das Programm für die unterschiedlichen Flüge zeichnet. Bei Betriebsrichtung West gibt es wesentlich mehr grüne und blaue Striche, das heißt, die Flieger sind höher als 2700 Meter unterwegs. Ein völlig anderes Bild dagegen ergibt sich bei Ostwind. Dann sind viele der Flugrouten orange und gelb, das heißt, die Flieger gehen auch schon mal bis zu 4000 Fuß (1219 Meter) runter. "Das passiert allerdings höchst selten, in der Regel ist die Höhe in München eher bei mindestens 1800 Metern über dem Meeresspiegel", erläutert Sandra Teleki.

Was für München gilt, gilt aber offenbar nicht für Dachau. Der Karlsfelder Günter Kasparek hat anhand der Flugspuren festgestellt, dass eine Maschine Karlsfeld auch schon einmal in 1490 Metern über dem Meeresspiegel überflogen hat - also faktisch in 1000 Metern Höhe - denn Karlsfeld liegt ja selbst bereits 490 Meter über Meereshöhe. Doch diese Flugspuren sehen jeden Tag anders aus, wie die DFS-Sprecherin sagt. Es geht um Abwind und Downwind, den Gegenanflug parallel zur Landebahn und um virtuelle Navigationspunkte, die der Lotse nutzt, um die Flugzeuge ans Ziel zu bringen. "Die Verkehrsabwicklung ist immer gleich, aber es ist ein Stück weit ein Zufallsprodukt", sagt Teleki. Will heißen, die Maschinen können einen Tag später einen ganz anderen Weg nehmen. Denn die Fluglotsen müssen ja auch noch An- und Abflüge miteinander koordinieren. "Sie können nicht alle wie auf einer Perlenschnur einfliegen." Manche müssten deswegen etwas länger fliegen und veränderten das Bild von Tag zu Tag.

Die Zahlen ergeben ein anderes Bild als die Beobachtungen von Münchnern und Bewohnern des Umlands. Teleki zufolge sind im Jahr 2008 - "unser Spitzenjahr" - 432 296 Flugzeuge in München gestartet und gelandet. 2011 waren es nur 409 956. Täglich verzeichnet der Flughafen im Erdinger Moos circa 1100 Flugbewegungen.

Über Karlsfeld - so der subjektive Eindruck - wird es trotzdem immer mehr. Günter Kasparek ärgert sich besonders darüber, dass viele Maschinen über Karlsfeld düsen, die das gar nicht müssten. Manche Piloten schwenkten nicht direkt nach Norden und dann auf den Flughafen ein. Vielmehr kämen sie erst nach Osten und dann in einer Schleife von Osten nach Westen über Karlsfeld herein. "Man kann da wohl nicht von Kerosineinsparung reden, wie das immer wieder geschieht", sagt Kasparek. "Auch irgendwelche Sicherheitsgründe sind laut Flugspuren nicht erkennbar. " Nun soll sich die Fluglärmkommission mit dem Thema Karlsfeld befassen.

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