Faschingsfieber:Das Kostüm entlarvt den Narren

Der Dachauer Psychologe Michael Raisch weiß, warum sich Menschen im Fasching als Hexen und Zombies verkleiden: Sie sind selbstbewusst und haben den Mut zur Hässlichkeit. Prinzessinnen möchten beschützt werden, Piraten strahlen Kraft aus

interview Von Franziska Hofmann, Dachau

Der Faschingsmuffel flieht in den kommenden Tagen. Fährt in den Kurzurlaub, um den Trubel zu meiden. Der Faschingsfreund geht in den Keller, durchwühlt die Kostümkiste und stürzt sich dann ins Vergnügen. Michael Raisch ist Psychologe in Dachau und erklärt im Gespräch mit der SZ, was es mit dem Fasching auf sich hat und was das Kostüm über den Träger verrät.

SZ: Herr Raisch, wie wirkt sich der Fasching auf unsere Psyche aus?

Michael Raisch: Man hat Spaß am Feiern und Fröhlichsein. Der Unterschied zum Rest vom Jahr ist, dass man seine Rolle komplett wechseln kann. So kann man seine Wünsche und Sehnsüchte besser ausleben. Man ist inkognito unterwegs und kann sich auch mal was leisten oder trauen, das sonst nicht funktioniert. Man kann dadurch freier und ungehemmter auftreten.

Können Kostüme mehr über den Menschen darin verraten?

Das kommt darauf an. Wenn man etwas aus dem Kleiderschrank nimmt, was auch der große Bruder oder der Vater schon getragen hat, dann sind das pragmatische Gründe und es hat eine geringe Bedeutung. Wählt man das Kostüm aber sehr bewusst aus oder richtet sich sogar speziell neu ein, verrät die Verkleidung ziemlich viel.

Was halten Sie von männlichen Kostümen wie dem Polizisten?

Weiberfasching

Einmal Prinzessin sein, Pirat oder Bandit. Oder eine freche Perücke tragen: Für den Weiberfasching haben sich die Gäste kreative Kostüme überlegt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Er strahlt Macht, Kraft und Selbstsicherheit aus, etwas, das dem Verkleideten sonst womöglich abgeht. Dazu zählen auch Piraten, Räuber und Banditen, aber in illegaler Form, da kommt noch das Abenteuertum und Rebellische dazu.

Welche Bedeutung haben Tierkostüme?

Das ist ein breites Spektrum. Löwen sind stark und unbeugsam, Hasen hingegen schnuckelige, kleine Tiere mit einem großen Kuschelbedürfnis. Die Katze ist genial, sie verbindet die beiden. Sie liebt die Freiheit, ist aber auch ein Haustier, das gerne gestreichelt wird. Und wenn es sein muss, zeigt sie auch mal ihre Krallen.

Was sagen Sie zu Prinzessinnen?

Sie möchten gerne beschützt und bewundert werden. Möglicherweise fehlt ihnen das im realen Leben. Der große Wunsch nach Bewunderung zeugt womöglich von einem geringen Selbstbewusstsein.

Wer verkleidet sich dann als Hexe?

Bei Hexen und Zombies muss man sich die Frage stellen, woher der Mut kommt, hässlich sein zu wollen. Die müssen schon ein hohes Selbstbewusstsein haben, um sich dann hässlich zu schminken.

Faschingsfieber: Michael Raisch.

Michael Raisch.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Viel Schminke im Gesicht haben auch Clowns regelmäßig.

Ja. Sie möchten gerne lustig sein und überspielen ihre Traurigkeit. Durch dieses dauerhafte Glücklichsein ist der Clown eine oft zwanghaft wirkende Rolle. Er möchte von den Menschen gemocht werden, indem er ein lustiger Mensch ist. Aber nach der Faschingszeit ist er es wahrscheinlich nicht mehr.

Hinter Verkleidungen steckt also mehr.

Es ist das andere, was uns da anzieht. Das Bedürfnis und die Sehnsucht kommt durch ein Kostüm zum tragen. Es ist anzunehmen, dass man im Fasching etwas ausprobiert, was man sonst nicht machen würde. Außer natürlich man hat es nur aus dem Schrank gezogen.

Stillen auch Sie Sehnsüchte mit Faschingskostümen?

Ich habe mich früher manchmal als Frau verkleidet. Das ist ganz anders und geht sonst nie. Ich wollte spüren wie es wirkt, wie mich andere ansehen und ich wollte mich selbst spüren. Frauen haben andere Reize und ich wollte diese Züge erleben.

Auf welche Kostüme können Sie noch zurückblicken?

Als Kind nahm ich oft kraftvollere Positionen ein, dann war ich nicht mehr der "Kleine". Ich war Pirat, Ritter oder Koch. Als Koch wird man schließlich auch gemocht für seine kulinarischen Fähigkeiten und weil man anderen etwas Gutes tut.

Neben Kostümen bietet der Fasching den Narren und Jecken auch jede Menge Alkohol. Was bedeutet das für die Psyche?

Alkohol ist der Stoff, um uns gesellig zu machen. Es bringt Lockerheit und Fröhlichkeit und damit auch Geselligkeit. Insofern enthemmt er und erleichtert das faschingstypische Schunkeln und die körperliche Nähe.

Gibt es auch negative Auswirkungen?

Die Selbstkontrolle ist niedriger, man fängt an zu lallen und kann nicht mehr richtig gehen. Zudem verliert man seine Grenzen und wird vielleicht aggressiv. Als Psychologe wünscht man sich, dass Sehnsüchte und Wünsche auch ohne Alkohol erfüllt werden können.

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