Dachauer Tafel:Rotes Kreuz kündigt Dialog mit Asylhelfern an - doch der findet nicht statt

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Die Tafel war Mitte Oktober bundesweit in die Kritik geraten, nachdem bekannt wurde, dass sie Asylsuchende von der Lebensmittelausgabe ausschließt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Wohlfahrtsverband erklärt, es gebe keinen Bedarf, Flüchtlinge mit Lebensmitteln zu unterstützen. Die Helferkreise widersprechen.

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Auch nach bundesweiten Protesten bleibt die Dachauer Tafel für Asylsuchende geschlossen. Ihr Träger, der Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), hat über die "Kümmerer der Helferkreise" festgestellt, dass es überhaupt keinen flächendeckenden Bedarf an einer Versorgung mit Lebensmitteln gibt. Das erklärt BRK-Geschäftsführer Paul Polyfka der SZ. Über Einzelwünsche werde noch diskutiert. Doch diese Darstellung stößt auf Widerspruch: Recherchen der SZ zufolge sind die Helferkreise niemals in dieser Frage kontaktiert worden. "Ich habe definitiv nichts derlei mitbekommen", sagt zum Beispiel Peter Barth vom Asylhelferkreis Hebertshausen. Die Diskussion ist inzwischen ohnehin beendet. Das BRK hat einen Aufnahmestopp erlassen. "Dieser gilt für jedermann", teilt Polyfka mit.

Der Ausschluss von Flüchtlingen bei den Tafeln verursachte bundesweit Kritik

Die Tafel war Mitte Oktober bundesweit in die Kritik geraten, nachdem bekannt wurde, dass sie Asylsuchende von der Lebensmittelausgabe ausschließt. Der CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath, der als BRK-Kreisvorsitzender die Entscheidung verantwortet, begründete diese Praxis im Gespräch mit der SZ zunächst mit der Umstellung von Sach- auf Geldleistungen. Asylbewerber sollten lernen, mit ihrem Geld umzugehen, sagte der Politiker. Dann argumentierte er "in erster Linie mit der Überlastung" der Ehrenamtlichen der Dachauer Tafel. Ende Oktober reagierte der BRK-Vorstand mit einer Presseerklärung: Man werde "in der nächsten Zeit den Dialog mit allen Asylhelferkreisen in Stadt und Landkreis Dachau suchen". Nun erklärte BRK-Geschäftsführer Polyfka, man habe das Landratsamt gebeten, bei den wöchentlich stattfindenden Treffen mit den Helferkreisen den Bedarf der Flüchtlinge an Lebensmitteln abzufragen.

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Das Ergebnis, so Polyfka, liege seit der vergangenen Woche vor. Doch die Helferkreise wissen von gar nichts, ihre Vertreter können sich nicht daran erinnern, dass irgendjemand in der Sache Kontakt zu ihnen aufgenommen hat. Selbst mit den Helferkreisen hat das BRK nicht gesprochen. "Wir können uns ja auf die Strukturen verlassen", begründet Polyfka. Nur: Dem Landratsamt zufolge gibt es überhaupt keine wöchentlichen Treffen mit Vertretern der Helferkreise. "In so einer idyllischen Symbiose leben Helferkreise und Landratsamt nun wirklich nicht", sagt Peter Barth. Das BRK hat da offenbar einiges durcheinandergebracht. Denn es gibt keine "Kümmerer der Helferkreise", wie Polyfka sie nennt. Die Kümmerer sind Angestellte des Landratsamtes, die regelmäßig die Unterkünfte für Asylsuchende aufsuchen. Sie wurden mit der Nachfrage des BRK beauftragt, wie Brigitte Detering, Sachgebietsleiterin der Sozialverwaltung, aufklärt. "Aufgrund der Rückmeldungen der Kümmerer ist eine zweite Ausgabestelle im Landkreis, rein aufgrund der Flüchtlingsdiskussion, m. E. nicht nötig, jedoch nicht ausgeschlossen", schreibt der BRK-Geschäftsführer in einer Mitteilung. Über die "Einzelwünsche" etwa von Großfamilien diskutiere man noch.

Die Helferkreise sind entgegen der BRK-Ankündigung außen vor geblieben

Die Helferkreise jedoch sind entgegen der BRK-Ankündigung eines Dialogs mit ihnen außen vor geblieben. Dabei denken viele Ehrenamtliche, dass die von ihnen betreuten Flüchtlinge Lebensmittel der Tafel gut gebrauchen könnten. 326 Euro erhalten Asylsuchende in dezentralen Unterkünften monatlich an staatlicher Unterstützung. Davon müssen sie Lebensmittel, Kleidung, Handyrechnungen und andere Dinge des täglichen Bedarfs bezahlen. "Das Leben ist teuer für sie", sagt Irmgard Weigl vom Helferkreis Markt Indersdorf. Brigitte Burger-Schröder vom Helferkreis Altomünster erklärt, dass das Geld der Betroffenen gegen Ende des Monats oft knapp werde.

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Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr, heißt es aus den Helferkreisen, reißen ein großes Loch in die begrenzten Budgets. Denn die Asylsuchenden bekommen keine Tickets. Sie müssen jede Fahrt, etwa zu Behörden wie dem Landratsamt, selbst bezahlen. Wer regelmäßig zu Sprachkursen nach München fährt, bezahlt fast 80 Euro für ein MVV-Monatsticket. Da könnten kostenlose Lebensmittel eine große Hilfe sein, auch wenn Peter Barth diese Frage nicht für vorrangig hält. "Sie nehmen immer gerne Lebensmittel an", sagt Irmgard Weigl, "und einige würden das Angebot sicher gerne in Anspruch nehmen." Zwar muss man, wie Dagmar Henndorfer vom Helferkreis Schwabhausen sagt, die Essgewohnheiten bedenken. Doch Gemüse, Kartoffeln, Joghurt, Toast oder Chips stünden auch auf dem Speiseplan der Flüchtlinge. Nur wäre dann eine zweite Ausgabestelle nötig, da sonst die Ersparnis bei den Ausgaben für Lebensmittel durch die Fahrtkosten nach Dachau aufgefressen wird.

Doch diese Erfahrungen der Helferkreise sind überhaupt nicht in die Entscheidung des BRK-Vorstandes eingeflossen. Geändert hätte das wohl auch nichts: Wegen der Überlastung der häufig mehr als 70 Jahre alten ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel wurde ohnehin ein Aufnahmestopp verhängt. Der BRK-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath selbst wollte nicht Stellung nehmen.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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