Flüchtlinge:Appell zur Solidarität

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Hebertshausens Bürgermeister Michael Kreitmeir fordert seine Kollegen auf, den Andrang an Flüchtlingen nicht nur seiner Gemeinde zu überlassen. Das ehemalige Pflegeheim Deutenhofen ist derzeit die einzige Anlaufstelle.

Von Helmut Zeller

Dachau Kufsteiner Straße Asylbewerberunterkunft Foto: Heigl (Foto: Toni Heigl)

Die Situation für Asylbewerber in der Münchner Region verschärft sich dramatisch, unabhängig davon, dass der Freistaat die marode Sammelunterkunft in Dachau durch ein menschenwürdiges Gebäude für die 150 Bewohner ersetzen will. Dort kommen nicht noch mehr Flüchtlinge unter. Die Regierung von Oberbayern hat dem Landratsamt jetzt mitgeteilt, dass "für die nächste Zeit" wöchentlich fünf bis 20 Flüchtlinge aufgenommen werden müssen. Das übersteigt die bisherige Prognose von zusätzlich einhundert Asylbewerbern bis zum Jahresende um ein Vielfaches. Schon bis Ende August rechnet das Landratsamt mit bis zu 120 Menschen mehr - Wohnunterkünfte sind aber weit und breit nicht vorhanden. Deshalb wird der Landkreis nun doch mehr Asylbewerber als vorgesehen in dem früheren Pflegeheim im Hebertshausener Ortsteil Deutenhofen unterbringen müssen. Und das birgt viel Zündstoff.

Zurzeit leben 30 Flüchtlinge in Deutenhofen in dem denkmalgeschützten Gebäudetrakt, die ersten zehn sind am 29. Mai eingezogen. 20 Prozent mehr wären nicht große Problem, wie Bürgermeister Michael Kreitmeir (Freie Wähler) der SZ sagte. Aber er erwartet, und das hat er Landrat Hansjörg Christmann (CSU) auch bereits schriftlich erklärt, dass nun nicht alle Asylbewerber nach Hebertshausen kommen. 45 oder gar 70 Bewohner, so viel Platz bietet das ehemalige Pflegeheim, kommen laut Kreitmeir nicht in Frage. Er erwartet von den anderen 15 Gemeinden Solidarität. Mit Ausnahme der Stadt Dachau, in der die Gemeinschaftsunterkunft liegt, müssten auch andere Flüchtlinge aufnehmen.

Schon im Vorfeld regten sich Proteste gegen eine Sammelunterkunft in Hebertshausen. Im Juli 2012 machte Bürgermeister Michael Kreitmeir (Freie Wähler) deutlich, dass die Gemeinde mit 2300 Einwohnern das nicht zulassen will. Allerdings: Hebertshausen hat rechtlich kaum Möglichkeiten. Die Immobilie gehört dem Landkreis und wurde von der Regierung von Oberbayern als durchaus geeignet beurteilt. In einer nicht öffentlichen Sitzung wurde dem Hebertshausener Gemeinderat aber zugesichert, dass nicht mehr als 37 Personen in Deutenhofen aufgenommen würden. Angesichts der neuen Entwicklung sei die ursprüngliche Planung überholt, erklärt aber Gerhard Weber, Pressesprecher des Landratsamtes. Rechne man die neuesten Zahlen nur einmal auf Ende August hoch, so Weber, müsse das Landratsamt schon bis dahin Unterkunftsplätze für zusätzliche 30 bis 120 Personen organisieren. Doch nicht nur in Deutenhofen, sagt Kreitmeir. Die Hebertshausener hätten bisher sehr viel Toleranz und Verständnis gezeigt. Einzelne Asylbewerber hätten bereits Aufnahme in Vereinen und bei der Feuerwehr gefunden. Die Gemeinde habe elf Fahrräder gespendet, ein ehemaliger Polizist erteile Verkehrsunterricht und weitere vier Ehrenamtliche gäben Sprachkurse für die Menschen aus afrikanischen Staaten. "Das darf man jetzt nicht überziehen und damit das gute Verhältnis gefährden", sagt der Bürgermeister.

Das Landratsamt will nun auch nicht alle weiteren Asylbewerber, vor allem Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Ägypten, Afghanistan und dem Irak, in Deutenhofen unterbringen. Aber die Bürgermeister der anderen Kommunen haben bislang keine Objekte in ihren Gemeinden benannt, die aktuell zur Verfügung stünden. Das Flüchtlingslager in Dachau ist überfüllt. Derzeit befinden sich in der Gemeinschaftsunterkunft an der Kufsteiner Straße etwa 135 Menschen, die in menschenunwürdigen Baracken leben müssen. Die Stadt bemüht sich um einen Neubau mit abgeschlossenen Wohnungen für die Familien mit Kindern.

Das Landratsamt, so Weber, suche bereits nach geeigneten Grundstücken für die Errichtung von Behelfsbauten und Wohncontainern. Doch in vielen Fällen hätten sich die Eigentümer nicht dafür entscheiden können. Auch auf dem Wohnungsmarkt sieht es düster aus: "Fakt ist, dass derzeit am Wohnungsmarkt keine Objekte zur Verfügung stehen", erklärt Weber. Bis zum Bau von Wohnheimen wird einige Zeit verstreichen: Deshalb sei eine vorübergehende Unterbringung weiterer Flüchtlinge in Deutenhofen nicht zu vermeiden, sagt Weber. Die Alternative wäre eine Zeltstadt oder Turnhallen - doch für Landrat Hansjörg Christmann (CSU) wäre das "unter humanitären Gesichtspunkten eine schlechte Lösung". Bürgermeister Kreitmeir will nach den Lippenbekenntnissen Taten sehen. Das mache die Solidargemeinschaft aus. Auf einen Rückgang der Zahl der Asylbewerber hofft man im Landratsamt nicht: Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2012 wurde bundesweit im ersten Halbjahr 2013 ein Anstieg von 86,5 Prozent an Neuzugängen verzeichnet.

© SZ vom 26.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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