Flüchtlinge:Integration als Hauptfach

An der Berufsschule Dachau lernen seit September 240 Asylsuchende zwischen 16 und 21 Jahren in zwölf Klassen. Schulleiter Sommerer freut sich über den Erfolg: 70 Prozent derjenigen, die im Sommer ihren Abschluss gemacht haben, sind in eine Lehrstelle vermittelt worden.

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

An der Berufsschule Dachau sind im September zwölf Klassen für Asylsuchende und Flüchtlinge ins neue Schuljahr gestartet. Damit hat die Schule eine deutliche Entwicklung durchgemacht: Im Schuljahr 2014/15 waren es gerade einmal drei solcher Klassen. Schulleiter Johannes Sommerer spricht von einem "Erfolgssystem". Seiner Schätzung nach haben 70 Prozent derer, die 2016 ihren Abschluss gemacht haben, bereits einen Ausbildungsvertrag bekommen. "Was hier für die Integration im beruflichen Bereich geleistet wird, ist einmalig."

Etwa 240 Asylsuchende und Flüchtlinge zwischen 16 und 21 Jahren gehen in die zwölf Klassen. Einige sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, der Frauenanteil liegt unter zehn Prozent. Der Großteil kommt aus Syrien und Afghanistan, andere aus dem Irak und aus afrikanischen Ländern. Auch Senegalesen sind darunter. Ihr Heimatland wurde vom Bundestag jedoch als sicher eingestuft, damit haben sie kaum eine Chance auf ein Bleiberecht. Bei vielen dauern die Asylverfahren aber viele Monate oder Jahre. "Wir haben in diesem Schuljahr nicht auf die Bleibeperspektive schauen müssen", sagt Sommerer. Jeder, der einen Platz wollte, hat einen bekommen. Das ist neben dem Ausbau der Klassen auch deshalb möglich gewesen, weil inzwischen weniger Flüchtlinge im Landkreis angekommen sind. Vor zwei Jahren mussten noch viele junge Menschen abgewiesen werden, weil es nicht genug Klassen gab. Deshalb wurden damals jene mit guter Bleibeperspektive bevorzugt.

Flüchtlinge: Lehrerin Rosanna Lanzillotti und Schulleiter Johannes Sommerer sind von dem Integrations-Projekt überzeugt.

Lehrerin Rosanna Lanzillotti und Schulleiter Johannes Sommerer sind von dem Integrations-Projekt überzeugt.

(Foto: Toni Heigl)

Bildung erfordert Geduld und Ausdauer

Im Mittelpunkt der zwei Schuljahre stehen Deutsch und Mathematik. Bei Bedarf kann ein Jahr wiederholt werden. Insgesamt unterrichten 30 Lehrer in den Flüchtlingsklassen, 15 kommen vom Kooperationspartner, dem Beruflichen Fortbildungszentrum München, und sind Lehrer für Deutsch als Zweitsprache. Seit diesem Schuljahr finanziert der Freistaat die Klassen allein. Seit September gilt für alle Berufsschulen in Bayern ein verbindlicher Lehrplan, an dem die Dachauer Berufsschule mitgearbeitet hat. Auch Sozial- und Lebenskunde gehören dazu. Außerdem gibt es Projekte zu Gesundheitsthemen und zur Verkehrserziehung. Letzteres hat die Berufsschule selbst entwickelt. Sie ist eine von 21 Modellschulen, die am Projekt "Perspektive Beruf" mitarbeiten. Dabei erprobt jede Einrichtung Unterrichtseinheiten, die von den anderen übernommen werden. Außerdem haben die Dachauer Pädagogen ein individuelles Deutsch- und Mathe-Förderprogramm ausgearbeitet. Die Unterschiede bei der Vorbildung der Schüler sind groß, manche können kaum lesen und schreiben. Deshalb wurden sie nach einem Einstufungstest eingeteilt. Herkunft, Religion oder Ethnie haben dabei keine Rolle gespielt.

Die Lehrer müssen intensiv motivieren, viele Schüler sind es aus ihren Heimatländern nicht gewohnt, stundenlang konzentriert dazusitzen. "Die große Aufgabe ist es, ihnen Geduld und Ausdauer beizubringen", sagt der Schulleiter, "dass man Zeit braucht für Bildung." Drei Sozialpädagogen geben Unterstützung bei persönlichen Problemen oder im Alltag. Sie betreuen die Schüler besonders im zweiten Jahr beim Betriebspraktikum. Ein Teil des Unterrichts findet in diesem Schuljahr im Pavillon am Josef-Effner-Gymnasium statt, wo zuvor der Mint-Campus und Realschulklassen untergebracht waren. Darauf haben sich das Landratsamt und die Schulen bereits im Winter geeinigt. Die Berufsschule nutzt elf Klassenräume, vor allem im ersten Stock, und drei weitere Räume. Die Berufsschüler haben vor allem vormittags Unterricht, sie pendeln von dort zum Hauptgebäude im Stadtteil Augustenfeld. Pause haben sie zu anderen Zeiten als die Gymnasiasten. Die Berufsschule wird seit dem Frühjahr renoviert, umstrukturiert und ausgebaut, deshalb wurden die Klassen teilweise ausgelagert. Sommerer hat sich für die Flüchtlingsklassen entschieden, damit diese weiter als Einheit pädagogisch und fachlich am selben Ort betreut werden können.

Flüchtlinge: Flüchtlingsklassen der Berufsschule werden in Containern des Effner-Gymnasiums unterrichtet. Jeder hat Platz gefunden.

Flüchtlingsklassen der Berufsschule werden in Containern des Effner-Gymnasiums unterrichtet. Jeder hat Platz gefunden.

(Foto: Toni Heigl)

Gute Basis für die weitere Ausbildung

Optimal findet er die Lösung nicht: "Wir müssen vor allem die Integration in der Berufsschule möglich machen." 75 Klassen gibt es insgesamt, die Flüchtlingsklassen machen etwa ein Sechstel aus. Deshalb ist es Sommerer wichtig, dass die Schüler nach wie vor Unterricht im Hauptgebäude haben. Gemeinsam mit dem Rektor des Effner-Gymnasiums hat er Absprachen getroffen, in welchen Bereichen sich welche Schüler aufhalten. Das Gymnasium betreten die Berufsschüler demnach nicht, auch den Kiosk nutzen sie nicht. Der Hauptzugang erfolgt über die Liegsalzstraße hinter dem Gymnasium. Eine solche Hausordnung ist üblich, wenn sich mehrere Schulen ein Grundstück teilen, auch im Fall der anderen drei Einrichtungen am Schulzentrum Augustenfeld.

Wenn die Zahl der neu ankommenden Asylsuchenden niedrig bleibt, würde Sommerer gerne bald auch Menschen bis 25 einen Platz in den Flüchtlingsklassen bieten. Rein rechtlich ist das möglich. Er ist überzeugt, dass die Zeit an der Berufsschule eine gute Basis für die weitere Ausbildung der Flüchtlinge darstellt. Allerdings mahnt er, dass mit der Unterzeichnung eines Ausbildungsvertrag "die Sache nicht erledigt ist." Vor allem die sprachliche, aber auch die mathematische Förderung müsse nebenher weitergehen.

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