Existenzgründer:Armutsrisiko gescheiterte Selbständigkeit

Bruck: Landratsamt / LRA - Gründer-Messe der IHK

Auf ihrer Gründermesse hilft die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern den Jungunternehmern.

(Foto: Johannes Simon)

Viele Existenzgründer haben zu wenig Knowhow, bevor sie loslegen. Auf einer Messe in Dachau können sie sich kostenlos beraten lassen.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Nach dem noch unveröffentlichten Armutsbericht des Landkreises sind gescheiterte Versuche, sich beruflich selbständig zu machen, mittlerweile die häufigste Ursache für Überschuldung im Landkreis. "Gescheiterte Existenzgründung ist das Schuldenrisiko Nummer eins", sagte Landrat Stefan Löwl (CSU) bei einem Pressegespräch. Erst danach kämen andere Gründe wie etwa Scheidung oder Krankheit. "Das soll keinem Angst machen", sagte Löwl, appellierte zugleich aber an alle Existenzgründer: "Lasst euch beraten." Der Schritt in die Selbständigkeit erfordere eine gründliche Vorbereitung.

Genau zu diesem Zweck findet jährlich die Gründermesse "Existenz" statt. Organisiert wird sie vom Landkreis, der Stadt Dachau, der IHK für München und Oberbayern, der Handwerkskammer für München und Oberbayern sowie der Kreishandwerkerschaft. Auf der Messe können sich die Besucher am 4. Februar bei Vorträgen und an Ständen informieren, sich aber auch individuell beraten lassen; das Angebot ist kostenlos. "So viel geballtes Wissen an einem Ort wird man so schnell nicht wieder finden", warb Harald Hof, IHK-Referent für betriebswirtschaftliche Beratung.

Oftmals vergessen Jungunternehmer, notwendige Rücklagen für die Steuer einzuplanen oder wissen nicht, wie sie nach der Eröffnung Kunden für sich gewinnen.

Nur etwa fünf bis sieben Prozent der Gründer lassen sich vorab beraten

Obwohl die "Existenz" seit 2002 nun schon zum 16. Mal stattfindet und es immer wieder regionale Sprechtage und Seminare sowie weitere ergänzende Angebote für Jungunternehmer und Neugründer gibt, lassen sich laut Harald Hof nur etwa fünf bis sieben Prozent beraten, bevor sie den Schritt in die Selbständigkeit wagen. 50 bis 70 Prozent scheiterten bereits in den ersten drei bis fünf Jahren. Eine neue Studie der IHK zeige, dass dieses Risiko mit vorheriger Beratung nur bei 20 Prozent liege.

Erstmals bietet die Messe eine eigene Plattform für Unternehmer aus dem kreativ-künstlerischen Bereich wie Autoren, Kinderbuchillustratoren oder Webdesigner. "Der Großraum München ist das Kreativzentrum Deutschlands", erläuterte Johann Liebl, Leiter der Wirtschaftsförderung im Landratsamt. Die Kreativen sind oft pfiffig in ihren Geschäftsideen. Wenn es um praktische betriebswirtschaftliche Fragen geht wie Steuern oder Kostenkalkulation, stoßen viele aber schnell an ihre Grenzen.

Im vergangenen Jahr gab es 1650 Gewerbeanmeldungen im Landkreis. "Das ist eine sehr ordentliche Zahl." Zu den beliebtesten Branchen zählten Handel und Kfz-Gewerbe mit jeweils 18 Prozent, dicht gefolgt vom Baugewerbe und dem wirtschaftlichen Dienstleistungsbereich. Allerdings hat sich die Entwicklung 2016 nach den Zahlen der IHK deutlich abgeschwächt. In den ersten neun Monaten wurden 960 IHK-Betriebe im Landkreis gegründet - im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum ein Minus von 8,6 Prozent. Bei den Betriebsübernahmen, die auch als Existenzgründungen gezählt werden, betrug der Rückgang sogar 41 Prozent. Dennoch werden im Schnitt im Landkreis immer noch 20 neue Gewerbe pro Woche angemeldet.

Anteil von Frauen, Ausländern und Älteren könnte höher sein

Der klassische Existenzgründer ist männlich, zwischen 25 und 45 Jahre alt und Deutscher. Der Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Dachau, Peter Fink, sieht daher noch viel ungenutztes Potenzial bei anderen Bevölkerungsgruppen, "insbesondere bei Frauen, Bürgern ohne deutschem Pass und innerhalb der Generation 50-plus". In der ersten Dekade nach 2000 hatten viele den Schritt in die Selbständigkeit gewagt, weil sie selbst keinen einträglichen Job hatten. In der Region herrscht mittlerweile aber nahezu Vollbeschäftigung, die Löhne steigen. Inzwischen finden zwei Drittel aller Neugründungen im Nebenerwerb statt, das heißt, die Existenzgründer fahren erst einmal zweigleisig.

Existenzgründer fänden im Dachauer Raum ein wirtschaftlich starkes Umfeld vor, sagte Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Dafür hätten sie mit anderen Problemen zu kämpfen, etwa mit überdurchschnittlich hohen Kosten für Wohn- und Geschäftsräume. Den Schritt in die Selbständigkeit dürfe man nicht romantisieren: "Man muss die Gefahr des Scheiterns immer mitdenken."

Existenz-Messe am Samstag, 4. Februar, im Hotel Tulip Inn, Newtonstraße 8, Dachau, von 9.30 bis 16.30 Uhr, Eintritt frei. Das Programm im Internet unter www.gruenden-in-oberbayern.de.

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