Fehlender Wohnraum:Obdachlos in Dachau

Fehlender Wohnraum: Die Obdachlosenunterkunft am "Kräutergarten" ist nahezu voll. "Wir brauchen einen Befreiungsschlag", sagt Dachaus OB Hartmann.

Die Obdachlosenunterkunft am "Kräutergarten" ist nahezu voll. "Wir brauchen einen Befreiungsschlag", sagt Dachaus OB Hartmann.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Oberbürgermeister Hartmann appelliert an die Bürger, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Zurzeit haben 120 Menschen kein eigenes Dach über dem Kopf, bis zum Jahresende kommen noch 200 Betroffene dazu.

Von Helmut Zeller, Dachau

Obdachlose Menschen, die in Schnee und Kälte im Freien schlafen müssen - dieses Bild kennt der Dachauer nur aus Großstädten und vom Fernsehschirm. So weit kommt es in Dachau noch lange nicht, dennoch wird es Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) angst und bange, wenn er an die neuen Obdachlosenzahlen denkt. Zum 1. Mai dieses Jahres waren es 120 Menschen, denen die Stadt Dachau eine Unterkunft besorgen musste. Das ist gelungen. Aber bis zum Jahresende rechnet die Stadtverwaltung mit zusätzlich 200 Obdachlosen, und für sie ist so gut wie kein Wohnraum mehr vorhanden. Die Stadt erwägt nun, selbst eine Unterkunft zu bauen, wenn sie keine Wohnungen oder Zimmer auf dem privaten Markt findet. Über einen Standort habe man sich noch keine Gedanken gemacht, sagte Hartmann.

Die Bilanz ist ernüchternd: Die zwei großen Obdachlosenunterkünfte am "Kräutergarten" und am ehemaligen "SS-Schießplatz Hebertshausen" sind nahezu voll. Die Stadt hat nur noch vier freie Zimmer für Einzelpersonen, von Juni an stehen am Kräutergarten 4 a noch elf weitere Einzelzimmer zur Verfügung. "Wir brauchen einen Befreiungsschlag", sagte Oberbürgermeister Hartmann auf einer Pressekonferenz. Er und Stefan Januschkowetz, Leiter des Ordnungsamtes, appellieren an Wohnungs- und Hauseigentümer, an die Stadt zu vermieten. Grundsätzlich war die Bereitschaft dafür in früheren Jahren größer, wie Januschkowetz sagte. Auch gibt es nicht mehr so viele Hotels und Pensionen, die Obdachlose aufnehmen.

Dennoch gibt es immer wieder positive Überraschungen: So überließ eine Familie spontan einem jungen Mann ein Zimmer, oder ein Vermieter nahm in Mitterndorf eine zehnköpfige Familie aus Syrien auf. Januschkowetz und sein Team, darunter zwei Sozialpädagogen, wollen die Bedürftigen nicht etwa in Obdachlosenunterkünfte abschieben. Zwei Drittel der Menschen, die im Ordnungsamt nachfragen, werden in Mietverhältnisse vermittelt. Grundsätzlich sollen alle Obdachlosen nach einer gewissen Zeit in stabile Wohnverhältnisse gebracht werden.

Allerdings wird das immer schwieriger: 2012 waren es noch 45 obdachlose Menschen, 2013 schon 86, das Jahr darauf 92 und zum 1. Mai nun bereits 120 Betroffene. Es sind mehrere Ursachen, die zu dieser Entwicklung geführt haben: das extrem hohe Mietniveau in Dachau bei weiter starkem Zuzug in den Großraum München; die steigende Zahl von Arbeitsemigranten in der EU, vor allem aus Bulgarien und Rumänien, die nicht ausreichend Geld für ein Wohnobjekt auf dem freien Markt verdienen. Dann kommen Unglücksfälle ins Spiel: So sind 18 Menschen, vor allem Familien, die durch einen Großbrand im April 2014 in der Kufsteiner Straße ihr Heim verloren, noch heute in Obdachlosenunterkünften untergebracht. Schließlich muss die Stadt auch Wohnraum für die anerkannten Asylbewerber finden. Sie müssen das Sammellager in der Kufsteiner Straße verlassen, haben aber auf dem freien Wohnungsmarkt kaum eine Chance, einen Mietvertrag abzuschließen.

In diesem Zusammenhang kritisierte der Oberbürgermeister die Asylpolitik in Bayern: "Aus den Augen, aus dem Sinn." Heute lasse die Regierung von Oberbayern anerkannte Asylbewerber durch die Polizei aus der Kufsteiner Straße vertreiben. Zurzeit wohnten dort 32 sogenannte Fehlbeleger. Der Staat lasse die Kommunen mit dem Problem einer Unterkunft für diese Menschen allein. "Eine Willkommenskultur sehe ich da nicht", sagte Hartmann. Bis zum Jahresende soll der Landkreis etwa 2000 Flüchtlinge aus Kriegs- und Armutsregionen aufnehmen. Sie werden auf die 17 Kommunen im Landkreis verteilt - Dachau soll 450 aufnehmen.

Abgesehen davon, dass die Gemeinschaftsunterkunft Platz für nur 150 Menschen bietet, endet für einen Teil der Asylsuchenden das Verfahren positiv - und sie stehen dann auf der Straße. Dazu kommen dann noch andere Obdachlose, die wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit ihr Heim verloren haben, oder auch Menschen, die nach einer verbüßten Haftstrafe in die Gesellschaft zurück wollen. Wie man bis zum Jahresende diese geschätzt 200 zusätzlichen Obdachlosen unterbringen will, ist der Stadtverwaltung noch völlig unklar. "Die Situation ist wirklich prekär", sagte Hartmann.

"Wir nehmen alles ", sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann. Die Stadt sucht zur Anmietung Zimmer, besonders aber für Familien größere Wohnungen mit drei oder mehr Zimmern, auch möbliert, oder Häuser im Stadtgebiet aber auch im Landkreis. Die Stadt zahlt einen Preis bis zum Niveau des gültigen Mietspiegels, Maklerprovisionen können jedoch nicht übernommen werden. Ansprechpartner ist das Ordnungsamt unter Telefon 08131/75 214 oder ordnungsamt@dachau.de.

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