Fasching:TÜVtelei im Tollhaus

Sicherheitsauflagen machten Pläne des Burschenvereins Niederroth zunichte, mit einem Saloon auf Rädern am Faschingszug teilzunehmen. Das Verbot brachte sie auf eine neue, viel bessere Idee.

Benjamin Emonts

Eine kleine, strahlend gelbe Sonne blickt lachend auf das achtkantige Siegel herab. Das Siegel, das jeder kennt: blaue Umrandung, ein grau unterlegtes Achteck im Inneren, darauf in fett gedruckten, schwarzen Lettern die Aufschrift: TÜV SÜD. Das Bild, das auf der Fassade des Faschingswagens für die Umzüge am Wochenende im Landkreis liebevoll illustriert ist, betiteln die Niederrother Burschen wie folgt: "Über Niederroth lacht die Sonne, und über den TÜV der ganze Landkreis."

Es kam alles anders als geplant. Anstatt sich an Fasching in Sarkasmus zu üben und sich über den TÜV lustig zu machen, wollte der Niederrother Burschenverein ursprünglich auf eine Reise in den Wilden Westen aufbrechen. Und die Reisevorbereitungen waren Ende Dezember so gut wie abgeschlossen: Der zweistöckige Saloon mit viel Mühe und Liebe zum Detail erbaut, die Kostüme mit Sorgfalt ausgesucht. Thomas Baumann alias Baumi hätte mit seinem Dreitagebart gewiss auch im neuen Tarantino-Western "Django Unchained" eine gute Figur abgegeben. Ob der Cowboyhut, die Stiefel mit sternförmigen Sporen, der Sheriff-Stern oder der obligatorische Colt, der locker im Ledergürtel sitzt: Baumi war für siebzig Euro schon komplett eingekleidet.

Alles vergebens! Sein Kostüm bleibt im Schrank. "Schuld daran ist das Landratsamt", ärgert sich der stellvertretende Burschenchef Sebastian Klein über einen Brief der Behörde an Weihnachten. Er enthielt eine Hiobsbotschaft: Ihr Faschingswagen wird für die Umzüge in Dachau, Markt Indersdorf und Weichs nicht zugelassen. Sollten vier Wochen Arbeit tatsächlich vergebens gewesen sein?

Das offizielle Schreiben führte detailliert aus, welche Auflagen wegen der Sicherheit im Verkehr verlangt werden. Der Burschenverein sollte eine Betriebserlaubnis für den Anhänger vorlegen, auf dem der Saloon aufgebaut war. Schon beim Lesen der Post wurde Sebastian Klein mulmig. Denn die Betriebserlaubnis des Anhängers hatte er nicht. Ein Anruf beim TÜV-Sachverständigen Stefan Karnowski machte unmissverständlich klar: Mit diesem Wagen kein Umzug.

Die jungen Männer setzten alle Hebel in Bewegung: Sie besorgten nachträglich eine landwirtschaftliche Betriebserlaubnis für den Anhänger, telefonierten mit Polizei und Faschingskomitee. Erfolglos. Der TÜV beschied: Die vorgelegten Dokumente reichen für eine Teilnahme am Umzug nicht aus. Was tun? Alles abblasen oder einen gänzlich neuen Faschingswagen bauen.

Und nun - zwei Tage vor dem Dachauer Umzug - steht er da, der neue Wagen mit dem Motto "Niederrother TÜV". Zwar nur halb so groß wie sein Wild-West-Vorgänger, nichtsdestotrotz ein echtes Schmuckstück: vier Meter hoch, drei Meter breit und sieben Meter lang. "Wir wollten uns nicht unterkriegen lassen", sagt Burschenchef Klein trotzig und blickt stolz auf die fachmännisch erbaute Holzhütte mit Schrägdach. Es ist unschwer zu erkennen: Sie sind Meister ihres Fachs, die Zimmerer, Elektriker und Mechaniker aus dem Niederrother Burschenverein. Schließlich bauen sie seit bereits 16 Jahren Faschingswagen. Ihre stabile Blockhütte ist durchdacht konstruiert, aus massiven Holzbalken und fein säuberlich zugeschnittenen Latten erbaut - und seit vergangenem Samstag vom TÜV zugelassen. Endlich.

Alles schön und gut, könnte man nun denken. Doch noch immer ärgern sich die Burschen über die "mangelhafte" Informationspolitik des Landratsamts. "Drei bis vier Wochen vor Fasching die Auflagen rauszuschicken, ist einfach viel zu spät", sagt Sebastian Klein. Der Umbau habe den Burschenverein etwa 2000 Euro gekostet. Besonders schade: Das überschüssige und bereits zugeschnittene Holz stapelt sich neben dem neuen Faschingswagen. Es findet keine Verwendung mehr.

Keiner der Burschen möchte in Frage stellen, dass die Sicherheit Vorrang hat. "Aber auf uns sollte man auch Rücksicht nehmen", fordert Klein und weist darauf hin, dass auch die Veranstalter ihre Sicherheitsvorkehrungen überdenken sollten. Ihm ist als Fahrer dieser großen und unübersichtlichen Lastzüge immer wieder aufgefallen, dass er viel zu nah an den drängelnden Zuschauermassen vorüberfahren muss.

An ihrem neuen Wagen haben die Burschen Gefallen gefunden, auch wenn statt ursprünglich 200 Personen nur noch halb so viele auf dem Wagen mitfahren dürfen. Denn die nächsten Tage führen sie Behörden und TÜV als Lachnummer vor. Am Dienstagabend sind am Wagen nur noch wenige Kunstgriffe nötig: So hat eine der zwei auf den Wagen gemalten Sonnen noch kein Gesicht. Caro tüftelt gerade noch an dem vom TÜV allzu gut bekannten Stempel: "Abgelehnt." Mit ruhigem Händchen und roter Farbe. Burschenchef Klein gibt derweil bereits die Marschrichtung für die fünfte Jahreszeit in 2014 vor: "Unser nächster Wagen wird wieder doppelt so groß. Das Motto wird dann sein: "Der Wilde Westen."

Übrigens, um das Tollhaus perfekt zu machen: Kurz bevor der Burschenverein mit seinem neuen Wagen fertig war, gab es eine Sonderregelung. Diese besagte: Der Wild-West-Wagen hätte teilnehmen dürfen.

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