Flüchtlingsarbeit:Landrat droht Helfern, Veranstaltung abzubrechen

In einer langen, hitzigen Diskussion wird die Unvereinbarkeit der Ansichten von Verwaltung und Ehrenamtlichen deutlich.

Von Anna-Sophia Lang, Karlsfeld

Endlich einmal offen diskutieren und Wege finden, in Zukunft besser zu kommunizieren: Dafür hatte Landrat Stefan Löwl (CSU) Vertreter aller Asylhelferkreise am Dienstagabend ins Karlsfelder Bürgerhaus eingeladen. Doch anstatt Behörde und Ehrenamtliche miteinander zu versöhnen, hat das Treffen dazu geführt, dass sich die Fronten weiter verhärten. Viele der fast 200 Helfer waren danach gefrustet. Sie fühlten sich vom Landrat nicht als ebenbürtige Partner behandelt, sondern empfanden das Treffen als Belehrungsveranstaltung vom Landratsamt.

Großen Anteil daran hatte eine Szene gleich zu Beginn der Veranstaltung: Der Haimhausener Helferkreis-Repräsentant Detlef Wiese stellte in einem kurzen Vortrag die Position vieler Helferkreise vor, die diese in einem gemeinsamen Papier erarbeitet hatten. Dazu gehörte auch ein Fallbeispiel, das die mangelhafte Kommunikation zwischen Helfern und Behörden zu Lasten der Asylsuchenden verdeutlichen sollte. Löwl hatte zuvor von Wiese verlangt, ihm die Präsentation vorzulegen. Dies hatte Wiese getan, allerdings das Fallbeispiel ausgespart. "Ich fühle mich verarscht", sagte Löwl deshalb aufgebracht und drohte, die Veranstaltung abzubrechen. Wiese wiederum ärgerte sich, dass Löwl die Präsentation überhaupt vorher sehen wollte. Er hatte befürchtet, dass der Landrat ihn gar nicht erst sprechen lassen würde, wenn er ihm den ganzen Vortrag gezeigt hätte. Ein Konflikt, der kein gutes Omen für den Rest des Abends war.

Flüchtlingsarbeit: Fast 200 ehrenamtliche Flüchtlingshelfer waren zum Treffen ins Karlsfelder Bürgerhaus gekommen, zu dem Landrat Stefan Löwl (CSU) eingeladen hatte.

Fast 200 ehrenamtliche Flüchtlingshelfer waren zum Treffen ins Karlsfelder Bürgerhaus gekommen, zu dem Landrat Stefan Löwl (CSU) eingeladen hatte.

(Foto: Toni Heigl)

Vorwürfe von beiden Seiten

Viereinhalb Stunden dauert das Treffen. Löwl eröffnet den Abend, indem er über den Personalaufbau im Landratsamt, neueste Entwicklungen und Zuständigkeiten seiner Behörde referiert. Schon damit zieht er den Unmut der Helfer auf sich, die lieber direkt in die Diskussion einsteigen wollen. Das Konzept stockt von Anfang an. Vor allem wird deutlich, wie groß die Unterschiede zwischen den beiden Gruppierungen sind, die sich da gegenüber stehen. Die eine Seite will verwalten, argumentiert mit Zuständigkeiten, Gesetzen und Vorschriften. "Das Landratsamt ist vor allem eine Vollzugsbehörde", sagt Löwl. Gegen das Beschäftigungsverbot für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern könne er nichts tun, für die Asylverfahren sei einzig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. "Das ist halt so." Und: "Wir wollen nicht über Einzelfälle reden."

Die andere Seite will aber genau das: über Menschen reden, über Schicksale, über in ihren Augen sinnlose Vorschriften, die das Leben Einzelner zur Hölle machen können. Es wird hitzig debattiert, von beiden Seiten fliegen Vorwürfe. Großen Streit gibt es über die Anwesenheitspflicht Asylsuchender. Die Helfer hätten wissen müssen, dass Asylsuchende aus der Zuständigkeit der Behörde fallen, wenn sie den Landkreis mehr als zwei Wochen verlassen, sagt Löwl. Die Helfer bestreiten, darüber informiert worden zu sein.

Flüchtlingsarbeit: Ärgerte sich, dass Landrat Stefan Löwl sich seine Präsentation vorher zur Kontrolle zeigen ließ: Detlef Wiese.

Ärgerte sich, dass Landrat Stefan Löwl sich seine Präsentation vorher zur Kontrolle zeigen ließ: Detlef Wiese.

(Foto: Toni Heigl)

Auch innerhalb der Helferkreise gibt es Kontroversen

Es sind die alten Kommunikationsprobleme. Es geht zu wie bei einem Ping-Pong-Spiel, einen Konsens finden die beiden Gruppen nicht. Ab und zu ruft jemand zu Mäßigung auf. "Nehmen wir die Schärfe raus", bittet Dorothee Kugler aus Altomünster gleich zu Anfang. Es gebe auch innerhalb der Helferkreise kontroverse Debatten. "Herr Wiese ist nicht unser Sprecher, er wurde nicht gewählt. Bitte schmeißen Sie uns nicht alle in einen Topf."

Löwl, der in der Beziehung zu den Helferkreisen den "Reset-Knopf" drücken möchte, wie er sagt, bittet um Verständnis. "Meine Mitarbeiter leisten auch nicht nur das, was sie müssen." Er gesteht ein, die Helferkreise nicht in die Entwicklung der Hausordnung für Flüchtlingsunterkünfte einbezogen zu haben. Den großen Protest gegen die Hausordnung habe er aber nicht verstanden.

Behördendeutsch statt Diskussion

Dann folgt ein langer Exkurs, in dem der Landrat einzelne Punkte der Hausordnung rechtfertigt. Franz Bründler, Brandschutzbeauftragter des Landratsamts, referiert ausführlich über entsprechende Vorkehrungen in den Flüchtlingsunterkünften. Behördendeutsch statt gemeinsamer Diskussion. Auch die stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki (SPD) erntet für ihre Ansprache Befremden. Sie appelliert in einer 10-minütigen Rede an die Helfer, sie sollten den Asylsuchenden die Grundregeln des Zusammenlebens in Deutschland näherbringen. Für die Helfer eine Selbstverständlichkeit. Schließlich sehen gerade sie sich als diejenigen, die den Flüchtlingen von Anfang an tagtäglich eben jene Regeln vermitteln.

Flüchtlingsarbeit: Dorothee Kugler vom Helferkreis Altomünster mahnte die anwesenden Ehrenamtlichen und Behördenvertreter zu konstruktiven Gesprächen.

Dorothee Kugler vom Helferkreis Altomünster mahnte die anwesenden Ehrenamtlichen und Behördenvertreter zu konstruktiven Gesprächen.

(Foto: Toni Heigl)

Am Ende des Treffens ist manch einer unzufrieden. Das eigentliche Problem, die Kommunikation, ist ein Randthema geblieben. Löwls Vorschlag, in einer gemeinsamen Besprechung mit einigen, von den Helferkreisen beauftragten Vertretern, Grundlagen für die zukünftige Zusammenarbeit zu entwickeln, trifft immerhin auf Zustimmung. Löwl regt außerdem monatliche Treffen in den Unterkünften mit dem jeweiligen Helferkreis an und will einen zusätzlichen Mitarbeiter einstellen, der speziell die Anfragen der Ehrenamtlichen bearbeiten soll.

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