Nach Kündigung einer lesbischen Erzieherin:Schutz vor Diskriminierung

Nach Kündigung einer lesbischen Erzieherin: FDP-Stadtrat Jürgen Seidl wünscht sich ein Umdenken der Kirche.

FDP-Stadtrat Jürgen Seidl wünscht sich ein Umdenken der Kirche.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

FDP-Politiker Jürgen Seidl fordert den Dachauer Stadtrat auf, sich für Mitarbeiter bei allen Trägern von Kindertagesstätten einzusetzen. Er schlägt eine vertragliche Vereinbarung vor.

Von Johannes Korsche, Dachau

Der Dachauer FDP-Stadtrat Jürgen Seidl will den 17 nicht städtischen Kindertageseinrichtungen die Zuschüsse streichen, wenn sie sich nicht zu Antidiskriminierung und Grundwerten des Grundgesetzes bekennen. Mit einem Antrag an den Stadtrat will Seidl verhindern, dass Erzieherinnen und Erzieher aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ihren Arbeitsplatz verlieren können. Anlass war der Fall einer lesbischen Caritas-Hortleiterin aus Holzkirchen. Die Frau musste ihren Arbeitsplatz verlassen, weil sie mit ihrer Partnerin eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen war.

Zur Diskussion stehen durch den FDP-Antrag freiwillige Zuschüsse der Stadt in Höhe von rund 520 000 Euro pro Jahr. Der Antrag richte sich besonders an katholische Träger, deren antiquierte Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre nach Seidls Ansicht in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptabel sind. Seidl, der Jurist mit Kanzlei in Dachau ist, will mit seinem Antrag ein "Umdenken der Kirche fördern" sowie eine "Diskussion über die Ungleichbehandlung der Erzieherinnen und Erzieher in katholischen Einrichtungen anstoßen".

Ein Umdenken, das in der katholischen Kirche anscheinend bereits im Gange war. Davon zeugt die am Dienstag von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte Neufassung der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse". Sie ist Teil des katholischen Arbeitsrechts und war Grund für die Trennung von der Hortleiterin in Holzkirchen.

In der bisherigen Fassung kam es automatisch zur Kündigung, wenn homosexuelle Angestellte eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingingen oder nach einer Scheidung erneut heirateten. Diese Praxis hatte auch innerhalb der Kirche zu Diskussionen geführt. Zum Fall in Holzkirchen teilte Caritas-Direktor Prälat Hans Lindenberger den Beschäftigten des Diözesan-Caritasverbands in einem Brief, der der SZ in Auszügen vorliegt, mit: "Ich hoffe und wünsche, dass in Zukunft in der Grundordnung ein besser akzeptierter Weg gefunden wird zwischen den Grundsätzen der Kirche und der Lebenswirklichkeit der Menschen."

Die Deutsche Bischofskonferenz hat am Dienstag auf diesen Wunsch reagiert. Denn in dem Fall der lesbischen Erzieherin käme es künftig nicht mehr automatisch zur Kündigung: Die neue Grundordnung lässt mehr Raum für eine Einzelfallprüfung - zumindest für Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen. Weiterhin betroffen von der strengen Auslegung des kirchlichen Arbeitsrechts sind dagegen Religionslehrer oder Seelsorger.

Die katholischen Träger in Dachau reagieren positiv auf die Veränderung des kirchlichen Arbeitsrechts. Sie hätten bei unverändertem Kirchenrecht durch den Antrag Seidls um Zuschüsse der Stadt bangen müssen. Tobias Utters, Pressesprecher des Franziskuswerkes, erklärt: "Für uns als Einrichtung ist der Schritt eine große Hilfe. Gerade, wenn man den Fachkräftemangel bedenkt." Zum Antrag der Dachauer FDP will sich Utters nicht explizit äußern. Das Franziskuswerk unterhält in Dachau die Kinderkrippe Sankt Franziskus und den Kindergarten und die Kinderkrippe Sankt Klara sowie Betreuungsstätten in Schönbrunn, Markt Indersdorf, Röhrmoos und Petershausen.

Auch die Leiterin der Abteilung Kommunikation und Sozialmarketing des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising, Monika Huber, freut sich über "wesentlich mehr Spielraum" im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Die Caritas betreibt den Kindergarten Nazareth sowie den Kindergarten und die Kinderkrippe Mariä Himmelfahrt in Dachau. Hinzu kommen Kindertageseinrichtungen in Karlsfeld und Vierkirchen. Huber hofft, dass die Einrichtungen der Caritas für Jobsuchende durch die Änderung der Grundordnung attraktiver werden: "Vor allem für Bewerber, die der katholischen Kirche nicht abgeneigt sind, aber bisher auf eine Bewerbung verzichtet haben, spielt die Veränderung eine Rolle." Auch für die bereits Beschäftigten sei die Liberalisierung ein wichtiges Signal, auf das viele gewartet hätten.

Die katholischen Träger kommen also seit Dienstag nicht mehr in Konflikt mit den Zielen des FDP-Antrags. Trotzdem hält Seidl seinen Antrag nach wie vor für relevant. Dass die Kirche seine bisherigen Grundsätze ändere, bestätige ihn. Zudem müsse die Grundordnung in den jeweiligen Diözesen noch umgesetzt werden, weshalb die Stadt den Druck auf die freien Träger erhöhen solle.

Zumindest die von Hauptamtsleiter Josef Hermann angekündigte "wochenlange, rechtliche Prüfung" des Antrags dürfte seit Dienstag entfallen. Für die Holzkirchnerin kam die Liberalisierung zwar zu spät, doch zumindest in Dachau wird sich so ein Fall, ganz im Sinne des FDP-Antrags, nicht wiederholen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: