Flüchtlingshelferin Rose Kraus:Ein Leben für Menschen in Not

Flüchtlingshelferin Rose Kraus: Unermüdlich im Einsatz: Rose Kraus hält das Flüchtlingsbaby Augustin im Arm.

Unermüdlich im Einsatz: Rose Kraus hält das Flüchtlingsbaby Augustin im Arm.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Rose Kraus, Gründerin des Dachauer Arbeitskreises Asyl und Friedensaktivistin, feierte ihren 80. Geburtstag

80 Jahre und immer noch aktiv. Rose Kraus, Gründerin des Dachauer Arbeitskreises Asyl, Friedensaktivistin und Helferin für alle Menschen in Not, kann man nur bewundern, auch wenn sie aus gesundheitlichen Gründen seit einigen Jahren etwas kürzer treten muss. Um die Asylsuchenden in der großen Flüchtlingsunterkunft an der Kufsteiner Straße in Dachau kann sie sich nicht mehr kümmern, doch ganz einstellen, mag und kann sie ihr Engagement doch nicht: Regelmäßig besucht die Gündingerin neue Schützlinge in Gröbenried.

Um zu verstehen, was Rose Kraus antreibt, muss man 70 Jahre zurückschauen, auf ein schreckliches Erlebnis, das sie geprägt und nicht mehr losgelassen hat. Genau an ihrem zehnten Geburtstag, am 8. Mai 1945, schickte ihre Mutter sie, die älteste von sieben Geschwistern, zum Milchholen. Sie lief die Augsburger Straße in Dachau entlang, als ihr ein Pferdefuhrwerk entgegenkam, auf dessen Ladefläche nackte Tote gestapelt waren. Es waren Leichen aus dem Konzentrationslager, die zu einem Massengrab gebracht wurden. "Daraus hat sich meine Einstellung entwickelt, dass etwas Schlechtem immer etwas Gutes entgegengesetzt werden muss", hat sie über jene traumatische Kindheitserfahrung einmal in einem Interview gesagt.

Dass sie sich später vor allem um Menschen kümmerte, die ihre Heimat verloren hatten, auch das hatte mit eigenem Erleben zu tun. Die gebürtige Dachauerin lernte mit 18 Jahren ihren inzwischen verstorbenen Mann Walter kennen, dessen Familie aus dem Riesengebirge nach Bayern geflüchtet war und ganz und gar nicht freundlich aufgenommen wurde. Damals schwor sie sich: "Wenn ich einmal Menschen kennenlerne, die geflüchtet sind, helfe ich." Aber zunächst stand die eigene Familie im Mittelpunkt: Drei Kinder galt es zu versorgen (mittlerweile sind sechs Enkelkinder dazugekommen), das Haus in Günding musste finanziert werden. Nur als die Kinder klein waren, blieb die gelernte Kontoristin einige Jahre zu Hause, dann musste sie wieder Geld verdienen.

Doch als Anfang der Achtzigerjahre Bootsflüchtlinge aus Vietnam in Allach untergebracht wurden, war für sie der Moment gekommen, an dem sie aktiv wurde. Als einige Jahre später die ersten Asylsuchenden nach Dachau kamen, war es wieder Rose Kraus, die Hilfe organisierte und einen Kreis von Unterstützern um sich scharte, der sich seither um Flüchtlinge kümmert. Mochten die Helfer im Laufe der Jahre auch wechseln, Rose Kraus blieb, machte weiter. Immer im Einsatz, lud sie Flüchtlinge zu sich nach Hause ein, kochte für sie, sammelte Spielsachen, Fahrräder, Teppiche, Möbel, Bettzeug und Kleidung. Oft genug musste sie die Sachen waschen, weil sie verdreckt bei ihr abgeliefert worden waren. Doch nie war das zu viel für "Madame Rosa", wie sie oft von ihren Schützlingen genannt wurde.

Doch als ob das alles nicht genug gewesen wäre, nahm sie noch zusätzliche Aufgaben auf sich. Nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien reiste sie mindestens zwanzig Mal auf selbst organisierten Touren mit Hilfsgütern in kroatische Flüchtlingslager. Seit Jahren sammelt sie zudem Spiel- und Schulsachen sowie Geld für eine Roma-Siedlung im rumänischen Dorf Rosia. Und wenn es gegen das Wettrüsten oder gegen Atomkraft ging, war sie bei Demonstrationen oder Aktionen immer vorne mit dabei, auch in Wackersdorf in den Achtzigerjahren. Wegen der Teilnahme an Sitzblockaden gegen amerikanische Atomraketen im württembergischen Mutlangen musste sie sich dreimal vor Gericht verantworten. Am Ende stand ein Freispruch.

Ihr unermüdlicher Einsatz fand auch beiden Politikern Anerkennung, die ihren politischen Anliegen nicht positiv gegenüberstanden. Sie wurde etwa mit der Dachauer Bürgermedaille ausgezeichnet. Vor allem aber erhielt sie 2005 aus der Hand der damaligen bayerischen Sozialministerin Christa Stewens (CSU) das Bundesverdienstkreuz. Doch der schönste Lohn für ihr unermüdliches Engagement ist der Kontakt zu Menschen aus vielen Ländern und unterschiedlichen Kulturen, der oft über Jahrzehnte nicht abgerissen ist. So waren denn neben Angehörigen und Freunden auch ehemalige Schützlinge unter den Gästen, als Rose Kraus kürzlich ihren 80. Geburtstag feierte.

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